Belgier gewinnt Zeitfahren, Däne die Tour

Van Aert und Vingegaard lassen Jumbo - Visma jubeln

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Jonas Vingegaard (Jumbo – Visma) gewinnt die 109. Tour de France. | Foto: Cor Vos

23.07.2022  |  (rsn) – Am Ende des 40,7 Kilometer langen Tour-Zeitfahrens von Lacapelle-Marival nach Rocamadour brachen bei Jumbo – Visma alle Dämme. Jonas Vingegaard brachte sein Gelbes Trikot souverän ins Ziel, landete 19 Sekunden hinter Wout Van Aert auf dem zweiten Platz der 20. Etappe. Der Belgier feierte seinen dritten Tagessieg bei dieser Frankreich-Rundfahrt, es war der bereits sechste für die niederländische Equipe, die sowohl über den Tageserfolg als auch den Toursieg jubeln konnte.

Weder der von seiner kleinen Familie empfangene Vingegaard noch Van Aert konnten ihre Emotionen zurückhalten und brachen im Ziel in Tränen aus. Eindrucksvoll unterstrichen sie erneut, dass Jumbo – Visma die die besten Fahrer in seinen Reihen hatte. “Ich bin sehr emotional. Diese Tour ist sehr speziell für uns als Team. Das ist echt ein Traumszenario, was heute wieder passiert ist“, freute sich Van Aert, der auf der Ziellinie stand und sich mit seinem Teamkollegen abklatschte, als dieser den Gewinn des Gelben Trikots fixierte.

“Das ganze Team ist unglaublich und Wouts Tränen zeigen, wie nah wir uns stehen. Jeder freut sich mit jeden, ich freue mich auch über Wouts Sieg“, erklärte Vingegaard, der wenig später in die Arme seiner Freundin und seiner kleinen Tochter fiel und ebenfalls Tränen vergoss. “Ich wusste, dass meine zwei Mädchen auf der Ziellinie warteten. Das hat mir viel bedeutet“, erzählte der Däne und kommentierte seinen Triumph mit den Worten: “Das bedeutet mir alles. Es ist unglaublich, ich finde fast keine Worte dafür. Das ist das größte Ding im Radsport und wir haben es gewonnen.“

Geraint Thomas "best of the rest"

Hinter dem Jumbo-Duo landete Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) auf dem dritten Tagesrang. Der Slowene hatte auch nach seinem schwarzen Tag am Col du Granon nie aufgesteckt, immer wieder attackiert und Vingegaard bis zum Ende gefordert. Das Duell, das diese Tour prägte, wird wohl im nächsten Jahr seine Fortsetzung finden.

Vierter des Tages wurde Geraint Thomas (Ineos – Grenadiers / + 0:32). Der Waliser, Toursieger 2018, fuhr im Schatten von Vingegaard und Pogacar ein starkes Rennen, zeigte auch im Zeitfahren, dass er seinen Kontrahenten im Kampf um Platz drei klar überlegen war. Sein Teamkollege Filippo Ganna landete mit einem Rückstand von 42 Sekunden auf dem fünften Rang, Maximilian Schachmann (Bora – hansgrohe) schaffte es am vorletzten Tourtag als Neunter erstmals in die Top Ten. 1:37 Minuten fehlten dem gebürtigen Berliner auf den Tagessieger.

Doch noch Änderungen in den Top Ten

Sein Teamkollege Aleksandr Vlasov kletterte im Zeitfahren um zwei Plätze im Klassement nach oben und schließt die Tour am Sonntag wohl auf dem fünften Rang hinter David Gaudu (Groupama – FDJ) ab. Als Sechster wird Nairo Quintana (Arkea – Samsic) in Paris gewertet, Rang sieben wird Romain Bardet (DSM) belegen. Der Südafrikaner Louis Meintjes (Intermarché – Wanty – Gobert) verlor dagegen noch zwei Positionen und liegt nun auf dem achten Gesamtrang. Aleksey Lutsenko (Astana) und Adam Yates (Ineos Grenadiers) komplettieren die Top Ten der Tour de France 2022.

Mit seinem Sieg baute Van Aert seine Führung in der Punktewertung auf 230 Zähler aus, hat damit fast doppelt so viel wie der zweitplatzierte Pogacar auf seinem Konto. Nachdem es keine Bergpunkte im Zeitfahren gab, behielt Vingegaard seinen Vorsprung von acht Punkten, der ihm am Sonntag nicht mehr streitig gemacht werden kann. Zum dritten Mal in Folge wird Pogacar das Weiße Trikot in Paris gewinnen. Er hat eine Führung von 57:34 Minuten auf den Zweitplatzierten Thomas Pidcock, dessen Team Ineos Grenadiers die Mannschaftswertung gewinnen wird.

So lief das Rennen:

Nach dem Ausstieg von Vingegaards Teamkollegen Nathan van Hooydonck, der aus familiären Gründen die Tour am vorletzten Tag verließ, traten am Mittag noch 138 Profis zum alles entscheidenden Zeitfahren an, bei dem nach 10,6 km, 22,1 km und 32,6 km Zwischenzeiten genommen wurden.

