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20.02.2023 | (rsn) – Selbst auf dem Zielfoto war ein Adlerauge notwendig, um wenigstens zu erahnen, ob nun das Vorderrad von Tim Merlier (Soudal Quick-Step) oder jenes von Caleb Ewan (Lotto Dstny) eher die Ziellinie in Al Mirfa berührte, wo die 1. Etappe der UAE Tour (2.UWT) endete. Nach minutenlangen Beratungen der Jury wurde der Belgische Meister zum Sieger gekürt, Merlier übernahm damit auch die Führung in der Gesamtwertung und bescherte zudem Soudal Quick-Step um Remco Evenepoel für das morgige Mannschaftszeitfahren die beste Startposition als letztes Team auf der Rampe.
Für den Weltmeister gab es auch weiteren Grund zur Freude, denn in einem Rennen, das von Kilometer 0 an auf der Windkante gefahren wurde, konnte er – abgesehen von Pello Bilbao (Bahrain Victorious) und Luke Plapp (Ineos Grenadiers) - alle weiteren Klassementaspiranten, vor allem die UAE-Emirates-Fraktion um Adam Yates, für die Gesamtwertung bereits knapp eine Minute distanzieren. Das Trio war Teil einer 13-köpfigen Gruppe, die sich kurz vor einer Vereinigung zweier großer Gruppen knapp 30 Kilometer vor dem Ziel entscheidend absetzen konnte.
Auch Nikias Arndt und Phil Bauhaus (beide Bahrain Victorious) gehörten zu dieser Gruppe und konnten mit Platz 5 und 6 ordentliche Ergebnisse einfahren, aber nicht mit voller Kraft in den Sprint eingreifen. Vor ihnen platzierten sich Mark Cavendish (Astana Qazaqstan) als Dritter und Olav Kooij (Jumbo – Visma) als Vierter.
Merlier lobt Evenepoel für dessen Unterstützung
Merlier, der nach der 1. Etappe der Oman-Rundfahrt nun auch den 151 Kilometer langen Auftakt in den Vereinigten Arabischen Emiraten für sich entschied, war sich selbst nicht sicher gewesen, ob es wirklich gereicht hatte. “Ich wusste, dass ich einen guten Tigersprung gemacht hatte und auch, dass ich vorher einen guten Sprint gefahren bin. Aber dann kam Caleb von hinten und er ist immer sehr gefährlich am Hinterrad. Es wurde wirklich sehr eng und jetzt haben wir 15 Minuten auf die Entscheidung gewartet, aber ich bin wirklich stolz, gewonnen zu haben“, berichtete der J0-Jährige, ehe er im Siegerinterview vor allem auch seinem Kapitän Evenepoel danke: “Er war so stark. Aber ich denke, er wird morgen sehr leiden.“
Merlier übernahm mit dem Tagessieg neben dem Gelben Trikot auch auch die Führung in der Punktewertung, Zweiter ist dort Plapp, der sich an den Zwischensprints Bonuspunkte und auch -sekunden sicherte, die ihm das Trikot für den besten Jungprofi mit drei Sekunden vor Evenepoel sicherten. Zähler für die Bergwertung wurden nicht vergeben.
And it’s Merlier ????@MerlierTim wins stage 1 of the #UAETour! https://t.co/AueY0Dabg3
— Soudal Quick-Step Pro Cycling Team (@soudalquickstep) February 20, 2023
Schon vor dem Start begann am Al Dhafra Castle das Rennen: nämlich jenes um die besten Startplätze. Bereits zehn Minuten bevor es losgehen sollte, stellten sich die Fahrer an der Startlinie auf und suchten nach den vordersten Plätzen. Denn durch die nur knapp 1.000 Meter lange Neutralisation und starker Wind von 35 km/h aus Nordwesten drohte bereits ab Kilometer 0 ein Windstaffelrennen.
Und genau so kam es: Kaum wurde die Startflagge gesenkt, nahm Bahrain Victorious das Rennen auf die Kante und das Peloton zerriss schon nach 1.000 Metern in vier Gruppen, aus denen kurz darauf zwei große Hauptfelder wurden. In der Hektik kam es auch sehr früh zu einem Massensturz, in den unter anderen Andreas Leknessund (DSM) und Josef Cerny (Soudal Quick-Step), aber auch Brandon McNulty (UAE Team Emirates) verwickelt waren. Kurz danach musste auch Caleb Ewan (Lotto Dstny) wegen eines Vorderradschadens stoppen.
Bahrain Victorious zerlegt das erste Feld gleich zweimal
Mithilfe des Fahrzeug-Konvois kamen die Gestürzten und auch Ewan nach einigen Kilometern wieder zurück ins zweite Fahrerfeld, das zu diesem Zeitpunkt hauptsächlich durch Soudal Quick-Step, Groupama – FDJ und Intermarché – Circus – Wanty angeführt wurde. Eine gute halbe Minute davor drückten im ersten Feld Tudor, Bora – hansgrohe, Bahrain Victorious, Jumbo - Visma und Astana Qazaqstan mit Cavendish höchstpersönlich aufs Tempo.
Nach zehn Kilometern startete Bahrain Victorious einen zweiten Vollgas-Angriff und zerlegte das erste Feld erneut in zig kleinere Gruppen. Wieder kam es dabei zu einem Sturz, diesmal von Sepp Kuss (Jumbo – Visma) und Callum Scotson (Jayco – AlUla).
