17. Etappe des Giro d´Italia 2016

Kluges verrückte letzte Minute in Cassano d´Adda

Foto zu dem Text "Kluges verrückte letzte Minute in Cassano d´Adda"
Roger Kluge (IAM) dreht sich auf der Zielgeraden der 17. Giro-Etapope um.... | Foto: Cor Vos

27.05.2020  |  (rsn) - Beim Giro d’Italia 2016 räumten die deutschen Sprinter mit gleich sieben Etappensiegen groß ab. André Greipel war mit drei Tagessiegen dabei am erfolgreichsten, gefolgt von Marcel Kittel mit zwei sowie Nikias Arndt und Roger Kluge, die je einen Sieg zur herausragenden Bilanz beisteuerten.

Außergewöhnlich war dabei Kluges Coup auf der 17. Etappe mit Ziel in Cassano d’Adda, weil der Cottbuser damals als nomineller Anfahrer von Heinrich Haussler agierte und seinem Kapitän lediglich den Sprint vorbereiten wollte. Doch als Kluge auf den letzten 1.000 Metern zunächst an die Spitze des Feldes fuhr, dort zu Filippo Pozzato aufschloss, der sich rund zwei Kilometer abgesetzt hatte, um vom Hinterrad des Italieners zur Überraschung im Sitzen ins Ziel zu sprinten, war die Sensation perfekt.

Zwar spürte der damals 30-Jährige den Atem der Sprinter in seinem Nacken, doch die jagten erst an ihm vorbei, als er den Zielstrich bereits jubelnd überquert hatte. “Ich kann mich natürlich noch bestens daran erinnern. Es war einfach eine verrückte letzte Minute. Natürlich hatte ich immer davon geträumt, mal eine GrandTour-Etappe zu gewinnen. Ich wusste, dass ich nicht schnell genug war, um das aus einem reinen Sprint heraus zu schaffen, aber auf eine solche Art und Weise, ja, davon habe ich schon geträumt“, sagte Kluge zu radsport-news.com.

Allerdings hatte er sich das nicht für diesen 25. Mai vorgenommen, wie er zugab: “Bis zu den letzten 800 Metern wollte ich gar nicht für mich fahren, sondern war auf Heinrich fokussiert und wollte für ihn den Sprint anziehen. Er wollte aber nicht sprinten, und da habe ich mein Herz in die Hand genommen und bin nach vorn gefahren“, sagte er und meinte damit die Szene vor der letzten Kurve, als er sich plötzlich aus dem Feld löste. “Giacomo Nizzolo, ewiger Zweiter jenes Jahres, hat sich noch umgedreht und mich gesehen. Er dachte wohl wie die anderen auch, ich fahre meinen Turn und gehe dann wieder raus.“

Ohne zu bremsen in die letzte Kurve

Den Gefallen tat Kluge den Konkurrenten allerdings nicht. Mit vollem Tempo jagte er durch die letzte Kurve - “wir hatten uns bei der Besprechung diese Stelle angesehen und ich wusste, dass man da durchfahren konnte, ohne abzubremsen“ - und schloss zu Pozzato auf, dabei auch noch von einer für ihn günstigen Konstellation profitierend: “Hinter mir war sein Teamkollege, quasi an Position drei, und der nahm die Beine hoch, weil er wohl annahm, dass Pozzato durchkommen würde. Und dadurch kamen die anderen Sprinter auch aus dem Rhythmus“, berichtete Kluge, der schon “beim Überholvorgang das Gefühl hatte: das reicht. Ich habe mich umgedreht und mein Kopf hat mir gesagt, die kommen nicht mehr ran.“

Kluge hatte sich nicht getäuscht. Erst kurz nach der Ziellinie jagten die von Nizzolo angeführten anderen Sprinter an ihm vorbei - zu spät. Doch das wussten nicht alle in diesem Augenblick. “Ich konnte es zunächst ja selbst nicht fassen. Und bei unserer Pflegerin kurz hinter dem Ziel kam ich als Sechster, Siebter an und sie wusste deshalb erst mal gar nicht, dass ich gewonnen hatte“, sagte er.

Dann aber brachen beim IAM-Team alle Dämme. Schließlich hatte Kluge nicht nur im gesetzten Radfahreralter von 30 Jahren seinen größten Erfolg auf der Straße eingefahren, sondern seiner Mannschaft auch den ersten GrandTour-Etappenerfolg überhaupt beschert. “Das war dann sehr emotional. Heinrich, der noch zur Dopingkontrolle musste, kam an mir vorbei und wir haben die halbe Prosecco-Flasche zusammen geleert“, erinnerte sich Kluge an die Momente seines Triumphs, der dem Management zwar nicht dabei half, einen Nachfolger für den sich zum Saisonende zurückziehenden Sponsor zu finden. “Aber mir kam dieser Sieg bei der Teamsuche definitiv entgegen“, sagte Kluge.

