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27.07.2022 | (rsn) – Marlen Reusser (SD Worx) hat mit einem Solo von mehr als 20 Kilometern die 4. Etappe der Tour de France der Frauen gewonnen. Die 30-jährige Schweizerin setzte sich über 127 Kilometer von Troyes nach Bar-Sur-Aube mit 1:24 Minuten Vorsprung durch und feierte ihren bisher größten Sieg. Im Sprint der nächsten Verfolgerinnen sicherte sich die Französin Evita Muzic (FDJ - SUEZ - Futuroscope) den zweiten Platz vor der Weißrussin Alena Amialiusik (Canyon-SRAM) und der US-Amerikanerin Veronica Ewers (EF Education-Tibco-SVB).
"Wir haben heute beschlossen, es schwer zu machen und es nicht auf ein leichtes Finale ankommen zu lassen. Ich hatte heute Glück, weil ich wegspringen konnte. Ich bin dem Team sehr dankbar. Wir haben heute sehr gut zusammengearbeitet. Ich weiß nicht, ob das mein größter Sieg bisher ist, aber ich weiß, dass das etwas ganz Besonderes ist", kommentierte Reusser den 13. Sieg ihrer Profikarriere, der zugleich der erste im Trikot von SD Worx war, im ersten Sieger-Interview im Fernsehen.
"Unsere erste Priorität waren natürlich unsere Klassementfahrerinnen (Ashleigh Moolman-Pasio und Demi Ollering), aber wir hatten eine offene, aggressive Renntaktik. Jede im Team kann auf einen Etappensieg fahren", fügte sie an.
1:40 Minuten hinter Reusser spurtete Marianne Vos (Jumbo – Visma) aus dem Feld heraus auf Rang fünf und verteidigte sowohl ihr Gelbes Trikot der Gesamtführenden als auch das Grüne der punktbesten Fahrerin. Die Deutsche Meisterin Liana Lippert (DSM) kam zeitgleich mit Vos als zwölfte ins Ziel.
Im Gesamtklassement liegt die 35-jährige Niederländerin weiterhin je 16 Sekunden vor Silvia Persico (Valcar - Travel & Service) und der Polin Kasia Niewiadoma (Canyon – SRAM). Lippert ist auf Rang 13 (+2:55) beste deutscher Fahrerin. Femke Gerritse (Parkhotel Valkenburg) bleibt im Bergtrikot. Julie De Wilde (Plantur – Pura) behauptete das Weiße Trikot der besten Nachwuchsfahrerin.
So lief das Rennen:
Wie schon auf der 3. Etappe, so ging es auch in Troyes mit hohem Tempo los, so dass sich zunächst keine Ausreißergruppe bilden konnte. Zwar setzte sich kurzzeitig ein Trio ab und dann bildete sich sogar eine 23-köpfige Gruppe mit Fahrerinnen aus vielen unterschiedlichen Teams, doch das Hauptfeld holte alle Ausreißerinnen in der ersten Rennstunde rund um den Lac d'Orient wieder zurück.
Erst nach 42 Kilometern bildete sich mit Laura Asencio (Ceratizit-WNT), Valerie Demey (Liv Racing Xstra) und Coralie Demay (St Michel-Auber 93) ein echtes Ausreißertrio, das dann auch schnell zwei Minuten Vorsprung herausfahren konnte, weil sich das Tempo im Peloton endlich etwas beruhigte.
Die Lücke ging bis auf 2:40 Minuten auf, bevor das Peloton in Richtung des ersten Schotter-Sektors beschleunigte. Am Zwischensprint 66 Kilometer vor dem Ziel standen nur noch 2:20 Minuten auf der Uhr. Dort rollte Demey als Erste über die Linie und Lorena Wiebes (Team DSM) gewann den Sprint des Feldes, machte dort sechs Punkte im Kampf um Grün auf Vos gut.
Im ersten Anstieg der 3. Kategorie hinauf zur Cote de Celles-sur-Ource konnte Demey dem Tempo ihrer beiden Begleiterinnen nicht mehr folgen. Oben auf der Kuppe holte sich Demay dann knapp vor Asencio den Bergpreis und das Peloton lag nun unter dem Tempodiktat von Movistar nur noch 1:15 Minuten zurück.
Demay tapfer, aber chancenlos gegen das Feld
Auf dem Schottersektor Nummer 4 – die Sektoren wurden wie bei Paris-Roubaix rückwärts gezählt – zog das Team SD Worx mit Marlen Reusser dann das Tempo im Hauptfeld nochmals an und es kam sofort zu Rissen, so dass mehrere große Gruppen entstanden. Nur rund 35 Frauen waren im ersten Feld nach dem Sektor noch beisammen, doch anschließend rollten weitere Gruppen wieder heran, bevor 50 Kilometer vor Schluss der Anstieg zur Cote du Val des Clos (3. Kat., 900m bei 8,8%) begann, auf den sofort der nächste Schottersektor folgte.
