RSNplusGasparotto hält nichts von Copy & Paste

Hat Bora einen Giro-Plan wie auf der letztjährigen Turin-Etappe?

Von Tom Mustroph aus Neapel

Foto zu dem Text "Hat Bora einen Giro-Plan wie auf der letztjährigen Turin-Etappe?"
Bora - hansgrohe bei der Giro-teampräsentation 2023 | Foto: Cor Vos

12.05.2023  |  (rsn) - Bora - hansgrohe hat sich das Unternehmen Titelverteidigung beim 106. Giro d’Italia auf die Brust geschrieben. Obwohl der deutsche Rennstall ohne Titelverteidiger Jai Hindley ins Rennen geht. Und obwohl als Konkurrenz ein durch WM-Sieg, Vuelta-Triumph und Lüttich-Ausrufezeichen befeuerter Remco Evenepoel hier beim Giro ist und der dreimalige Vuelta-Champion Primoz Roglic noch ein Hühnchen mit der Italien-Rundfahrt zu rupfen hat.

Die hatte der Slowene 2019 eigentlich schon so gut wie eingetütet, unterschätzte dann aber den Ecuadorianer Richard Carapaz. Um gegen diese Großmeister des Rundfahrtgeschäfts anzukommen, bleibt Bora - hansgrohe nichts anderes übrig, als auf Etappen, die auf dem Papier nicht überwältigend schwer aussehen, ein paar Überraschungen vorzubereiten. Auf der Turin-Etappe im letzten Jahr, als das Team das Peloton schier auseinanderfuhr, wurde schließlich auch der Grundstein für den Giro-Sieg durch Hindley gelegt.

___STEADY_PAYWALL___

Beim Giro d’Italia 2022 überraschte Bora – hansgrohe die Konkurrenz mit einem aggressiven Auftritt auf der Turin-Etappe. | Foto: Cor Vos

Jetzt könnte diese Rolle der 8. Etappe am Samstag über 207 Kilometer von Terni nach Fossombone durch das Hügelland von Umbrien und den Marken zukommen. “Natürlich, wenn du mich fragst, ist die Etappe nach Fossombrone interessant“, sagte Enrico Gasparotto zu radsport-news.com. Der Italiener hatte 2022 die Taktik für Bora auf der spektakulären Turin-Etappe ausbaldowert. Und auch dieses Jahr war er mit seinen Giro-Kapitänen Lennard Kämna und Alexander auf Erkundungstour. Unter anderem auf der Strecke dieser 8. Etappe.

Was hat Gasparotto für die 8. Etappe ausbaldowert?

“Wir haben sie auch ausgewählt, weil wir mit dem Tirreno - Adriatico ganz in der Nähe waren. Auch das Zeitfahren von Cesena (9. Etappe), das wir uns ebenfalls angeguckt haben, ist nicht so weit weg. Und im Internet haben wir gesehen, dass die Straßen recht eng und kurvig aussahen. Es hat uns also nicht so viel Aufwand bedeutet, das auch noch in Augenschein zu nehmen“, erklärt Boras sportlicher Leiter am Rande der 6. Etappe radsport-news.com.

Die präzise Giro-Vorbereitung hatte Kämna schon im letzten Jahr sehr gefallen. Tiefe Streckenkenntnis und ein paar Pläne im Kopf zu haben, befeuert auch die Lust aufs Rennen, ist seine Erfahrung. “Es motiviert mich, die Vorbereitung fühlt sich auf diesen Straßen sehr konkret an. Die Tage hier helfen mir, am Renntag bereit zu sein und die bestmögliche Leistung abzurufen“, sagte er in Teil 2 von Boras Youtube-Serie “Defending The Title“.

Zwar stürzte Bora-Kapitän Aleksandr Vlaosv beim 106. Giro d’Italia schon, zog sich dabei aber nur leichtere Blessuren zu | Foto: Cor Vos

Darin war die Streckenbesichtigung gerade der 8. Etappe dieses Giro ein Thema. “Im Roadbook erfahren wir meist nur die Rohdaten einer Etappe. Eine Besichtigung erfüllt dann Höhenprofile und Linien auf Karten mit Leben. Für uns ist es wichtig zu wissen, wie die Straßenbeschaffenheit an gewissen Anstiegen oder Abfahrten ist. Wie schmal oder breit einzelne Passagen tatsächlich sind und wie die eine oder andere Zieleinfahrt im Detail aussieht. Mit diesem Wissen und diesen Bildern im Kopf bekommt man eine Idee davon, was an bestimmten Punkten im Rennen passieren könnte, wo es wichtig ist in Position zu sein und wann sich eine Möglichkeit zur Offensive bieten würde“, sagte Kämna dort.

