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22.04.2020 | (rsn) - Die Israel Start-Up Nation ist alles andere als ein alltägliches WorldTour-Team. Der Rennstall wirbt nicht für ein Produkt, sondern für ein ganzes Land. Sylvan Adams, der Mann, der hinter dieser Idee steckt, ist ebenso außergewöhnlich. In einer mehrteiligen Interview-Serie beleuchtet radsport-news.com seine Visionen. Das auf Englisch geführte Interview übersetzte Michael Hürlimann ins Deutsche.
Teil 2: Adams erklärt, warum er mit der Israel Start-Up Nation keine Werbung für ein Produkt, sondern für ein ganzes Land machen will, in das er erst 2016 auswanderte, und warum auf seiner Visitenkarte "Sonderbotschafter für Israel“ steht
Sie sind in Kanada aufgewachsen und haben dort auch Ihr Vermögen aufgebaut. Warum leben Sie nun in Israel?
Sylvan Adams: Ich bin erst 2016 nach Israel ausgewandert. Daher bin ich ein Neuzuzügler in Israel.
Hatten Sie familiäre Verbindungen zu Israel?
Adams: Es ist etwas kompliziert. Ich habe einen Teil meiner Wurzeln hier, ein Teil der Familie ist nach dem Holocaust hierhergekommen. Meine beiden Eltern sind Holocaust-Überlebende. Sie lebten vorher in Rumänien. Glücklicherweise, auch wenn sich das komisch anhört, trat Rumänien den Achsenmächten bei und daher ist Deutschland nie in Rumänien eingefallen. Als Folge davon wurde mein Vater zur Zwangsarbeit gezwungen. Er wurde nicht in ein Vernichtungslager geschickt, sondern zur Zwangsarbeit für die Kriegsanstrengungen und anderer ziviler Vorhaben Rumäniens gezwungen. Die Rumänen ernährten ihre Arbeitssklaven nicht. Es war eine miserable Existenz. Natürlich wurde Rumänien von den Faschisten, den sogenannten Braunhemden, regiert. Mein Vater hat es irgendwie geschafft, während des Krieges zu entkommen und kam nach Palästina, das damals britisches Mandatsgebiet war. Mein Vater kämpfte, nachdem der Staat Israel ausgerufen worden war, im Unabhängigkeitskrieg für Israel. Daher habe ich natürlich Wurzeln hier.
Und Ihre Mutter?
Adams: Sie hielt sich während des gesamten Krieges in Bukarest versteckt. Sie gelangte 1947 in das britische Mandatsgebiet Palästina und wurde von den Briten zurückgeschickt. Sie reiste daher nach Zypern und verbrachte sechs Monate in einem Internierungslager. Nachdem der Staat Israel ausgerufen worden war, konnte sie zurückkommen und absolvierte ihr Gymnasium hier. Das alles ist Politik. Zum Glück reden wir hier und heute über Sport und nicht über Politik. Meine Eltern wanderten schließlich beide nach Kanada aus, wo sie sich auch trafen. Daher habe ich, bevor wir hierhergezogen sind, nie in Israel gelebt. Ich habe meine Frau in einem Kibbuz kennengelernt. Sie ist Britin. Ich verbrachte als Student und Freiwilliger Zeit in einem Kibbuz, wo ich diese britische Lady getroffen habe [zeigt auf seine Ehefrau, die in der Nähe sitzt]. Jetzt sind wir bereits seit mehr als 35 Jahren verheiratet. Das ist also eine nette, kleine Geschichte.
Wie kamen Sie nach Israel?
Adams: Als ich an einem dunklen Wintertag abends nach Hause kam – es wird übrigens schon um drei Uhr dunkel im Winter in Montreal – sagte ich: Margaret, was hältst du davon, nach Israel zu ziehen? Sie erwiderte zwei Sachen: Ich habe immer gedacht, dass wir eines Tages dahinziehen, denn wir haben uns da kennengelernt. Und zweitens, dass es ein Abenteuer sein könnte. Sie hatte in beiderlei Hinsicht Recht. Also ja, ich habe einen Teil meiner Wurzeln hier. Ich habe einen kleinen Teil der Familie hier, ein paar Cousins. Meine Ehefrau und ich sind allein von Kanada hergezogen. Unsere Kinder sind schon erwachsen. Ich mag es, zu sagen, dass sie uns verlassen haben, nicht wir sie. Ich habe drei Kinder in den USA, eines in Los Angeles, eines in Vancouver und ein weiteres in Montreal. Alle sind verheiratet und machen ihr eigenes Ding.
Haben Sie Kontakte in die israelische Politik?
Adams: Ich kenne alle israelischen Politiker. Wenn man so etwas wie den Start des Giro organisiert, kann man das nicht ohne die Unterstützung der Politik tun. Ich musste sogar für die Sperrung der Straßen unterschreiben! Ich war für die Straßen Israels während der drei Tage verantwortlich. Ich habe wegen der Sperrungen den Minister für öffentliche Sicherheit getroffen. Und den Finanzminister, da ich von der Regierung Unterstützung für dieses Projekt erhielt. Ich kannte natürlich den Sportminister. Ich habe den Premierminister getroffen. Wir haben vor dem Giro einen kleinen Film mit Premierminister "Bibi" Netanjahu bei einer gemeinsamen Radtour gedreht.
Der kurz vor dem Giro veröffentlicht wurde?
