Badreddin Wais glücklich über seinen Tokio-Start

Vom Kriegsflüchtling zum Olympiateilnehmer

Von Peter Maurer

Foto zu dem Text "Vom Kriegsflüchtling zum Olympiateilnehmer"
Badreddin Wais im Olympischen Zeitfahren | Foto: UCI / SWpix

02.08.2021  |  (rsn) - Es ist schon eine bemerkenswerte sportliche Reise, die Badreddin Wais seit seinem Debüt 2017 beim Elite-Zeitfahren der Weltmeisterschaften im norwegischen Bergen absolviert hat. Seitdem ist der Syrer zu einem WM-Fixstarter geworden, war auch bei den Welt-Titelkämpfen in Innsbruck, Yorkshire und zuletzt in Imola dabei. Mit seiner Teilnahme an den Olympischen Spielen in Tokio hat Wais seiner sportlichen Karriere ein weiteres Kapitel hinzugefügt.

Am 15. Januar 1991 In Aleppo geboren, begann er im Alter von 14 Jahren mit dem Radsport und nahm 2009 erstmals an den Junioren-Weltmeisterschaften teil. Bis 2014 folgten Starts bei verschiedenen internationalen Rennen, Wais wurde Nationalfahrer und zog nach Damaskus. Dann aber beschloss er, seine im Bürgerkrieg versunkene Heimat zu verlassen.

Wais wurde als Flüchtling von der Schweiz aufgenommen und hat sich dort ein neues Leben aufgebaut. In seiner neuen Heimat fand er auch wieder zurück zum Radsport, schloss sich einem lokalen Verein an und bekam auch Unterstützung vom Radsportweltverband (UCI). Als Mitglied des Refugee Olympic Team der UCI bekam er einen Startplatz für das Zeitfahren von Tokio.

"2004 war ich sehr beeindruckt vom Zeitfahren von Tyler Hamilton. Ich hatte schon verfolgt, wie er bei der Tour gekämpft hat und war als Kind davon fasziniert. Natürlich habe ich später sein Buch gelesen, aber die Bilder von damals haben mich zum Radsport gebracht", erinnerte sich der mittlerweile 30-Jährige nach seiner ersten Olympiateilnahme im Gespräch mit radsport-news.com. "Es waren damals schöne Bilder und es war wie ein Fest. Auch für uns Kinder, denn alle haben zugeschaut und irgendein Sport hat jedem gefallen.“

17 Jahre später war Wais als Olympiateilnehmer mit dabei. "Es hat mich gelehrt, dass man als Kind von vielem träumen kann, diese Träume aber auch selbst wahrmachen kann. Schon die Eröffnungsfeier war ein großes Fest und es war schön, dabei gewesen zu sein", so der Zeitfahrspezialist, der aber keine einfache Anreise nach Japan hatte.

Corona-Schock vor Tokio-Abflug

"Wir sind vom Olympischen Komitee von Katar eingeladen gewesen und hatten somit einen Zwischenstopp in Doha. Das war eigentlich ganz schön, weil wir die anderen Athleten aus dem Refugee-Team kennenlernen konnten", erzählte Wais. "Acht Stunden vor dem Weiterflug nach Tokio gab es aber einen großen Schock", erinnerte er sich und spielte damit einen positiven Corona-Test im Team an.

Somit ging es nicht nach Tokio, sondern in die Quarantäne: "Für einen Radsportler natürlich alles andere als eine gute Vorbereitung. Denn es ist dort sehr heiß und ich konnte nicht trainieren“, sagte Wais. Zum Glück konnten die Sportlerinnen und Sportler nach fünf Tagen die Reise fortsetzen.

Nach der Ankunft im Olympischen Dorf und der Eröffnungsfeier folgte eine weitere Station, denn die Radsportlerinnen und Radsportler waren in einem Hotel in der Nähe der Rennstrecke von Fuji untergebracht. "Das war für mich ein besonderes Highlight. Mein Zimmernachbar war Rigoberto Uran und beim Essen hast du alle Fahrer getroffen. Im Training war ich mit Tom Dumoulin oder Daniel Martin gemeinsam unterwegs", berichtete der Olympia-Debütant freudestrahlend und fügte an: "Den Respekt von diesen Fahrern zu erhalten, war sehr schön und solche Momente kannst du nur bei Olympia erleben."