Kämna bezweifelt, "dass wir uns verrückte Sachen einfallen lassen“

Jetzt beim Giro versucht der Rennstall, die punktgenaue Vorbereitung etwas herunterzuspielen. “Naja, wenn es alle erwarten, dann funktioniert es ja sowieso schon mal nicht. Erst recht nicht, wenn es überall schon in der Presse steht. Also von daher glaube ich nicht, dass wir jetzt eine Riesenvorentscheidung auf Etappe acht machen werden und uns irgendwelche verrückte Sachen einfallen lassen“, meinte Kämna zu radsport-news.com. Und er drückte weiter ganz fest auf die Entwarnungstube: “Ich denke, der Giro ist noch lang und unsere Chancen werden noch kommen.“

Auch Gasparotto, der Mastermind für gewiefte Taktikspiele, versuchte, die Aufmerksamkeit wieder umzulenken. “Dass ich die Etappe wegen ihrer Charakteristik interessant finde und wir einen Recon gemacht haben, bedeutet ja noch keine Entscheidung. Ich mag meine Ideen haben, aber wir treffen Entscheidungen auf der Grundlage der Rennsituation. Und wenn sich alle fragen, ob Bora jetzt genauso fährt wie auf der Turin-Etappe, dann muss man auch sagen: Das ist Geschichte. Das war letztes Jahr“, sagte der Schweizer, um dann gleich anzufügen: “Dieser Giro ist anders. Es sind andere Fahrer hier, der Ansatz ist anders. Das Wetter spielt auch eine entscheidende Rolle mit Kälteeinbrüchen wie am Mittwoch. Die 8. Etappe erfolgt auch in der ersten Woche, nicht zum Ende der zweiten wie jene in Turin“, argumentierte er.

Teamkollege Lennard Kämna dagegen kam bisher sturzfrei durch den Giro und freut sich auf die bevorstehenden Aufgaben. | Foto: Cor Vos

Als Credo verkündete Gasparotto dann: “Am Ende ist so, dass man für eine erfolgreiche Strategie nicht einfach Copy & Paste machen kann. Man muss sich immer was Neues einfallen lassen, ansonsten bist du ein Verlierer.“ Da hat er natürlich Recht. Allerdings bekommt man auch Lust, noch genauer hinzuschauen, welche Pfeile Bora - hansgrohe jetzt in den Köcher gelegt hat für die 8. Etappe. Die bleibt ja interessant, soll aber gerade nicht im Copy & Paste-Modus der Turin-Etappe gefahren werden.

Kämna macht das Fahren aufs Klassement Spaß

Unabhängig von diesen Taktikspielchen fühlt sich Kämna bei seiner ersten großen Rundfahrt mit Klassementambitionen pudelwohl. “Man fährt natürlich ein bisschen anders, keine Frage, ein bisschen konzentrierter, um keine Zeit zu verlieren. Und es ist mit Sicherheit ein bisschen stressiger. Aber bisher macht es Spaß“, sagte er radsport-news.com. Um Stürze kam er bisher herum, und er suchte auch gleich etwas Hölzernes, um darauf zu klopfen.

Seinen Kapitänskollegen Vlasov hat es hingegen schon erwischt. “Aber er sieht noch ganz gut aus und sollte keine größeren Probleme haben“, so Kämna zuversichtlich. Mit seinem Auftaktzeitfahren ist der Deutsche Meister in dieser Disziplin trotz des Rückstands im Reinen. “Es war jetzt nicht das absolute Top-Zeitfahren. Aber es war in dem Maße, wie ich es persönlich auch erwartet hatte. Und von daher war ich jetzt nicht enttäuscht“, meinte er.

