Giro: Belgier holt sich Rosa Trikot zurück

Evenepoel siegt dank starkem Finale eine Sekunde vor Thomas

Von Kevin Kempf

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Remco Evenepoel (Soudal – Quick-Step) hat die 9. Giro-Etappe gewonnen. | Foto: Cor Vos

14.05.2023  |  (rsn) – Tagessieg und Rosa Trikot auf der 9. Etappe des Giro d’Italia schienen schon vor dem Start des ersten Teilnehmers festzustehen. So kam es auch, doch musste sich Remco Evenepoel (Soudal – Quick-Step) mehr strecken, als ihm lieb war. Auf den flachen 35 Kilometern zwischen Savignano sul Rubicone und Cesena konnte der Weltmeister dem starken Geraint Thomas (Ineos Grenadiers) nur eine Sekunde abnehmen. Dessen Teamkollege Tao Geoghegan Hart wurde eine weitere Sekunde dahinter Dritter. Mit seinem sechsten Saisonsieg übernahm Evenepoel auch wieder die Führung im Gesamtklassement.

Der Schweizer Stefan Küng (Groupama – FDJ) belegte mit vier Sekunden Rückstand Rang vier, sein französischer Mannschaftskollege Bruno Armirail wurde überraschend Fünfter und war nur acht Sekunden langsamer als der Sieger, der für den Parcours 41:24 Minuten benötigte, was einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 50,725 km/h entsprach.

Primoz Roglic (Jumbo – Visma) startete zu langsam, drehte aber im zweiten Teil der Strecke auf und wurde Sechster (+0:17). Lennard Kämna (Bora – hansgrohe) lieferte als Zwölfter (+0:51) in einem Feld voller Top-Zeitfahrer eine überzeugende Vorstellung ab. Sein Teamkollege Aleksandr Vlasov war als Achter (+0:30) etwas besser als der Deutsche Zeitfahrmeister.

Evenepoel selbstkritisch: “Nicht gut eingeteilt“

Für Evenepoel war es bei diesem Giro der zweite Tagessieg im Kampf gegen die Uhr. Auf der 1. Etappe lief es wie geschmiert - er gewann auf den 19,6 Kilometern 22 Sekunden auf den Zweiten Filippo Ganna (Ineos Grenadiers), Thomas lag damals sogar 55 Sekunden zurück. Die 9. Etappe verlief für den Belgischen Zeitfahrmeister dagegen deutlich zäher. “Ich denke, ich habe es mir heute nicht sehr gut eingeteilt. Ich bin sehr schnell angegangen und der zweite Teil meines Zeitfahrens war ziemlich schlecht“, sagte der 23-Jährige im Ziel-Interview. Bei der ersten Zwischenzeit lag er noch elf Sekunden vorn, beim dritten Messpunkt war er sogar eine Sekunde langsamer als Thomas.

Nachdem er sich zunächst an den Pacing-Plan gehalten hatte, konnte Evenepoel ihn im zweiten Teil nicht mehr erfüllen. “Ich habe mich nicht allzu gut gefühlt“, gab er zu. In einer technischen Passage erholte er sich aber und konnte so im Finale den Spieß nochmal umdrehen. “Den Sieg zu holen, ist sehr schön. Aber es war nicht mein bestes Zeitfahren. Wir sollten jetzt einfach glücklich über den Etappensieg und das Rosa Trikot sein. Es war heute ziemlich knapp. Mit einem Vorsprung in die Berge zu gehen, ist aber eine ziemlich gute Sache“, resümierte er.

Eine komplett andere Renneinteilung hatte Roglic. Der 33-jährige Slowene hatte am ersten Messpunkt als Neunter schon 31 Sekunden Rückstand auf den Weltmeister, das Ziel erreichte er schließlich 17 Sekunden hinter dem Tagessieger auf Position sechs. “Wir sind zufrieden mit unserer Leistung. Man weiß vorher nie, wie es laufen wird. Das heutige Zeitfahren lag Primoz mehr als der Auftakt und die Witterungsbedingungen lagen ihm auch. Wir hatten eine gute Strategie, er hat im Verlauf immer mehr Zeit gut gemacht und war am Ende richtig stark“, befand Jumbos Sportlicher Leiter Marc Reef.