An Ewans Seite das sportliche Glück gefunden

Seine damaligen Berater Tony Rominger und Steffen Wesemann stellten schnell Kontakt zum australischen Orica-GreenEdge-Team her. “Die legten mir dann auch ein gutes Vertragsangebot auf den Tisch, und ich musste nicht lange überlegen, auch weil Caleb Ewan schon dabei war, ein junger, hoffnungsvoller Sprinter.“ Und gemeinsam mit diesem hoch talentierten Sprinter wechselte Kluge Ende 2018 zum Lotto-Soudal-Team, wo Ewan als Nachfolger von André Greipel gleich einschlug und je drei Etappen beim Giro und der Tour gewann - und jedesmal war Kluge als Anfahrer mit dabei.

“Ich denke schon, dass ich mittlerweile mein sportliches Glück gefunden habe und ich hoffe, ich kann noch ein paar Jahre an Calebs Seite bleiben, auch wenn ich ein paar Jährchen älter bin als er“, sagte der mittlerweile 34-Jährige, der auch schon über 2022 hinausdenkt, wenn sein Vertrag bei den Belgiern endet: “Ich würde mich freuen, wenn dann noch zwei weitere Jahre hinzukämen. Das wäre ein Bonus.“

Dass Kluge sich nach den Stationen Milram, Skil - Shimano, NetApp und IAM sich seit 2017 bei zwei der weltbesten Teams zu einem herausragenden Anfahrer entwickeln konnte, hat er seiner Meinung nach übrigens auch Hausslers Verhalten auf der 17. Giro-Etappe vor vier Jahren zu verdanken: “Das Nicht-Sprintenwollen von Heinrich hat mich dahin gebracht, wo ich jetzt bin“, sagte er grinsend.

Der Schlusskilometer der 17. Giro-Etappe 2016 im Video:

Mehr Informationen zu diesem Thema

09.05.2023Wegmanns großer Coup mit dem Bergtrikot

(rsn) - Ehe Pascal Ackermann im Mai 2019 das Maglia Ciclamino nach Verona trug und somit die Punktewertung des 102. Giro d´Italia für sich entschied, war es der größte Erfolg, den je ein Deutscher

31.05.2020Arndt krönte seinen Giro über einen kleinen Umweg

(rsn) – Die Schlussetappe bei einer GrandTour zu gewinnen, ist immer etwas Besonderes. Beim Giro d`Italia 2016 gewann Nikias Arndt (Sunweb) das letzte Teilstück, das damals in Turin zu Ende ging.

31.05.2020Video- Rückblick: Als Lopez einem Zuschauer eine knallte

(rsn) - Am entscheidenden Tag des Giro d´Italia 2019 lagen die Nerven blank. Miguel Angel Lopez (Astana) befand sich in einer Verfolgergruppe die einem Trio Spitzenreiter Richard Carapaz (Movistar) n

31.05.2020Ackermann nimmt als erster Deutscher das Ciclamino mit heim

(rsn) – Gleich bei seiner ersten GrandTour überhaupt hat Pascal Ackermann (Bora – hansgrohe) geschafft, was vor ihm noch keinem seiner Landsleute beim Giro gelungen war. Der Landauer gewann 2019

30.05.2020Der Beginn von Marco Pantanis langem Leiden

(rsn) - Am Valentinstag, dem 14. Februar 2004, verstarb Marco Pantani in einem Hotelzimmer in Rimini an einer Überdosis Kokain. Doch so plötzlich sein Tod auch eingetreten ist, so elendig lang war d

29.05.2020“Il Falco“ demonstriert am Finestre seine Abfahrtskünste

(rsn) – Was haben Paolo Savoldelli, Alberto Contador und Simon Yates gemeinsam? Richtig, sie alle gewannen mindestens eine GrandTour. Alle trugen das Maglia Rosa beim Giro d’Italia. Und alle drei

28.05.2020Video-Rückblick: Simon Yates schlägt auch in Sappada zu

(rsn) - Nach der 15. Etappe des Giro d’Italia 2018 schien Simon Yates (Mitchelton - Scott) auf dem Weg zu seinem ersten Gesamtsieg bei einer GrandTour nicht mehr zu stoppen zu sein. In überragender

28.05.2020Bölts gewinnt überraschend die Königsetappe und rettet Telekom

(rsn) - Udo Bölts ist der Prototyp des selbstlosen Helfers, der Jan Ullrich durch die tiefsten mentalen Täler auf die schwersten Berge führte. Der Heltersberger ist aber auch ein großer Kämpfer.