Und er freute sich auf die Etappen, die noch kommen. “Bisher sind wir ja eher mitgefahren, haben versucht, keine Zeit zu verlieren. Die Tage, wo wir als Team richtig in Aktion treten, die kommen erst noch“, meinte er ein. Möglicherweise ist der Samstag dann doch schon so ein Tag.

Mehr Informationen zu diesem Thema

27.05.2024Pogacar nach Giro-Triumph entspannt zur Tour

(rsn) – Die 107. Austragung des Giro d´Italia stand ganz im Zeichen von Tadej Pogacar (UAE Team Emirates). Der Slowene drückte der Rundfahrt vom Start weg seinen Stempel auf, gewann fast ein Drit

23.11.2023Buitrago will erstmals zur Tour und um das Weiße Trikot kämpfen

(rsn) – Nach zwei Giro-Etappensiegen in den beiden vergangenen Jahren hofft Santiago Buitrago (Bahrain Victorious) in der kommenden Saison auf sein Tour-de-France-Debüt. Dann möchte der Kolumbiane

31.07.2023Baudin nach Tramadol-Missbrauch vom Giro disqualifiziert

Neo-Profi Alex Baudin (AG2R - Citroen) ist nachträglich vom Giro d´Italia 2023 ausgeschlossen worden. Das teilte die UCI am Montag mit. Grund dafür ist der Fund des Schmerzmittels Tramadol in den B

04.06.2023ASO plant Corona-Protokoll für die 110. Tour de France

(rsn) – Nachdem beim diesjährigen Giro d’Italia zahlreiche Fahrer wegen Corona-Infektionen ausschieden, werden die Organisatoren der Tour de France laut der französischen Nachrichtenagentur AFP

01.06.2023“Fanboy“ Heßmann zitterte mit Roglic am Monte Lussari

(rsn) – Viel besser hätte das Grand-Tour-Debüt für Michel Heßmann (Jumbo – Visma) nicht laufen können. Während der Deutsche mit einigen Teamkollegen auf dem Monte Lussari wartete, sicherte s

31.05.2023Thomas enttäuscht, “dass ich es nicht vollenden konnte“

(rsn) – Um ganze 14 Sekunden musste sich Geraint Thomas (Ineos Grenadiers) beim 106. Giro d´Italia Primoz Roglic (Jumbo – Visma) geschlagen geben. Der 33-jährige Slowene nahm dem Briten am vorle

31.05.2023Startet Giro-Sieger Roglic auch bei der Tour de Suisse?

(rsn) – Giro-Sieger Primoz Roglic wurde am Dienstag in Amsterdam von seinem Team Jumbo – Visma mit einer großen Feier geehrt. Die Veranstaltung nutzte der niederländische Fernsehsender NOS, um d

30.05.2023Pinot will nach dem Giro auch die Abschieds-Tour

(rsn) – Nach seiner erfolgreichen Abschiedsvorstellung beim Giro d’Italia, den er auf Rang fünf beendete, will Thibaut Pinot (Groupama – FDJ) nun auch ein letztes Mal bei der Tour de France sta

29.05.2023Kriegers Giro-Leiden wurden mit Rang fünf in Rom belohnt

(rsn) - Alexander Krieger (Alpecin - Deceuninck) beendete den mit vielen Tiefschlägen verbundene 106. Giro d`Italia mit einem sportlichen Ausrufezeichen. Der Stuttgarter belegte auf der Schlussetappe

29.05.2023Entdeckungen und Überraschungen: Die Geschichten des Giro

(rsn) – Vor dem 106. Giro d’Italia schien die Ausgangsposition klar zu sein: Es würde ein Duell um den Gesamtsieg zwischen Remco Evenepoel (Soudal – Quick-Step) und Primoz Roglic (Jumbo – Vis

29.05.2023Ackermanns Traum vom Sieg beim Giro-Finale endete in der Bande

(rsn) - Vor drei Jahren gewann Pascal Ackermann (UAE Team Emirates) in Madrid die Schlussetappe der Vuelta a Espana. Das Kunststück wollte der Pfälzer auch beim 106. Giro d’Italia beim Finale in R