Zu Moster: "Traurig, wenn ein Sportdirektor so über andere Fahrer spricht"

Dagegen war Wais als Einzelstarter bei den Weltmeisterschaften meistens auf sich allein gestellt. Doch in der Nähe des Fuji Speedway erlebte Wais den vielzitierten Olympischen Geist, die Gemeinschaft der Teilnehmer und auch der freundschaftliche Austausch mit den Kontrahenten. "Wir waren alle wie eine Familie und eine ganze Woche gemeinsam unterwegs", freute sich Wais. Umso schockierter war er über den rassistischen Ausruf, mit dem der deutsche Sportdirektor Patrick Moster im Zeitfahren Nikias Arndt anfeuerte.

"Es stimmt mich traurig, wenn ein Sportlicher Leiter so über andere Fahrer spricht. Amanuel ist ein großer Fahrer, der sein Geld in der WorldTour verdient", erklärte Wais und meinte den Eritreer Amanuel Ghebreigzabhier, der für Trek – Segafredo fährt und schon dreimal den Giro und zweimal die Vuelta bestritten hat. Ihn und den Algerier Azzedine Lagab hatte Moster als “Kameltreiber“ bezeichnet.

Mit seinem eigenen Olympiaauftritt war Wais übrigens nicht zufrieden. "Die finale Vorbereitung war sehr anstrengend und es war echt das härteste Rennen, das ich erlebt habe. Aber es sind auch die Olympischen Spiele und keine Nationalen Meisterschaften", erzählte Wais, der in Bern in einem Fachgeschäft für Laufsport als Verkäufer arbeitet.

Das nächste große Ziel ist Paris 2024

Den gesamten Juli bekam er von seinem Arbeitgeber frei, um sich auf die Spiele vorbereiten zu können. Das Zeitfahren beendete er auf dem 38. und letzten Platz des Klassements, 13:36 Minuten hinter dem neuen Olympiasieger Primoz Roglic. Dennoch gab verlieh ihm das Ergebnis neuen Schwung: "Ich meine, wenn ein Fahrer wie Wout Van Aert, der direkt von der Tour nach Tokio kommt und sagt, das war ein hartes Rennen, dann weißt du was das bedeutet. Ich hoffe, die Teilnahme hat mir jetzt größere Türen geöffnet, mein nächstes großes Ziel ist Paris“, kündigte er an.

In Hindelbank bei Bern, wo der 30-Jährige derzeit lebt, kennen ihn schon viele Leute. Kein Wunder, gehört diesem Radclub auch die Schweizer Silbermedaillengewinnerin Marlen Reusser an. "Es sind viele gute Radfahrer dort zuhause, deshalb kennt man mich natürlich auch schon gut", erklärte Wais, der aber auch aus seiner alten Heimat angefeuert wurde: "Ich stehe immer noch im Kontakt zu meiner Familie. Ihnen geht es einigermaßen gut in Aleppo, auch wenn die Situation noch immer sehr unsicher ist. Meine Olympiateilnahme war sehr emotional für sie, das haben sie mir schon verraten."

Dank an IOC und UCI für Unterstützung

Dankbar ist Wais aber auch für die Unterstützung durch die internationalen Organisationen des Sports. “Das Internationale Olympische Komitee hat das Refugee-Team gut organisiert. Es war eine große Hilfe, aber auch die UCI hat eine wichtige Rolle für mich gespielt. Ohne ihre Unterstützung hätte ich mich niemals so vorbereiten können“, betonte er.

Bedauerlich fand Wais dagegen, dass aufgrund der Corona-Sicherheitsbestimmungen kein Kontakt zur japanischen Bevölkerung zustande kam. "Ich hätte das Land gerne noch mehr kennengelernt. Japan und vor allem die Bevölkerung ist ja ziemlich speziell. Die Menschen leben auf engem Raum und ich weiß, wie sehr in der Schweiz alles durchgetaktet ist, aber in Japan sind sie noch genauer", erklärte er schmunzelnd.

