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28.05.2020 | (rsn) - Udo Bölts ist der Prototyp des selbstlosen Helfers, der Jan Ullrich durch die tiefsten mentalen Täler auf die schwersten Berge führte. Der Heltersberger ist aber auch ein großer Kämpfer. 1992 gewann er die 18. Etappe des Giro d’Italia über 260 Kilometer von Saluzzo nach Pila. Der Sieg auf der Königsetappe brachte seinem Team die Einladung zur Tour de France. Und was noch viel wichtiger war: Es sicherte der Mannschaft die weitere Unterstützung des Sponsors Telekom.
radsport-news.com fragte bei Bölts nach, ob er sich noch an den Erfolg vor 28 Jahren erinnere? "Ja, es gab eine große Ausreißergruppe. Ich weiß nicht mehr, mit wie vielen Leuten. Vorne war ein Mann. Roman Arrieta hieß er. Er sah eigentlich schon wie der sichere Sieger aus. Doch ich habe ihn kurz vorm Ziel noch eingeholt. Ich glaube, er hatte einen Hungerast bekommen", erzählte der Pfälzer, ohne lange nachdenken zu müssen.
In seinem Buch "Quäl dich, du Sau" (Covadonga Verlag), das nach dem Spruch benannt ist, der ihn weltberühmt gemacht hat, schreibt er, nachdem die Verfolger nur noch aus ihm und dem Italiener Giancarlo Perini bestanden: "Wir einigen uns darauf, bis zum Fuße des letzten Berges gemeinsame Sache zu machen. Danach sollte jeder tun, was er kann. Wir beide verstehen uns glänzend. Ich registriere voller Achtung seinen Ehrgeiz. Er schwächelt ein wenig, umso mehr freue ich mich über seinen Willen. Arrieta führt mit rund eineinhalb Minuten Vorsprung.
Als Frans Van Looy mit dem Auto nach vorne gerast kommt, weiß ich, dass der Vorsprung auf die nächste Gruppe groß genug ist. Perini zu schlagen, sehe ich nicht als Problem an, und wieder einmal gibt mir die Hoffnung auf einen zweiten Etappenplatz mehr Kraft und Motivation, als dass mich Angst lähmen könnte. Wunderbar!“
… Plötzlich schreit Frans: 'Dort fährt der andere. Auf Udo, komm!‘ Ich hebe meinen Kopf und stiere nach vorne. Tatsächlich, die Begleitfahrzeuge von Arrieta. Das kann doch nicht sein. Ich glaube, Arrieta bricht ein."
Im Gespräch mit radsport-news.com erinnerte Bölts sich: "Ich habe gesehen, dass er zickzack gefahren ist. Da hatte er keine Chance mehr."
"Als ich ihn hundert Meter vor mir habe, blase ich zur Attacke. Ich hole tief Luft und überhole ihn mit großem Schwung. Arrieta hat sich völlig übernommen. Noch zwei Kilometer, da realisiere ich, dass ich diese Königsetappe gewinnen werde", schreibt er weiter in seinem Buch.
Ein Triumph, der fast nicht zustande gekommen wäre, da Bölts zu Beginn des Giros schwer gestürzt war. "Ich habe im Zielsprint einen Überschläger gemacht und mir dabei einer Gehirnerschütterung zugezogen. Damals ist man noch mit Sturzring gefahren. Heute, mit Helm, hätte ich wohl keine Gehirnerschütterung gehabt", behauptete er gegenüber radsport-news.com.
Nur weil er auf die Zähne gebissen hatte, gelang ihm der Coup. Bölts: "Es war mein erster großer internationaler Erfolg. Ich würde den Sieg schon ganz weit oben einordnen. Ich bereue es auch ein bisschen, dass ich damals das Fahrrad und das Trikot nicht aufgehoben habe. Dann hätte ich noch eine Erinnerung daran. Den Pokal habe ich aber noch."
Mit dem Sieg hatten weder er noch die Sponsoren der Telekom gerechnet, die wegen ausbleibender großer Erfolge schon ein Ausstiegsszenario in Erwägung zogen. Bölts: "Sie haben die Etappe während einer Sitzung gesehen und waren begeistert, dass einer ihrer Fahrer eine Etappe gewann. Es war wohl auch ein bisserl der Auslöser, dass wir (von der ASO, d. Red.) zur Tour de France eingeladen wurden"
Mit insgesamt zwölf Tour-de-France-Teilnahmen, bei denen er jedesmal ins Ziel kam. stellte er danach einen neuen deutschen Rekord auf, der erst von Jens Voigt (17) gebrochen wurde.
Heute arbeitet Bölts in einem Mountainbike Park im Pfälzer Wald. "Als Förster", schreibt Wikipedia! "Nein, kein Förster. Ich habe das ja auch nicht gelernt", wehrte der Gewinner der Clasica San Sebastian ab. "Ich betreue die Mountainbikestrecken und Wanderwege. Das ist ein Netz von 180 Rad- und 90 Kilometer Wanderwegen. Das ist eine sehr schöne Sache. Man wird natürlich nicht reich davon. Man freut sich aber, wenn man sieht, dass was gemacht wurde und die Wanderer oder Fahrer das gut finden. Ich mache das gerne."
Sportlich ist er immer noch: "Ich fahre dreimal die Woche Rad. Heute waren es 70 Kilometer. Ich treibe immer noch gerne Sport. Gehe Laufen. Wenn die Schwimmbäder auf wären, würde ich auch zweimal die Woche Schwimmen gehen. Zum Fithalten, nicht mit dem Hintergrund als Wettkampfsportler." Obwohl er dann einschränkte: "Wenn es möglich wäre, würde ich schon noch den einen oder anderen Mountainbike-Marathon fahren. Es ist aber nicht so, dass es mir fehlt. Ich habe hier wunderschöne Strecken vor der Haustür. Da stört es mich auch nicht, wenn ich allein fahren muss."
So war Bölts früher, so ist er geblieben: Selbstlos und bescheiden!
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