28.05.2023Thomas lotst Cavendish in Rom zum letzten Etappensieg

(rsn) – Sieben Sprints hatte der 106. Giro d’Italia und jedes Mal gab es einen anderen Sieger. Beim letzten Akt spurtete Mark Cavendish (Astana Qazaqstan) in Rom nach 126 Kilometern mit großem Vo

Weitere Radsportnachrichten

21.11.2024Uijtdebroeks denkt über Rallye-Karriere nach

(rsn) – Seine Profikarriere als Radsportler hat kaum begonnen, da macht sich Cian Uijtdebroeks schon Gedanken über die Zeit danach. Der 21-Jährige hat jüngst in einem Interview mit Het Nieuwsblad

21.11.2024Pogacar schließt Start bei Paris-Roubaix nicht aus

(rsn) – Fährt er, oder fährt er nicht? Zuletzt schien es so, als wolle Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) für die nächsten Jahre noch einen Bogen um Paris-Roubaix machen. Doch neue Aussagen des 2

21.11.2024Nach Dopingsperre jetzt Haft auf Bewährung gefordert

(rsn) - Nach vier Jahren Dopingsperre aufgrund eines positiven Test auf Epo im Jahr 2019 droht der früheren französischen Radsportlerin Marion Sicot jetzt eine einjährige Haftstrafe auf Bewährung.

21.11.2024Amador beendet Karriere trotz Vertrag, Movistar macht Nägel mit Köpfen

(rsn) - In unserem ständig aktualisierten Transferticker informieren wir Sie regelmäßig über Personalien aus der Welt des Radsports. Ob es sich um Teamwechsel, Vertragsverlängerungen oder Rücktr

20.11.2024Pieterse gibt ihr Cross-Programm bekannt

(rsn) – Mountainbikeweltmeisterin Puck Pieterse (Fenix – Deceuninck) hat auf ihren Social-Media-Kanälen ihr Programm für den Winter bekannt gegeben. Die 22-Jährige steigt erst Mitte Dezember be

20.11.2024Das Pech zog sich wie ein roter Faden durchs Jahr

(rsn) – Nach einer starken Saison 2023, als er Deutscher U23-Meister auf der Straße und im Zeitfahren wurde sowie einen sechsten Platz im WM-Straßenrennen der Espoirs einfuhr, ging Moritz Kretschy

20.11.2024Die negativen Erlebnisse übermalten die positiven

(rsn) - Eigentlich hatte sich Marco Schrettl (Tirol - KTM) 2024 vorgenommen mit tollen Leistungen eine starke Empfehlung an die besten Teams des Straßenradsports abzugeben, doch ganz klappte der ambi

20.11.2024Im Überblick: Die Transfers der Männer-Profiteams für 2025

(rsn) – Nachdem zahlreiche Transfergerüchte seit Monaten in der Radsportwelt zirkulieren, dürfen die Profimannschaften seit dem 1. August ihre Zu- und Abgänge offiziell bekanntgeben. Radsport

20.11.2024Drei Mal Gold zu holen bleibt ein Traum

(rsn) – Madison-Gold bei EM und WM, dazu zwei Podien in UCI-Rennen auf der Straße. Für Roger Kluge (rad-net – Oßwald) lief die Saison 2024 eigentlich perfekt, wäre da nicht die Enttäuschung b

20.11.2024Rundfahrtchefs Pupp, Senn und Wegmann heute im “Windschatten“

(rsn) – Zum fünfjährigen Bestehen der österreichischen Radsport-Initiative "Österreich dreht am Rad" finden in dieser Woche in der Medienhalle Hall in Tirol täglich Podiumsdiskussionen und Live

20.11.2024Im Überblick: Die Transfers der Frauen-Profiteams für 2025

(rsn) – Nachdem zahlreiche Transfergerüchte seit Monaten in der Radsportwelt zirkulieren, dürfen die Profiteam seit dem 1. August ihre Transfers offiziell bekanntgeben. Radsport-news.com samme

20.11.2024Van Gils und Lotto - Dstny sprechen über Vertragsauflösung

(rsn) – Letzten Winter forcierte der Belgier Cian Uijtdebroeks seinen vorzeitigen Wechsel vom deutschen Bora - hansgrohe zu Visma - Lease a Bike. Eine ähnliche Geschichte könnte sich auch jetzt an

RADRENNEN HEUTE
  • Keine Termine