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10.07.2022 | (rsn) – Mit einem 64-Kilometer langen Solo hat sich Bob Jungels (AG2R – Citroën) die 9. Etappe der Tour de France von Aigle nach Châtel Les Portes Du Soleil gesichert. Nach 193 Kilometern setzte sich der Luxemburger mit 22 Sekunden Vorsprung auf den Spanier Jonathan Castroviejo (Ineos Grenadiers) durch.
Dritter wurde dessen Landsmann Carlos Verona (Movistar /+0:26) vor dem Franzosen Thibaut Pinot (Groupama – FDJ / +0:40), der das Rennen im Finale spannend gemacht hatte. Der Freiburger Simon Geschke (Cofidis) eroberte das Bergtrikot, der Slowene Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) verteidigte als Tagesfünfter das Gelbe Trikot und nahm allen Konkurrenten bis auf Jonas Vingegaard (Jumbo – Visma) einige Sekunden ab.
Lange war es still gewesen um Jungels, der seit 2019 kein nennenswertes Resultat mehr verbuchen konnte. Erst in der Vorbereitung auf die Frankreich Rundfahrt meldete sich der 29-Jährige mit dem sechsten Gesamtrang bei der Tour de Suisse zurück. “Nach Jahren mit Problemen - es war schwer mit den operativen Eingriffen - den Sieg jetzt so abzuholen, ist ganz speziell“, strahlte Jungels im Ziel. Verengte Arterien in beiden Beinen hatten ihm nach seinem Wechsel von Quick-Step zu AG2R zu schaffen gemacht.
Erster luxemburgischer Etappensieger seit Andy Schleck 2011
Nun aber platzte endgültig der Knoten. Aus der großen Ausreißergruppe des Tages löste er sich schon weit vor dem Ziel. “Ich wusste, dass ich es früh probieren muss. Am letzten Berg hätte ich gegen die Favoriten nichts mehr ausrichten können“, erklärte er. Mit seinem Erfolg holte er sich seinen ersten internationalen Sieg seit Kuurne-Brüssel-Kuurne 2019 und sorgte für den ersten luxemburgischen Tour-de-France-Etappensieg seit 2011, als Andy Schleck am Galibier vor seinem Bruder Fränk gewann. Die Tour de France hätte Jungels nach einer Corona-Infektion beinahe verpasst. Erst im letzten Moment konnte er mit einem negativen Test seinen Start ermöglichen. Greg Van Avermaet, der Ersatzfahrer seiner Mannschaft, hatte bereits seine Koffer gepackt/
Letzter Begleiter des Tagessiegers war Geschke, der nach Jungels Attacke kurz vor der Bergwertung zum Col de la Croix (1.Kat.) zum Luxemburger aufschloss und vor diesem die zehn Bergpunkte gewann. In der Abfahrt allerdings ließ sich der Deutsche scheinbar absichtlich in die Verfolgergruppe zurückfallen. Um das Gepunktete Trikot dennoch vor Jungels zu holen, brauchte der inzwischen abgehängte 36-Jährige am letzten Berg noch mindestens zwei Punkte.
Genau die holte er sich, weil er sich mit letzter Kraft kurz vor der Favoritengruppe über die Kuppe rettete. “Ich bin an der letzten Bergwertung ein paar Tode gestorben, es hat sich aber gelohnt. Die Tour ist noch lang und ich sehe mich jetzt nicht sehr lange im Bergtrikot“, zeigte Geschke sich aber skeptisch über eine mögliche Verteidigung des Bergtrikots.
Nur Vingegaard kann im Zielsprint an Pogacar dranbleiben
Bei den Favoriten passierte nicht viel. Erst auf dem letzten Kilometern taten sich Lücken auf. Pogacar sprintete schließlich mit Vingegaard, der das Hinterrad des Slowenen gerade so halten konnte, dem Rest davon und machte so weitere drei Sekunden gegenüber allen Konkurrenten gut.
Aleksandr Vlasov (Bora – hansgrohe) hatte am vorletzten Anstieg Probleme, konnte Dank seiner Teamkollegen den Zeitverlust aber auf 27 Sekunden beschränken. "Ich freue mich auf den Ruhetag morgen. Da kann ich meine Wunden lecken. Es war hart für mich, ich leide noch an den Sturzfolgen und den Schmerzen. Hoffentlich kann ich mich erholen“, sagte der Russe.
