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16.12.2020 | (rsn) - Christian Knees war in den vergangenen beiden Jahrzehnten eine der großen Konstanten im Peloton. Der Rheinbacher imponierte bei den deutschen Teams Wiesenhof und Milram ebenso wie nach seinem Wechsel 2011 als Helfer bei Ineos und dessen Vorgänger Sky mit seiner Zuverlässigkeit. Nun wird der Deutsche Meister von 2010 im Alter von 39 Jahren seine Karriere beenden, die 2004 begann und in der er drei Siege feierte, in der er sich vor allem aber einen Namen als erstklassiger Teamplayer machte.
Im Interview mit radsport-news.com spricht Knees unter anderem über seine lange Karriere, in der er aus seinem Hobby einen Beruf machen durfte, über seine Zeit bei Sky/Ineos, wo er auch einen Anteil an den Tour-Siegen von Bradley Wiggins und Chris Froome hatte, sowie über seine Pläne, in denen Ineos weiterhin eine wichtige Rolle spielen wird.
Herr Knees, Sie haben sich entschieden im Alter von 39 Jahren Ihre Karriere zu beenden. Wann fiel die Entscheidung?
Christian Knees: Wenn man auf die 40 zugeht, dann überlegt man natürlich, wie es weitergehen soll, wann der richtige Moment ist. Im Verlauf der Saison ist der Entschluss immer mehr gereift und zum Saisonende wusste ich für mich eigentlich schon, dass es nun an der Zeit ist. Dazu hat sich dann für mich die Möglichkeit ergeben, weiter bei Ineos arbeiten zu können. Eine solche Chance muss man einfach nutzen.
Werden Sie bei Ineos neuer Sportlicher Leiter?
Knees: Es ist eine Option. Ich werde im kommenden Jahr in alle Bereiche reinschnuppern, es ist ein Übergangsjahr. Ich habe auch schon einen Sportlicher Leiter-Lehrgang beim BDR (Bund Deutscher Radfahrer) belegt und möchte die Lizenz machen, so dass ich auch bei dem einen oder anderen Rennen im Auto sitzen kann. Aber auch Materialentwicklung reizt mich. Am Ende des Jahres 2021 schauen wir dann, was mir am besten liegt.
Wird das Ihre ausschließliche Tätigkeit sein?
Knees: Nein, ich habe mit einem Kollegen die Coaching-Agentur PMP ins Leben gerufen. Außerdem werde ich das U19-Team Dr Billigmann p/b Christian Knees weiter unterstützen.
Wird es beim Coaching mehr um Trainingspläne gehen oder enthält das Konzept auch einen psychologischen Ansatz?
Knees: Wir wollen ein Rundum-Paket anbieten. Wir wollen Sportler auf Wettbewerbe vorbereiten und verfolgen dabei auch ein ganzheitliches Konzept, dazu gehört auch mentale Stärke, die mein Partner Torsten Weber und ich weitergeben wollen. Wir werden viel mit Videos arbeiten, damit ein Wissensaufbau stattfindet. Die Sportler sollen also auch wissen, warum sie etwas machen. Wichtig ist uns auch die Integration des Trainings in den Alltag. Unser Hauptaugenmerk liegt auf Radtouristikfahrern, die sich etwa auf den Öztaler vorbereiten. Aber generell können auch Profis zu uns kommen, die einen anderen Ansatz wählen wollen.
Werden Sie Ihr Engagement beim U19-Bundesligateam erweitern?
Knees: Es wurde dort jedes Jahr ein Stückchen mehr. Mittlerweile helfe ich bei der Sponsorensuche und administrativen Dingen. Und wenn ich die Lizenz als Sportlicher Leiter habe, dann werde ich sicherlich dort auch mal im Auto sitzen. Generell ist mir die Nachwuchsförderung sehr wichtig. Es gab damals auch Leute, die mich unterstützt haben, als ich in der U19 war. Das möchte ich jetzt nun zurückgeben. Das Team ist auch zu einer kleinen Familie geworden mit vielen ehrenamtlichen Helfern, die ihre Freizeit aufopfern. Auch meine Frau Nadja hilft mit, im nächsten Jahr wird uns auch Torsten Schmidt (ehemaluger Profi und Sportdirektor, d. Red.) unterstützen, dessen Sohn dann im Team fahren wird.