Sein nächstes Ziel sind jetzt die Straßen-Weltmeisterschaften in Flandern: "Ich kann mich noch an die vielen belgischen Fans in Innsbruck erinnern. Schon damals dachte ich, das wäre sicherlich sehr eindrucksvoll, in deren Heimat einmal ein Rennen zu fahren. Wenn ich nur daran denke, dann freue ich mich schon darauf, und ich hoffe natürlich auf Zuschauer, denn die haben bei Olympia gefehlt“, so Wais abschließend.

Mehr Informationen zu diesem Thema

08.08.2021Valente holt zum Abschluss Gold im Omnium der Frauen

(rsn) - Mit der Omnium-Goldmedaille für Jennifer Valente (USA) sind die Olympischen Bahnwettbewerbe in Izu zu Ende gegangen. Nach vier Wettbewerben setze sich die US-Amerikanerin mit 14 Punkten Vorsp

07.08.2021Programm der Olympischen Rad-Wettbewerbe

(rsn) - Nachdem in der ersten Woche der Olympischen Spiele von Tokio die Straßenrennen sowie die MTB- und BMX-Wettbewerbe ausgetragen wurden, stehen in der zweiten Woche die Bahnwettbewerbe auf dem P

07.08.2021Am Schlusstag greift Hinze noch nach einer Bahnmedaille

(rsn) - Die Chancen auf eine dritte deutsche Bahnmedaille bei den Olympischen Spielen stehen weiterhin gut. Denn Weltmeisterin Emma Hinze schaffte im Sprint der Frauen den Einzug in das Halbfinale. So

07.08.2021Sturz beendete die deutschen Madison-Hoffnungen

(rsn) – Michael Morkov und Lasse Norman Hansen konnten im Madison-Rennen der Olympischen Spiele vom Tokio einen Favoritensieg einfahren. Sie gewannen in einem unglaublich schnellen Rennen die Goldme

07.08.2021Hinze schafft Sprung ins Semifinale, Friedrich scheitert knapp

(rsn) - Die Chancen auf eine dritte deutsche Bahnmedaille bei den Olympischen Spielen stehen weiterhin gut. Denn Weltmeisterin Emma Hinze schaffte im Sprint der Frauen den Einzug in das Halbfinale. So

06.08.2021Alpecin - Fenix mit Krieger und Bayer zur Vuelta

(rsn) - Nachdem er beim Giro d`Italia sein Grand-Tour-Debüt gegeben hat, steht mit der Vuelta a Espana auch noch die letzte großen Rundfahrt im Programm von Alexander Krieger (Alpecin – Fenix). De

06.08.2021Sprint: Lavreysen schlägt im Gold-Duell Landsmann Hoogland

(rsn) - In einem niederländischen Duell hat sich Sprint-Weltmeister Harrie Lavreysen nun auch den Titel des Olympiasiegers gesichert. Nachdem sein Landsmann Jeffrey Hoogland den ersten Lauf für sich

05.08.2021Omnium-Gold für Bora-Profi Walls, Levy Fünfter im Sprint

Matthew Walls (Großbritannien) ist unangefochten Olympiasieger im Omnium geworden. Der Neoprofi von Bora – hansgrohe baute im Punkterennen, dem vierten und letzten Wettbewerb, als Zweiter hinter Ca

04.08.2021Keirin: Hinze macht es spannend, Friedrich souverän

(rsn) - Mit einem deutlichen Erstrundensieg ist Lea Sophie Friedrich ins Keirin-Viertelfinale eingezogen, das am Donnerstag ausgetragen wird. Spannend machte es dagegen Emma Hinze. Die dreimalige Welt

03.08.2021Geschke kommt langsam wieder im Alltag an

(rsn) – Der Jetlag ist noch nicht ganz überstanden, aber nach seiner Rückkehr von den Olympischen Spielen, die er aufgrund eines positiven Coronatests in einem Quarantäne-Hotel verbringen musste,

03.08.2021Deutscher Frauenvierer auf dem Weg zu Gold immer schneller

(rsn) – Bei 4:04.242 Minuten blieb die Zeit stehen, als der deutsche Frauenvierer kurz nach 17:30 Uhr Tokioter Zeit seinen Finallauf in der 4.000 Meter Teamverfolgung beendet hatte. Franziska Brauß