Adams: Genau. Wir wollten einen kurzen Film mit dem Premierminister machen. Da habe ich die Jungs von meinem Team genommen und wir alle sind zusammen mit dem Premierminister Rad gefahren. Also ja, ich kenne die Politiker im Land. Als ich den Giro hierher herbringen wollte, hatten sie noch nicht einmal von dem Rennen gehört. Aber als ich ihnen die Zuschauerzahlen der Leute, die den Giro verfolgen würden, vortrug, habe ich Unterstützung erhalten. Wie gesagt, nicht genug, aber ich habe es selber geschultert und dachte, es wäre eine gute Sache für das Land. Übrigens, als ich umgezogen bin, ließ ich im ersten Monat Visitenkarten drucken, auf denen mein neuer Titel "Sonderbotschafter für Israel" vermerkt war. Das ist meine Arbeit. Ich werbe für das Land, indem ich entweder Großevents ins Land hole oder durch das Team, das weltweit mit der Aufschrift "Israel" an Rennen teilnimmt.
Es gibt mehrere Teams, die von ein oder zwei Mäzenen finanziert wurden, die am Radsport Freude gefunden hatten. Einige dieser Teams gingen aber ein, weil die Financiers mit der Zeit ihr Interesse wieder verloren. Ein Beispiel ist Makarov, ein anderes Tinkoff und es gibt weitere.
Adams: Ich bringe ein Element ein, das die anderen nicht hatten. Ich mache Werbung für ein Land. Ich mache es nicht nur, weil ich den Radsport mag. Dann hätte ich ein WorldTour-Team kaufen können. Mir wurden sogar WorldTour-Teams angeboten. Aber das habe ich abgelehnt. Ich war nur an Gesprächen über eine Fusion mit meinem Israel Team interessiert, was wiederum die anderen ablehnten. Zufälligerweise mag ich den Radsport (lacht). Aber der motivierende und bei weitem der bedeutendste Faktor war, dass ich mein Land promoten und meinen Auftrag als Sonderbotschafter erfüllen wollte.
Da haben Sie sich gesagt, dass Radsport die beste Möglichkeit sei, dies zu erreichen?
Adams: Ich denke, dass der Radsport hunderte Millionen Menschen erreicht. Außerdem gibt es so viele Rennen mit weltweiter Ausstrahlung. Wir sind überall. Ich mag den Radsport als Vehikel und zufälligerweise mag ich ihn auch als Sportart. Radsport ist verschieden von anderen Teamsportarten. Nehmen wir mal an, ich wollte Bayern München kaufen. Keine Ahnung, wie viel das kosten würde. Im Radsport ist der Wert des Teams null, die Lizenz hat ebenfalls keinen Wert. Es geht um die jährliche Summe, die man über die Sponsorengelder hinaus in ein Team stecken muss – das sind die Kosten. Das Team hat keinen Franchisewert. Ich könnte das Team nicht verkaufen. Es hat keinen Wert. Wir kriegen keine Einnahmen außer den Sponsorengeldern. Für Bayern München gehören die Sponsorengelder zur Kategorie "sonstige Einnahmen", denn für sie ist es ein sehr kleiner Posten. Sie kriegen so viel Geld aus anderen Quellen. Ich denke, dass Radsport sehr gut ist, um Israel zu promoten, indem ich Erstbesuchern via Fernsehen oder dem Team, zeige, dass Israel ein normales Land ist. Und dass wir normale und großartige Dinge tun.
Wann kommt das nächste große WorldTour-Rennen nach Israel?
Adams: Das ist eine gute Frage. Dazu braucht es Regierungssupport. Ich denke nicht, dass das meine Aufgabe ist. Ich habe ihnen bereits einmal gezeigt, wie es funktioniert. Ich wäre bereit, etwas beizutragen. Aber für den Giro habe ich 90% der Kosten übernommen. Hören Sie sich diese Anekdote an, die zeigt wie naiv und dumm ich war, als ich den Giro nach Israel geholt habe: Ich ging zu den Entscheidungsträgern und erklärte, dass ich dieses fantastische Event habe, das bereit sei, hierher zu kommen. Ich erklärte ihnen alles rund um den Giro. Um ihnen zu zeigen, wie sehr ich an die Idee glaubte, bot ich ihnen an, 10% der Kosten zu tragen. Sie haben mich ausgelacht und mir gesagt, dass sie das nicht mitmachen. Und sie gaben mir 10%.
Würden Sie das noch einmal so machen?
Adams: Das nächste Mal, wenn ich ihnen ein Rennen nach Israel bringe, muss es andersherum sein. Ich habe ihnen gezeigt, wie wertvoll es allein in puncto Tourismus sein kann. Sie hatten damals auf Eurosport eine richtig gute Werbekampagne geschaltet, nämlich Tel-Aviv – Jerusalem. Diese Initiative muss man mit konkreten Inhalten kombinieren. Dann verstehen die Leute, dass Israel ein schönes Land für einen Besuch sein könnte. Ich denke, dass dahinter richtig viel Wert steckt. Wir reden darüber, ein jährliches Rennen nach Israel zu holen. Ich würde es liebend gerne tun.
Sylvan Adams gehört zu den reichsten Leuten in Israel. Er übernahm 1992 von seinem Vater das milliardenschwere kanadische Immobilien-Unternehmen Iberville, das der gelernte Gerber aus einfachsten Verhältnissen aufgebaut hatte. Adams vergrößerte das Vermögen. In den 80er Jahren lernte er bei einem freiwilligen Arbeitseinsatz in einem Kibbuz seine in Großbritannien geborene Frau Margaret kennen. Das Paar bekam vier Kinder. Adams bezeichnet sich als "Zionist“.
In Teil 3 verrät Adams, wie er Nils Politt zum Bleiben überredete, der nach dem Ende von Katusha gute Angebote von anderen Teams hatte, und warum er Andre Greipel zur Israel Start-Up Nation lotste.
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