Bedauern Sie sehr, dass Ihr letztes Jahr von der Corona-Pandemie bestimmt war?
Knees: Das ist natürlich schade. Es wäre schön gewesen, wenn ich im Vorfeld der Deutschland Tour hätte bekannt gegeben können, dass ich aufhöre und dann nach dem Rennen noch eine große Party hätte steigen lassen können. Oder auch ein Abschiedsrennen zu haben. Aber das kann ich ja vielleicht noch nachholen.
Sie haben in De Panne Mitte Oktober Ihr letztes Rennen bestritten. Wie fühlte es sich an?
Knees: Ich habe eigentlich eher die Flandern-Rundfahrt am Wochenende davor als meinen persönlichen Abschluss abgespeichert. Es war schon etwas Besonderes, noch mal ein Monument bestreiten zu können. Und ich würde sagen, ich bin eine der besten Flandern-Rundfahrten meiner Karriere gefahren. Ich konnte dort nochmals eine Mega-Arbeit für das Team leisten.
Ihr langjähriger Teamkollege Chris Froome verlässt Ineos am Ende des Jahres und wechselt zur Israel Start-Up Nation. Haben Sie überlegt, mit ihm zu gehen?
Knees: Nein. Ineos ist für mich wie eine kleine Familie neben meiner eigenen geworden. Da hatte ich kein Interesse, das Team zu verlassen. Natürlich hört man sich um, aber ausschlaggebend ist für mich, dass ich mich wohl fühle. Und dass das bei Ineos der Fall ist, das weiß ich ganz sicher.
Was trauen Sie Froome bei der Israel-Start Up Nation noch zu?
Knees: Der Schritt ist mutig, aber auch notwendig, wenn er noch einmal die Tour gewinnen will. Ich bewundere wirklich seine Leidenschaft. Nach dem schweren Sturz und all seinen Erfolgen hätte Chris auch sagen können: Ich lasse es gut sein. Es wird für ihn sicherlich nicht leicht werden, das Ziel zu erreichen. Aber um es zu schaffen, braucht er eine Mannschaft, die zu 100 Prozent hinter ihm steht. Das ist bei der Israel-Start Up Nation der Fall, während es bei Ineos noch Bernal, Geraint Thomas und die ganzen anderen Jungen Wilden gibt.
Sie selbst waren insgesamt 17 Jahre Profi, davon 15 Jahre bei Erstliga-Teams. Eine lange Zeit....
Knees: Es fühlt sich an, als ob mein Karrierebeginn bei Wiesenhof 2004 nur einen Fingerschnipp entfernt ist. Die Zeit verging so unglaublich schnell. Und auf einmal ist man 39 Jahre und der drittälteste Fahrer in der WorldTour.
Zugleich heißt dies auch, 17 Jahre lang über jeweils mehrere Monate hin von Familie und Freunden getrennt zu sein. Wie haben Sie das gemeistert?
Knees: Meine Frau und meine Familie haben mich immer super unterstützt, dafür bin ich sehr dankbar und weiß dies zu schätzen. Sie haben auf vieles verzichten müssen, bei Geburtstagen etwa konnte ich nicht dabei sein, da ich eben irgendwo ein Radrennen fuhr. Jetzt freuen wir uns aber alle auch auf mehr gemeinsame Zeit.
Sie sind in Ihrer langen Karriere nur für drei Teams gefahren – Wiesenhof, Milram und dann Sky/Ineos. Spiegelt das auch Ihren Charakter wider?
Knees: Sicherlich auch. Letztlich waren es sogar ja nur zwei Teams, da Milram aus dem Team Wiesenhof hervorgegangen ist. Ich sehe es aber auch als Auszeichnung, für nur so wenige Mannschaften gefahren zu sein. Bei Milram war ich bis zum Ende und dann zehn Jahre bei Ineos, einer der besten Mannschaften im Sport überhaupt, wo man mir für meine Helferdienste große Wertschätzung entgegenbrachte und es bei den Vertragsverlängerungen nie Probleme gab. Das erfüllt mich auch mit sehr viel Stolz.