03.08.2021Dänemark nach Sturzdrama Finalgegner des Ganna-Vierers

(rsn) - Bei den Männern haben die Italiener bei den Olympischen Spielen in Tokio auf der Bahn in der Teamverfolgung einen neuen Weltrekord aufgestellt. Doch für ein großes Drama sorgten die abgelö

Weitere Radsportnachrichten

14.11.2024Bardet: “Sinnlos, an ethischen Radsport zu glauben“

(rsn) - Es war ein durchaus ungewöhnlicher Zeitpunkt, als Romain Bardet im Sommer, kurz vor der Tour de France, sein Karriereende ankündigte. Mindestens genauso ungewöhnlich ist das Rennen, das sei

14.11.2024Bonnamour gibt Kampf gegen Dopingsperre auf

(rsn) - In unserem ständig aktualisierten Transferticker informieren wir Sie regelmäßig über Personalien aus der Welt des Radsports. Ob es sich um Teamwechsel, Vertragsverlängerungen oder Rücktr

14.11.2024Rhodos-Prolog-Experte mit Sturzpech im stärksten Rennen

(rsn) – Seine elfte Saison auf KT-Niveau ragt zwar nicht als seine beste heraus, dennoch zeigte Lukas Meiler (Team Vorarlberg) auch 2024, was er drauf hat. Seine beste Platzierung gelang ihm dabei

14.11.2024Die Radsport-News-Jahresrangliste 2024

(rsn) - Auch diesmal starten wir am 1. November mit unserer Jahresrangliste. Wir haben alle UCI-Rennen der vergangenen zwölf Monate (1. November 2023 bis 31. Oktober 2024) ausgewertet - nach unserem

14.11.2024Schädlich übernimmt die deutschen Ausdauer-Spezialisten

(rsn) – Der Bund Deutscher Radfahrer hat einen neuen Nationaltrainer auf der Bahn für den Bereich Ausdauer. Lucas Schädlich, der seit 2019 die deutschen Juniorinnen unter seinen Fittichen hatte, Ã

14.11.2024Im Überblick: Die Transfers der Männer-Profiteams für 2025

(rsn) – Nachdem zahlreiche Transfergerüchte seit Monaten in der Radsportwelt zirkulieren, dürfen die Profimannschaften seit dem 1. August ihre Zu- und Abgänge offiziell bekanntgeben. Radsport

14.11.2024Schär wird Schweizer Nationaltrainer

(rsn) – Marc Hirschi, Stefan Küng und Co. haben einen neuen Nationaltrainer. Michael Schär wird mit Jahresbeginn 2025 die Verantwortung für die Schweizer Männer in den Bereichen Elite und U23 ü

14.11.2024Lotto Kern - Haus wird Development-Team von Ineos Grenadiers

(rsn) – In den vergangenen beiden Jahren war das deutsche Kontinental-Team Lotto Kern - Haus PSD Bank sogenannter Development-Partner von Red Bull – Bora – hansgrohe. Ab der kommenden Saison wi

14.11.2024Meisen kündigt baldiges Karriereende an

(rsn) – “Spätestens im Januar ist Schluss“, kündigte Marcel Meisen (Stevens) gegenüber RSN an. Der 35-Jährige ist in seine letzte Cross-Saison gestartet und will diese nicht mehr ganz zu End

14.11.2024Traumszenario mit kurzem Anfangsschock

(rsn) – Unverhofft kommt oft – dieser Spruch traf in dieser Saison auch auf Meo Amann zu. Mit dem Elite-Team Embrace The World in die Saison gestartet, bewarb er sich im Sommer auf einen Platz bei

13.11.2024Auch ein kurioser erster UCI-Sieg reichte nicht zum Profivertrag

(rsn) – Auch wenn er in dieser Saison seinen ersten UCI-Sieg einfahren konnte, so gelang Roman Duckert (Storck – Metropol) am Ende seiner U23-Zeit nicht der Sprung in ein Profiteam. Deshalb wird e

13.11.2024Ein Jahr geprägt von Stürzen und viel Unglück

(rsn) – Eigentlich wollte Mikà Heming (Tudor Pro Cycling) 2024 so richtig durchstarten. Die Klassikerkampagne in Belgien hatte er sich als erstes Saisonhighlight gesetzt, doch diese endete für den

RADRENNEN HEUTE
  • Keine Termine