Den ersten Richtwert setzte bei Sonnenschein und erneut hohen Temperaturen jenseits der 30-Grad-Marke der dreimalige U23-Zeitfahrweltmeister Mikkel Bjerg (UAE Team Emirates). Der 23-jährige Däne, quasi als Testfahrer für den hinter ihm im Begleitfahrzeug sitzenden Pogacar gestartet, benötigte 50:22 Minuten für den vor allem im Finale technisch anspruchsvollen Kurs, der mit einem zwei Kilometer langen und sechs Prozent steilen Anstieg hinauf nach Rocamadour endete.

Yves Lampaert (Quick-Step Alpha Vinyl), der das Auftaktzeitfahren von Kopenhagen gewonnen hatte, lag deutlich hinter Bjergs Zeit, wogegen sein Teamkollege Mattia Cattaneo im Ziel sogar unter der Schallmauer von 50 Minuten blieb. Deutliche Bestzeit fuhr zunächst der ebenfalls früh ins Rennen gegangene Ganna, der nach 48:41 Minuten das Ziel an der Cote de l’Hospitalet überquerte und damit 43 Sekunden schneller war als sein Landsmann Cattaneo.

Bissegger mal wieder im Pech, Politt und Schachmann schnell unterwegs

Bereits vor dem ersten Messpunkt ereilte Stefan Bissegger (EF Education – EasyPost) ein Defekt, worauf der Schweizer seine Zeitfahrmaschine wechseln und seine Hoffnungen begraben musste. Voller Ambitionen war dagegen Fred Wright (Bahrain Victorius), der an der ersten Zwischenzeit sogar Ganna um eine Sekunde unterbot. Im weiteren Rennverlauf fiel der junge Brite zwar zurück, war dann aber schließlich auf Platz acht bester Fahrer seiner Mannschaft. Und auch Nils Politt (Bora – hansgrohe) war als zwischenzeitlicher Dritter an der zweiten Zwischenzeit flott unterwegs, am Ende guter Zwölfter wurde. Noch besser lief es für seinen Teamkollegen Maximilian Schachmann, der für den Parcours 49:36 Minuten benötigte und damit 26 Sekunden weniger als der Deutsche Straßenmeister. Letztlich reichte das für Rang neun, womit Schachmann bester deutscher Profi dieses Zeitfahrens wurde.

Zeitfahreuropameister Stefan Küng (Groupama – FDJ) lag an der ersten Zwischenzeit nur vier Sekunden hinter Ganna, baute dann aber deutlich ab und büßte bis ins Ziel auf den Weltmeister viel Zeit ein. Letztlich landete der Schweizer sogar noch hinter Schachmann und nur knapp vor Politt auf Platz 11.

Dagegen hielt der Niederländische Zeitfahrmeister Bauke Mollema (Trek – Segafredo) von Anfang an sein eingeschlagenes hohes Tempo durch und wurde Tagessechster. Alle bis dahin erzielten Zeiten waren allerdings Makulatur, als Van Aert sich auf die Jagd nach seinem dritten Tagessieg bei dieser Tour machte. Der 27-Jährige erzielte zunächst an allen Messpunkten Bestzeit, wobei er im zweiten Teil des Rennens seinen Vorsprung gegenüber Ganna auf deutliche 42 Sekunden ausbaute.

An Van Aerts Zeit kommen weder Vingagaard noch Pogacar heran

Die Zeit von 47:59 Minuten schien dann aber gegen Pogacar und seinen Teamkollegen Vingegaard nicht zu reichen. Zunächst unterbot der Slowene Van Aerts erste Marke um eine Sekunde, kurz darauf war der um Punkt 17 Uhr gestartete Spitzenreiter um weitere sieben Sekunden schneller als der Gesamtzweite.

Stark präsentierte sich der 36-jährige Thomas, der den zwei Minuten vor ihm gestarteten Gesamtvierten David Gaudu (Groupama – FDJ) bereits zur Mitte des Rennens überholte und hier sogar schneller unterwegs war als Pogacar. An der dritten Zwischenzeit hatte er sich bis auf drei Sekunden Van Aert angenähert und seinen Vorsprung gegenüber Pogacar auf 17 Sekunden ausgebaut. Vingegaard wiederum lag hier nur noch eine Sekunde vor Van Aert.

Auf den letzten acht Kilometern büßten die drei besten der Gesamtwertung dann jedoch allesamt Zeit ein. Dabei ging Vingegaard bis zuletzt volles Risiko und konnte in der letzten Abfahrt wenige Kilometer vor dem Ziel nur mit Mühe einen Sturz verhindern, nachdem er sich in einer Kurve versteuert hatte. Nach diesem Schreckmoment nahm der Mann im Gelb offensichtlich etwas Tempo heraus und erreichte schließlich mit 18 Sekunden Verspätung auf Van Aert das Ziel. Das reichte zu Platz zwei, weil Pogacar acht und Thomas 13 Sekunden langsamer waren als der neue Tour-Sieger.

Bora-Kapitän Vlasov hatte am Ende zwar 2:46 Minuten Rückstand auf Van Aert, zog im Gesamtklassement aber noch an Meintjes und Quintana vorbei, womit er - wie Wilco Kelderman im vergangenen Jahr - dem Raublinger Rennstall den 5. Platz in der Schlusswertung der Frankreich-Rundfahrt bescheren wird. An Gaudu, der seinen vierten Rang mit einer beeindruckenden Vorstellung behauptete, kam der 26-Jährige aber nicht mehr heran.

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