Beenden Sie Ihre Karriere nun mit einem Gefühl vollständiger Zufriedenheit oder trauern Sie noch einem Rennen oder verpassten Sieg hinterher?
Knees: So wie es ist, ist es super. Natürlich ist es ein Ziel eines jeden Sportlers, persönliche Siege einzufahren. Das war mir in meinen zehn Jahren bei Ineos aufgrund meiner Helferrolle nicht vergönnt. Aber als Helfer im Feld von vorne zu fahren, über Funk zu hören, dass die ersten Fahrer nicht mehr folgen können und man am Tag darauf von den Kollegen einen Schulterklopfer bekommt, das fühlt sich teilweise besser an als ein Sieg.
Und letztlich bedeutet es für mich auch mehr, einer der weltbesten Domestiken gewesen zu sein, als irgendwie so vor mich hin zu dümpeln. Als Helfer war ich auch an einigen großen Teamerfolgen beteiligt, war zwei Mal im Tour-Winning-Team, einmal sogar auf der Bühne auf den Champs Elysées, da wir die Teamwertung gewonnen hatten, und ich war der einzige Fahrer, der bei Froomes Triple aus Tour-, Vuelta- und Giro-Sieg dabei war. Das fand in der Öffentlichkeit nur wenig Beachtung, hat mich aber auch nicht gestört. Mir ging es nicht darum, im Rampenlicht zu stehen.
Was war Ihr bester Tag auf dem Rad?
Knees: Puh, schwer zu sagen. Ich hatte viele gute Tage. Einer war sicherlich mein Sieg bei Rund um Köln 2006. Es war der erste Sieg für das neu formierte Milram-Team in Deutschland. Ich war damals in der Spitzengruppe und setzte mich gegen die numerisch überlegenen Teams von Telekom, Gerolsteiner und Rabobank durch. Und dann noch direkt vor der Haustür zu gewinnen, das war für mich als junger Kerl eine ganz tolle Sache. Aber auch mein Sieg bei der Bayern-Rundfahrt, dort das Gelbe Trikot zu tragen oder mein Erfolg bei der DM, als ich es schon im Gefühl hatte, das Ding gewinnen zu können, waren tolle Tage.
Was waren die traurigsten Momente?
Knees: Da gab es eigentlich gar nicht wirklich viele. Ich hatte in meinen 17 Jahren als Profi keinen einzigen Knochenbruch und blieb von schlimmen Verletzungen verschont. Eine kleine Enttäuschung war sicherlich, dass ich von meinen 20 Grand Tours nur 19 zu Ende fahren konnte. Bei einer Vuelta wurde ich in der letzten Woche vor dem Ruhetag krank, war die ganze Nacht auf der Toilette und es wurde nicht besser. Also hat das Team entschieden, mich besser heimzuschicken. Das ist sicher ein kleiner Makel, aber wirklich nur ein kleiner.
Können Sie sagen, warum sind Sie ohne schlimme Verletzungen durch die Jahre gekommen sind?
Knees: Zum einen sicherlich wegen meiner Körpergröße. Ich hatte dadurch einen guten Überblick im Rennen. Dazu kommt auch, dass ich in den Rennen meistens von vorne gefahren bin, da ist das Sturzrisiko geringer. Aber natürlich bin ich auch selbst ein paar Mal schwer gestürzt. Da hat mir dann meine relativ hohe Knochendichte geholfen.
Und nun stellen Sie das Rad endgültig in die Ecke?
Knees: Nein, ich werde das Radfahren nicht einstellen. Ich liebe es und möchte mich weiterhin sportlich betätigen. Radfahren wird ein großer Teil meiner Zukunft bleiben, es ist meine Leidenschaft, meine Passion. Deshalb hatte ich auch nie das Gefühl, dass ich arbeiten musste.
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