Arndt, Ballerstedt, Heiduk und Hessmann immer ganz vorne dabei
Ganz vorne mit dabei blieben unter anderem stets Sam Bennett (Bora – hansgrohe), Elia Viviani (Ineos Grenadiers), Kooij, Bilbao, Evenepoel und auch die fünf Deutschen Kim Heiduk (Ineos Grenadiers), Maurice Ballerstedt (Alpecin – Deceuninck), Michel Hessmann (Jumbo – Visma), Arndt und Bauhaus. Die am besten vertretenen Teams waren dabei Bahrain Victorious mit fünf Mann und Jumbo – Visma sowie Ineos Grenadiers mit je vier Fahrern.
Sie saßen nach 30 Kilometern beim Erreichen der Stadt Madinaz Zayed und damit eines ersten grundsätzlichen Richtungswechsels in einer rund 25-köpfigen Spitzengruppe mit 25 Sekunden Vorsprung auf ein etwas größeres zweites Feld um Merlier, Ewan, Cavendish, Adam Yates (UAE Team Emirates), Arnaud Démare (Groupama – FDJ) und Dylan Groenewegen (Jayco – AlUla). Das große Hauptfeld mit Fahrern wie Kuss, Jay Vine (UAE Team Emirates) und Emanuel Buchmann (Bora – hansgrohe), aber auch Fernando Gaviria (Movistar) war da schon 1:30 Minuten zurück.
Bilbao, Evenepoel und Plapp kämpfen um Zwischensprints
In Madinat Zayed kämpften Bilbao, Evenepoel und Plapp mit Vollgas um die Bonussekunden des ersten Zwischensprints – angefahren durch Arndt und Viviani. Der Deutsche rollte dabei als Erster über den Strich und holte drei Sekunden, Plapp bekam als Zweiter deren zwei und Bilbao als Dritter noch eine. Nach der Stadt-Durchfahrt betrug der Vorsprung der Spitze auf die zweite Gruppe weiterhin rund eine halbe Minute, das Hauptfeld aber lag bereits über 2:30 Minuten zurück.
Auf dem Weg zum zweiten Zwischensprint ging dann auch die Lücke zwischen den ersten beiden Gruppen langsam weiter auf und wuchs 90 Kilometer vor Schluss auf 45 Sekunden an – bei schon über dreieinhalb Minuten zum Hauptfeld. Den Zwischensprint selbst sicherte sich 65 Kilometer vor Schluss dann Plapp vor Evenepoel und Bilbao.
Im Gegenwind läuft fast alles wieder zusammen
Kurz darauf aber wechselte die Fahrtrichtung und aus dem Seiten- wurde für die kommenden rund 30 Kilometer überwiegend Gegenwind. Das spielte der etwas größeren zweiten Gruppe in die Karten und der Abstand zur Spitze verringerte sich, bis es 51 Kilometer vor Schluss tatsächlich wieder zum Zusammenschluss der ersten beiden Gruppen kam, die rund 60 Fahrer umfassten.
Das Hauptfeld lag weiterhin knapp fünf Minuten zurück, doch weil an der Spitze niemand mehr wirklich zur Tempojagd blies, schrumpfte die Lücke bis 40 Kilometer vor Ziel bereits auf drei Minuten und an der 30-Kilometer-Marke sogar auf unter eine Minute zusammen.
Bahrain Victorious und Soudal Quick-Step sorgen für Entscheidung
Kurz vor dem Zusammenschluss aber starteten Bahrain Victorious und Soudal Quick-Step nochmal eine konzertierte Attacke und sorgten für eine neue Windstaffel mit nur noch 13 Mann: Bilbao, Bauhaus, Arndt und Matevz Govekar von Bahrain Victorious, Evenepoel, Merlier und Bert van Lerberghe von Soudal Quick-Step sowie Cavendish und Cees Bol (beide Astana Qazaqstan), Plapp, Kooij, Ewan und Jarrad Drizners (beide Lotto Dstny).
Sie erreichten den Zielstrich bei der ersten Passage 50 Sekunden vor dem ersten Verfolgerfeld, das von UAE Team Emirates und Alpecin – Deceuninck auf die 18 Kilometer lange Schlussrunde um Al Mirfa geführt wurde. Da an der Spitze alle 13 Mann konsequent mit durch die Führung gingen, wuchs der Vorsprung neun Kilometer vor Schluss sogar bis auf 1:15 Minuten an und das Rennen schien vorentschieden.
Auf den letzten drei Kilometern machten hauptsächlich die an der Gesamtwertung interessierten Evenepoel, Bilbao und Plapp an der Spitze das Tempo, während sich die Sprinter hinter ihnen auf den Spurt vorbereiteten.
Von allerletzter Stelle fuhren mit viel Schwung vor der letzten Kurve Van Lerberghe und Merlier nach vorn und sofort sprang Ewan ans Hinterrad des Belgischen Meisters. Der sprintete schließlich von vorn, doch der Australier schob sein Vorderrad auf den letzten Metern noch neben ihn und so kam es schließlich zum Entscheid durchs Zielfoto, anhand dessen der Sieger mit bloßem Auge immer noch nicht auszumachen war.
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