An der Spitze der Gesamtwertung änderte sich nicht viel. Pogacar liegt unverändert 35 Sekunden vor Vingegaard und nun 1:17 Minuten vor Geraint Thomas (Ineos Grenadiers). Vlasov (+3:12) ist Zwölfter. Das Punktetrikot bleibt bei Wout Van Aert (Jumbo – Visma), der sich aus der Gruppe des Tages heraus beim Zwischensprint die Maximalpunktzahl (20) sicherte. Der Mann in Gelb ist auch weiterhin bester Nachwuchsfahrer In der Teamwertung führt unverändert Ineos Grenadiers.
So lief das Rennen:
Vor dem zweiten Ruhetag dieser Frankreich-Rundfahrt mussten die Profis auf 192,9 Kilometern mehr als 3700 Höhenmeter bewältigen, an den vier Bergwertungen des Tages waren maximal 26 Punkte im Kampf um das Gepunktete Trikot einzusammeln. Im schweizerischen Aigle, wo der Radsportweltverband UCI seinen Sitz hat und das erstmals als Etappenort die Tour begrüßte, nahmen bei sommerlichen Temperaturen von 25 Grad am Mittag noch 165 Fahrer die 9. Etappe in Angriff.
Nicht mehr dabei war unter anderem der letztjährige Gesamtachte Guillaume Martin (Cofidis). Nachdem er positiv auf Corona getestet worden war, musste der Franzose das Rennen verlassen. Nach seinem schweren Sturz auf der 8. Etappe erwischte es kurz nach dem Start bei hohem Tempo Maximilian Schachmann (Bora – hansgrohe) erneut. Der zweimalige Deutsche Meister war in einen Sturz verwickelt, bei dem auch Tiesj Benoot (Jumbo – Visma) und Michael Woods (Israel - Premier Tech) zu Boden gingen. Er kam diesmal aber ohne größere Blessuren davon.
Es dauerte 45 hart umkämpfte Kilometer, bis sich die Gruppe des Tages formierte, der nicht weniger als 16 Fahrer angehörten. Nachdem an der Côte de Bellevue (4.Kat.) Castroviejo den ersten Bergpreis des Tages im Vorbeifahren gewonnen hatte, setzte sich der Spanier gemeinsam mit Jungels, Verona, Pinot, Geschke, Patrick Konrad (beide Bora - hansgrohe), Warren Barguil (Arkea - Salsic), Rigoberto Uran (EF Education - EasyPost), Franck Bonnamour (B&B Hotels - KTM), Luis Leon Sanchez (Bahrain Victorious), Kobe Goossens (Intermarché – Wanty - Gobert), Joe Dombrowski (Astana Quazaqstan), Jasper Stuyven (Trek - Segafredo) sowie Guy Niv und Hugo Houle (beide Israel - Premier Tech) aus dem Feld ab.
Kurz vor dem Zwischensprint schafften nach rund 53 gefahrenen Kilometern noch Van Aert, Nils Politt (Bora – hansgrohe), Brandon McNulty (UAE Team Emirates), Benoit Cosnefroy (AG2R - Citroën), Ion Izagirre (Cofidis) und Pierre Latour (TotalEnergies) den Anschluss, so dass die Gruppe aus insgesamt 22 Profis bestand.
Pogacar lässt sein Team früh arbeiten – Geschke stürmt ins Bergtrikot
Den Zwischensprint in Semsales sicherte sich ohne Gegenwehr Van Aert vor Geschke und baute damit seine Führung in der Punktewertung weiter aus. Das von UAE angeführte Feld, in das mittlerweile wieder alle abgehängten Fahrer zurückgekehrt waren, folgte gut zwei Minuten dahinter. Da Uran als im Klassement bestplatzierter der Ausreißer nur 3:24 Minuten Rückstand gegenüber dem Gelben Trikot aufwies, ließ Pogaacar seine Helfer früh arbeiten, um den Rückstand nicht zu groß werden zu lassen.
