CL-Kontrahenten zu riskant unterwegs

Reinhardt: “Als würden keine Regeln mehr gelten“

Von Peter Maurer

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Theo Reinhardt | Foto: UCI Track Champions League

29.10.2023  |  (rsn) – Groß war Theo Reinhardts Vorfreude auf den Stopp der UCI Track Champions League im heimischen Berlin. Nach den Plätzen neun und zwölf in den beiden Ausdauerrennen überwog aber der Frust, vor allem über die sehr aggressive Fahrweise der Kontrahenten beim Scratch und im Ausscheidungsrennen.

"Einmal fährt mich einer aus den Pedalen, dann knallt mir der nächste ins Hinterrad und dann legt sich noch einer auf mich. Das ist einfach zu viel", erzählte der Lokalmatador nach den Rennen im Berliner Velodrom. Zu gerne hätte sich der Madison-Europameister seinen Fans präsentiert, am Ende überwog aber doch die Vorsicht, zumal Reinhardt schon beim Auftakt in Palma de Mallorca vor einer Woche Bodenkontakt mit der Holzbahn hatte.

In einen Massensturz im Scratch involviert, kam er dort mit einigen Schrammen und einem zerbrochenen Rahmen noch relativ glimpflich davon, verzichtete aber dann auf das Ausscheidungsrennen. Nach vier der zehn Rennen liegt er mit zehn Punkten auf dem 17. und damit vorletzten Platz der Gesamtwertung.

"Es fehlt noch die Frische, aber ich merke, dass schon was da ist im Körper", antwortete Reinhardt auf die Frage zu seiner Physis. Besonders im Hinblick auf die nun begonnene Olympiasaison wollte er bei der Champions League aber nicht alles in die Waagschale werfen: "Ich will mir nicht das Leben nehmen."

"... dann drehen halt alle durch und fahren risikofreudiger"

Die kurzen Rennen der Serie, das Scratch-Rennen ist im Vergleich zu internationalen Wettbewerben nur halb so lang, würden viele der Fahrer zu riskanten Manövern einladen. "Die Champions League bedeutet für die jungen Fahrer die Welt. Da steht ein riesiger Pokal im Infield der Bahn und dann drehen halt alle durch und fahren risikofreudiger", so der Routinier, der das Fair-Play untereinander vermisst.

"Klar wurde sich früher auch draufgelegt auf den anderen bei knappen Situationen. Aber da wusste noch jeder, wenn er es sein lassen muss. Heute wird das bis zum Sturz praktiziert und wenn keiner passiert, dann nur aus Glück", zeigte sich der mehrfache Welt- und Europameister erbost. Zurückziehen, so Reinhardt, tue kein anderer Fahrer mehr freiwillig.

"Es wirkt so, als würden keine Regeln mehr gelten. Im Scratch wird eine Welle nach der anderen gefahren, auch im Madison fährt man durch die Wechsel. Das ist gefährlich, denn je mehr die Schiedsrichter dem stattgeben und nicht eingreifen, desto höher steigt das Risiko an", richtete der Berliner einen Appell an die Offiziellen.

Denn schlussendlich solle der Beste gewinnen und nicht der mit den besten Ellbogentaktiken. Viele unfaire Aktionen würden aber auch dem Auge der Schiedsrichter verborgen bleiben. "Das siehst du einfach nicht vom Infield aus, sondern nur im Feld. Es gibt zwar bei der Champions League Gelbe und Rote Karten, aber es wird halt nichts bestraft. Es gehört mehr durchgegriffen", forderte Reinhardt.

Olympia im Fokus

Schließlich will der Deutsche verletzungsfrei durch den Saisonauftakt kommen. Nach der Champions League folgen schon die ersten Sixdays, dann ein Trainingsblock mit dem Nationalteam und schon im Januar stehen die Europameisterschaften an. Dort geht er mit Roger Kluge als Titelverteidiger in das Madison, wobei Medaillen und Ergebnisse nicht im Vordergrund stehen. Denn die Topform soll dann im August bei den Olympischen Spielen in Paris erreicht werden.

"Die Zeit bis dorthin vergeht schnell, deshalb sah ich die Champions League als guten Zeitpunkt für den Einstieg in die Bahnsaison", so Reinhardt, der erstmals an der von dem Radsportweltverband UCI veranstalteten Serie teilnimmt. Dabei kommen die kurzen und intensiven Rennen dem Ausdauerspezialisten, der im Madison zu den besten der Welt gehört, gar nicht sonderlich entgegen – genau deshalb hat er sich aber für die Teilnahme entschieden.

"Die Rennen sind extrem auf das TV ausgerichtet und die Organisation versucht alles, um den Namen gerecht zu werden", befand Reinhardt nach den ersten beiden Stopps, bei denen er, mit der Ausnahme Berlin, auf sich allein gestellt ist: "Aber ich bin schon in der Lage, die Gänge selbst umzubauen in der Pause. Deshalb ist der Mechaniker Luxus."

Trotzdem vermisst er bei der Rennserie die Unterstützung der nationalen Verbände. "Immerhin sammeln wir hier auch UCI-Punkte", so Reinhardt. Diese werden dann benötigt, geht es um Startplätze im Weltcup oder bei Weltmeisterschaften. "Die Verbände sind vielleicht nicht so gut aufgestellt und wissen, dass wir hier eine Reisekostenpauschale bekommen. Sie denken vielleicht, dass damit schon alles abgegolten wäre", erzählte der 33-Jährige.

Bei der Champions League dürfen die Athleten auch drei individuelle Sponsoren mitbringen, was jedoch kein leichtes Unterfangen ist, angesichts der Kurzfristigkeit. "Als ich Bescheid bekam, dass ich fahren kann, waren es noch zweieinhalb Wochen bis zum Auftakt in Mallorca. Das ist fast unmöglich, da Partner zu generieren", meinte er abschließend.

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