Ineos imponiert als Team, Vlasov und Kämna überzeugen

Ineos Grenadiers lieferte eine mannschaftlich beeindruckende Leistung ab. Neben Thomas und Geoghegan Hart überzeugte auch Thymen Arensman als Siebter. Im Klassement liegen nun fünf Ineos- Fahrer in den Top 15. Dementsprechend zufrieden war der Sportliche Leiter Matteo Tosatto: “G (Geraint Thomas) und Tao haben tolle Leistungen gezeigt. Am Ende fehlen eine, beziehungsweise zwei Sekunden zum Sieg. Natürlich ist es ärgerlich, wenn man hätte auch gewinnen können. Aber generell sieht es für uns sehr gut aus.“

Kämna kletterte durch seine Leistung vom zehnten auf den neunten Platz der Gesamtwertung. Sein Teamkollege liegt zwei Plätze vor ihm. Neben dem Deutschen Zeitfahrmeister bot auch Jasha Sütterlin (Bahrain Victorious) eine gute Vorstellung. Früh im Rennen, erzielte der Freiburger bei nasseren Bedingungen am zweiten und dritten Messpunkt sogar Bestzeiten, im Ziel lag Sütterlin zwischenzeitlich auf Platz zwei. Letztendlich landete er auf Position 20.

Im Gesamtklassement und der Nachwuchswertung holte sich Evenepoel vor dem ersten Ruhetag die Führung von Andreas Leknessund (DSM) zurück, der Rang 19 belegte. Neuer Zweiter im Kampf um das Rosa Trikot ist Thomas, der an Roglic vorbeizog und 45 Sekunden hinter dem Belgier liegt. Mit 50 Sekunden Rückstand ist Geoghegan Hart Vierter. Vlasov rückte auf Platz sieben (+1:48) vor, Kämna machte wie der Russe eine Position gut und belegt nun Rang neun (+2:37). Das Bergtrikot bleibt beim Italiener Davide Bais (Eolo - Kometa). Jonathan Milan (Bahrain Victorious) behauptete seine Führung in der Punktewertung.

So lief die 9. Etappe des Giro d’Italia:

Bei stetigem Nieselregen rollte der erste, zum erweiterten Favoritenkreis zählende Fahrer als 36. von noch 163 Giro-Startern von der Rampe. Edoardo Affini (Jumbo – Visma) erfüllte die Erwartungen und übernahm im Ziel den Platz auf dem Hot Seat vom Luxemburger Alex Kirsch (Trek – Segafredo), allerdings nur mit 25 Sekunden Vorsprung. So war es wenig überraschend, dass der starke Zeitfahrer Michael Hepburn (Jayco – AlUla) den Italiener kurz danach an der Spitze ablöste. Der Australier war vier Sekunden schneller als Affini.

Sütterlin erzielte am 2. und 3. Zwischenpunkt die jeweils beste Zeit, im Ziel war er aber drei Sekunden langsamer als Hepburn, der im Schlussteil mächtig aufgedreht hatte. Dagegen enttäuschte der zweimalige Zeitfahrweltmeister Rohan Dennis (Jumbo – Visma) als zwischenzeitlicher Fünfter. Im Tagesklassement wurde es letztlich nur Rang 32. Bauke Mollema (Trek – Segafredo) war der Erste, der Hepburns starkes Finale kontern konnte. Der Niederländische Zeitfahrmeister war 14 Sekunden schneller und konnte sich auch mit einer Sekunden gegen den stark aufkommenden Brandon McNulty (UAE Team Emirates) behaupten.

Als das Groupama-FDJ-Duo Bruno Armirail und Küng im Regen direkt nacheinander ins Ziel rauschte, war Mollemas Platz an der Sonne Geschichte. Der Französische Zeitfahrmeister Armirail nahm dem Niederländer nahm gleich 51 Sekunden ab. Küng, der zwischenzeitlich hinter seinem Teamkollegen lag, unterbot dessen Bestzeit um vier Sekunden.

Das Profil der 9. Etappe des Giro d‘Italia | Foto: Veranstalter

Arensman kam dem Groupama-Duo bei allen Zwischenzeiten sehr nahe, im Ziel musste der Niederländer sich aber doch als zwischenzeitlicher Dritter deutlich geschlagen geben – es reichte dann aber doch zu Rang sieben, eine Position vor dem überzeugenden Vlasov, der an diesem Tag bester Bora-Profi und 21 Sekunden schneller unterwegs war als Kämna.

Arensmann war aber nur drittbester Ineos-Profis an diesem verregneten Tag. Geoghegan Hart und Thomas waren ebenfalls direkt hintereinander gestartet und verbesserten im Gleichschritt alle Zwischenzeiten. Im Ziel war Geoghegan Hart zwei Sekunden schneller als Küng. Drei Minuten später verbesserte Thomas die Zeit seines Landsmanns um eine Sekunde.

Die Zwischenzeiten und Tendenzen von der Strecke ließen darauf schließen, dass es für den Ineos-Routinier zum Tagessieg reichen könnte, denn der extrem schnell gestartete Evenepoel verlor an den Messpunkten zwei und drei Zeit nicht nur auf die Ineos-Fahrer. An der letzten Zwischenzeit lag der Belgier sogar eine Sekunde hinter Thomas. Im letzten Abschnitt aber drehte Evenepoel nochmal auf und gewann mit einer Sekunde.

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