Dennoch wuchs der Vorsprung der Ausreißer im 13,4 Kilometer langen Anstieg zum Col des Mosses (2. Kat.) auf rund 3:30 Minuten an, wodurch Uran zumindest virtuell im Gelben Trikot unterwegs war. Den zweiten Bergpreis des Tages und damit fünf Punkte holte sich Latour vor Geschke und Houle, das Feld dagegen hatte seinen Rückstand am Gipfel nicht reduzieren können.
Das gelang aber im 8,1 Kilometer langen und 7,6 Prozent steilen Col de la Croix (1. Kat.), an dem der Abstand auf zwei Minuten zurückging und immer mehr Fahrer aus dem Feld herausfielen. Zugleich attackierte Jungels knapp drei Kilometer vor dem Gipfel, wodurch die Spitzengruppe auseinanderfiel. Geschke machte sich auf die Verfolgung des Luxemburgers, sprintete 150 Meter vor der Bergwertung am AG2R-Profi vorbei und holte sich zehn Punkte. Damit baute der Tour-Etappensieger von Pra Loup seine Bilanz auf 17 Zähler aus und zog in der Bergwertung am bisherigen Spitzenreiter Magnus Cort (EF Education – EasyPost) vorbei.
Jungels macht sich bergab auf den Weg zum Etappensieg
Dafür schüttelte Jungels dann aber bergab seinen deutschen Kontrahenten ab und fuhr sich einen Vorsprung von rund einer Minute heraus. Geschke wurde wieder von der Verfolgergruppe eingeholt, die bei der zweiten Passage durch Aigle aus noch 13 Fahrern bestand, darunter auch Konrad, wogegen der Deutsche Meister Politt wieder im Feld verschwunden war.
In der flachen Anfahrt zum Pas de Morgins (1. Kat.), dem letzten kategorisierten Berg des Tages, baute der starke Zeitfahrer Jungels seinen Vorsprung gegenüber seinen nächsten Verfolgern auf gut zwei Minuten aus. Und auch der Abstand auf das Feld wuchs an, nämlich auf mehr als 3:20 Minuten.
Am bisher längsten Anstieg dieser 109. Tour de France - 15,4 Kilometer lang und sechs Prozent steil – arbeitete Izagirre an der Spitze der Verfolgergruppe für seinen Teamkollegen Geschke, während sich der zweimalige Etappensieger Van Aert zurückfallen ließ. Nach zwei Tempoverschärfungen von Pinot musste aber auch der 36-Jährige wie alle anderen verbliebenen Fahrer der ehemaligen Spitzengruppe passen.
Pinot jagt erfolglos Jungels
Die von Pogacars Helfern George Bennett und Rafal Majka angeführte Favoritengruppe, aus der unter anderem der Gesamtzehnte Daniel Martinez (Ineos Grenadiers) und schließlich auch der Bora-Kapitän Aleksandr Vlasov herausgefallen waren, sammelte bis auf den Spitzenreiter, Pinot, Verona und Castroviejo die Ausreißer wieder ein. Jungels gewann zwar den Bergpreis, verdrängte aber trotz der dort erhaltenen zehn Punkte Geschke nicht mehr von der Spitze der Bergwertung, da sich der Cofidis-Profi noch zwei Punkte am Gipfel sicherte.
Nachdem er den Rückstand auf unter 30 Sekunden reduziert hatte, kam Pinot auf den letzten vier, bergauf führenden Kilometern trotz großen Kampfs nicht mehr an Jungels heran. Der ehemalige Lüttich-Bastogne-Lüttich-Gewinner behauptete seinen Vorsprung souverän und feierte ungefährdet den ersten Tour-Etappensieg seiner Karriere. Dahinter zogen Castroviejo und Verona noch an Pinot vorbei und belegten die Plätze zwei und drei.
Der Franzose überquerte die Ziellinie knapp vor Pogacar, der im Sprint der Favoritengruppe nochmals ein Zeichen seiner Überlegenheit setzte und dem Ineos-Duo Thomas und Yates je drei Sekunden abnehmen konnte. Dagegen hielt sich der Gesamtzweite Vingegaard am Hinterrad des Gelben Trikots und wurde zeitgleich mit Pogacar gewertet.
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