26.05.2020Wütender Contador rächt sich für die Astana-Taktik

(rsn) – Im Sport gibt es zahlreiche Regeln, die für einen fairen Wettkampf sorgen sollen. Im Radsport werden diese Maßgaben vom Weltverband UCI vorgegeben. Sogar die Sockenlänge ist im Regelwerk

25.05.2020Video-Rückblick: Schachmann gelingt Giro-Coup in Prato Nevoso

(rsn) - Vor zwei Jahren fuhr Maximilian Schachmann beim Giro d’Italia den bis dahin größten Erfolg seiner Karriere ein. Der damals für das belgische Team Quick-Step Floors fahrende Berliner gewan

24.05.2020Video-Rückblick: Dumoulin muss “austreten“, Nibali schlägt Landa

(rsn) – Die Königsetappe des Giro d`Italia 2017 hielt eine der skurrilsten Szenen der vergangenen Jahre parat. Der Gesamtführende Tom Dumoulin musste wegen eines menschlichen Bedürfnisses 33 Kil

24.05.2020Eichler war ab dem Passo Fedaia die Numero Nero

(rsn) – Den Giro d`Italia hat bisher noch kein Deutscher gewinnen können. Die Numero Nero der Italien-Rundfahrt für den Fahrer, der den letzten Platz im Schlussklassement belegt, dagegen schon. 2

Weitere Radsportnachrichten

21.01.202576. Valencia-Rundfahrt: Zum Auftakt ein langes Teamzeitfahren

(rsn) – Nachdem die Valencia-Rundfahrt 2025 in Folge der verheerenden Überschwemmungen in der Region, die im vergangenen November mehr als 200 Menschenleben kostete, kurzzeitig in Gefahr schien, ko

21.01.2025Vuelta Femenina 2025 beginnt in Barcelona

(rsn) – Die Vuelta Femenina 2025 beginnt am 4. Mai in der katalanischen Hauptstadt Barcelona, wie die Organisatoren der Spanien-Rundfahrt der Frauen in einer Pressemitteilung ankündigten. Details

21.01.2025U23-Cross-Weltmeisterin Bäckstedt will in Liévin Titel verteidigen

(rsn) – Zoe Bäckstedt (Canyon – SRAM - zondacrypto) wird bei den kommenden Cyclocross-Weltmeisterschaften im französischen Liévin als Vorjahressiegerin im U23-Wettbewerb antreten und somit auf

21.01.2025Es fehlt nur ein überragender Rundfahrer

(rsn) – Kaum ein Team war 2024 in der Breite so gut aufgestellt wie Lidl – Trek. Obwohl in Mattias Skjelmose der beste Profi in der Abschluss-Weltrangliste erst auf Rang zwölf zu finden war, kam

21.01.2025Teutenberg sprintet nach Beinahe-Sturz noch auf Platz vier

(rsn) – Nachdem er als Sechster der Villawood Men´s Classic, einem nationalen Rennen drei Tage vor dem Start der 25. Tour Down Under, bereits bei den Besten hatte mitmischen können, hat Tim Torn T

21.01.2025Alle Etappen im Detail: Strecke der UAE Tour 2025

(rsn) – Auch bei ihrer siebten Auflage bleibt die UAE Tour (2.UWT) ihrem Konzept aus den vergangenen Jahren treu: Die siebentägige Rundfahrt durch die Vereinigten Arabischen Emirate bietet auf offi

21.01.2025Zum Saisonstart erleidet van Baarle einen schweren Rückschlag

(rsn) – Nach zwei schweren Verletzungen im vergangenen Jahr – Schlüsselbeinbruch beim Critérium du Dauphiné, Hüftbruch bei der Vuelta a Espana – sollte es für Dylan van Baarle in der Saison

21.01.2025Emirate setzen für ihre Frauen-Rundfahrt auf bewährtes Konzept

(rsn) – Ohne viele Neuerungen geht die UAE Tour Women (6. bis 9. Februar) in ihre dritte Auflage. Die zweite WorldTour-Rundfahrt des Jahres, die das Abu Dhabi Sports Council unter Mithilfe von Giro-

21.01.2025In dieser Saison heißt es: Die Position behaupten!

(rsn) – Auch im vergangenen Jahr war Elisa Longo Borghini eine der Protagonistinnen in den größten Rennen des internationalen Frauen-Radsports. Die 33-jährige Italienerin gewann für ihr Team Lid

21.01.2025Im Überblick: Die Transfers der Männer-Profiteams für 2025

(rsn) – Nachdem zahlreiche Transfergerüchte seit Monaten in der Radsportwelt zirkulieren, dürfen die Profimannschaften seit dem 1. August ihre Zu- und Abgänge offiziell bekanntgeben. Radsport

21.01.2025Welsford bleibt ´Down Under´ der Sprinter Nummer 1

(rsn) – Sam Welsford macht bei der 25. Tour Down Under da weiter, wo er im vergangenen Jahr aufgehört hat: beim Gewinnen. Der australische Sprinter von Red Bull – Bora – hansgrohe vollendete au

21.01.2025Im Überblick: Die Transfers der Frauen-Profiteams für 2025

(rsn) – Nachdem zahlreiche Transfergerüchte seit Monaten in der Radsportwelt zirkulieren, dürfen die Profiteam seit dem 1. August ihre Transfers offiziell bekanntgeben. Radsport-news.com samme

RADRENNEN HEUTE

    WorldTour

  • Santos Tour Down Under (2.UWT, AUS)
  • Radrennen Männer

  • Tour du Sahel (2.2, 000)