Am Anstieg schüttelte Demay ihre Begleiterin Asencio ab, holte die nächsten drei Bergpunkte und setzte ihre Flucht mit einer knappen halben Minute Vorsprung auf das bergauf wieder auseinanderfliegende Hauptfeld allein fort. Auf dem 3.200 Meter langen Sektor 3 bestimmte dort hinten dann Ellen van Dijk (Trek - Segafredo) das Tempo und das Feld verkleinerte sich erneut auf nur noch rund 30 Frauen, das dann aber wieder größer wurde. Kurzzeitig kam auch Annemiek van Vleuten (Movistar) in Probleme, weil Alena Amialiusik (Canyon - SRAM) vor ihr wegrutschte und quer stand. Doch beide konnten wieder aufschließen.
Demay kam mit noch zehn Sekunden Vorsprung aus dem Sektor heraus, doch zurück auf Asphalt nahm das Hauptfeld nochmal etwas Tempo raus und die Lücke ging wieder bis auf 45 Sekunden auf. Doch die 29-jährige Französin war chancenlos gegen das von SD Worx angeführte Feld, das Demay zu Beginn des - mit 4.400 Metern längsten – vorletzten Sektors 36 Kilometer vor dem Ziel wieder einfing.
Reussers Attacke kann niemand folgen
Kurz darauf wurde die gestrige Etappengewinnerin Cecilie Uttrup Ludwig (FDJ Suez Futuroscope) durch einen Reifenschaden gestoppt und büßte beim erforderlichen Radwechsel rund 30 Sekunden ein. Doch die Dänische Meisterin schaffte wieder den Anschluss, wogegen die Gesamtsechste Mavi Garcia (UAE Team ADQ) in dem bergauf führenden Sektor 2 ihrerseits durch einen Defekt zurückfiel, dann aber auch wieder an die Spitze zurückfand. Weiterhin war es die 30-jährige Reusser, die an der Spitze des ausdünnenden Feldes das Tempo hochhielt.
Nach der Côte de Maître Jean, die sich Gerritses Teamkollegin Mischa Bredewold (Parkhotel Valkenburg) sicherte, neutralisierte das Feld eine Attacke von Alena Amialiusik (Canyon – SRAM), wogegen die von Reusser 23 Kilometer vor dem Ziel erfolgreicher war. Am Gipfel der 900 Meter langen und sieben Prozent steilen Côte de Maître Jean betrug der Vorsprung der Bernerin aber gerade mal noch 15 Sekunden, weil Niewiadoma mit einer Tempoverschärfung den zuvor mehr als doppelt so großen Abstand reduziert hatte.
Garcia von eigenem Teamfahrzeug vom Rad geholt
Auf dem drei Kilometer langen und letzten Gravel-Sektor wurde die Spanische Meisterin Garcia durch einen weiteren Plattfuß ausgebremst, kurz darauf musste auch Mit-Favoritin Longo Borghini nach einem Defekt ihr Hinterrad gegen das von Weltmeisterin Elisa Balsamo tauschen – van Vleuten dagegen konnte nicht mit den Besten mithalten, als Niewiadoma erneut beschleunigte. Nach dem Sektor 1 schickte die Polin wieder ihre Teamkollegin Amialiusik in die Offensive. Bei ihrer Aufholjagd wurde Garcia dann von ihrem eigenen Teamfahrzeug umgefahren und hatte Glück, dass sie nicht unter die Räder geriet.
Da in der Gruppe der Favoritinnen das Tempo wieder verschleppt wurde, gelang unter anderem auch wieder van Vleuten der Anschluss. Reusser baute so bis zum Bonussprint an der Côte des Bergères ihren Vorsprung auf die Gruppe um Vos auf mehr als eine Minute aus. Dazwischen hatte Amialiusik Begleitung von Muzic und Ewers erhalten.
Doch das Trio konnte Reusser, die auch sich auch die Bergwertung an der Côte de Val Perdu, dem letzten kategorisierten Anstieg des Tages quasi nebenbei holte, auf den letzten Kilometern nicht gefährden. Die zweimalige Vizeweltmeisterin im Zeitfahren spulte die letzten fünf bergab führenden Kilometer souverän ab und feierte den größten Sieg ihrer bisherigen Karriere.
Aus dem Feld heraus setzte Lippert kurz vor der Bergwertung noch eine Attacke, die aber durch die Gesamtzweite Persico neutralisiert wurde. Danach blieben die Favoritinnen beisammen und machten schließlich nur noch den fünften Platz untereinander aus, da sich knapp vor ihnen noch Muzic, Amialiusik und Veronica Ewers ins Ziel gerettet hatten.
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