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05.01.2024 | (rsn) – Auf Gran Canaria ist Stefan Küng ins neue Jahr gestartet. Der 30-Jährige verbringt, bevor in der kommenden Woche die Teampräsentation von Groupama – FDJ für die neue Saison ansteht, noch etwas Zeit mit der Familie in der Sonne – und fährt dabei viel bergauf. "Ich fahre im Training viel lieber Berge als flach. Da ist Gran Canaria perfekt", sagte er radsport-news.com am Mittwochabend. Vielleicht erklärt sich so auch, dass der großgewachsene Schweizer in den Saisons 2022 und 2023 in beeindruckender Manier der Schwerkraft zu trotzen begonnen hat und sich von kürzeren Anstiegen kaum mehr abschrecken lässt.
"Ich habe mittlerweile ein sehr großes Selbstvertrauen und weiß, dass ich's kann. Gerade bei diesen Anstiegen: Früher war ich immer in der Defensive und habe geschaut, dass ich nicht abgehängt werde. Jetzt sehe ich es eher als eine Chance, das Rennen schwer zu machen und es zu meinen Vorteilen zu nutzen", sagte er mit Blick auf die Hellinge in Flandern und ähnliches Terrain.
"Ich bin im Training schon immer berghoch gefahren, aber jetzt setzen wir das auch im Rennen um und ich setze mir da weniger Limits. Früher dachte ich, das ist nicht möglich, und jetzt schickt mich auch das Team zur Algarve-Rundfahrt, um dort auf GC zu fahren." ___STEADY_PAYWALL___
Bei der Volta ao Algarve, hier am Alto de Fóia auf der 2. Etappe, wurde Stefan Küng 2023 Gesamtfünfter. | Foto: Cor Vos
An der Algarve wird Küng auch 2024 wieder in seine Saison starten, nachdem er dort 2023 einen sehr starken Start hinlegte: als Fünfter im Gesamtklassement und Sieger des Einzelzeitfahrens. Im Rückblick bezeichnete er das gegenüber radsport-news.com bereits als eines seiner Highlights der Saison – gemeinsam mit dem Zeitfahren bei der Tour de Suisse.
Insgesamt aber, und das dürfte etwas überraschen, war Küng jedoch nicht begeistert ob seiner Saison 2023. "Solide, aber nicht herausragend", bilanzierte der 30-Jährige und erklärte: "Es war insgesamt ein bisschen eine Achterbahnfahrt, diese Saison."
Nach dem starken Auftakt an der Algarve fuhr er eine starke Klassikerkampagne mit Platz sechs beim E3 Saxo Classic und der Flandern-Rundfahrt sowie Rang fünf bei Paris-Roubaix. "Das war schon relativ gut, oder? Aber man will immer, dass es vorwärts geht. Und wenn ich sehe, wo ich im Jahr zuvor war, dann messe ich mich an diesen Ansprüchen", meinte er. 2022 hatte Küng beim E3 Saxo Classic und in Roubaix zweimal als Dritter das Podium erreicht und war bei der Ronde Fünfter sowie bei Dwars door Vlaanderen Sechster und dem Amstel Gold Race Achter.
Stefan Küng am Paterberg auf dem Weg zu Platz 6 bei der Flandern-Rundfahrt. | Foto: Cor Vos
Das oder mehr würde er nun auch 2024 gerne wieder erreichen. "Der Fokus liegt erstmal ganz klar bei den Klassikern", blickte er auf die neue Saison voraus. "Das Ziel ist schon immer noch, da auch mal einen abzuschießen. Da bin ich sehr motiviert und ich denke wir sind auch als Team nochmal stärker als zuletzt."
2023 pausierte Küng nach den Frühjahrsklassikern nur kurz und fuhr dann die erste Woche des Giro d'Italia, um dort die beiden Zeitfahren zu attackieren. Er wurde Fünfter zum Auftakt in Ortona und Vierter im zweiten Zeitfahren auf der 9. Etappe in Cesena – ordentlich, aber eben keine Siege. Einen solchen gab es dann am 11. Juni zum Auftakt der Tour de Suisse in Einsiedeln wieder, beim Heimspiel ein echtes Highlight. Doch damit begann die oben bereits angesprochene Achterbahnfahrt erst so richtig.
Denn auf das emotionale Hoch mit dem Heimsieg folgte der schwerstmögliche Tiefschlag auf Etappe 5, wo Küng nur wenige Minuten nach Gino Mäder den Albulapass herunterfuhr und auch an der Unfallstelle seines Landsmanns vorbeikam, der dort sein Leben ließ. "Der Tod von Gino war der absolute Tiefpunkt des Jahres", so Küng. "Das hat mich schon sehr aus der Spur geworfen. Ich war danach zwei Wochen komplett von der Rolle. Und dann ging es zur Tour. Da war ich die ersten zehn Tage gar nicht richtig mit dem Kopf im Rennen, sondern bin einfach irgendwie mitgefahren."
Eine echte Rolle spielte er bei der Frankreich-Rundfahrt auch in der zweiten Rennhälfte nicht mehr, obwohl die Form eigentlich gut war. Das jedenfalls bewies er zwei Wochen nach Tour-Ende mit Platz fünf im brutal intensiven WM-Straßenrennen von Glasgow – und auch mit seinem Anteil am Weltmeistertitel der Schweiz in der Mixed Staffel. Es war das nächste sportliche Hoch, doch nur drei Tage danach folgte sportlich die herbste Enttäuschung des Jahres: Im WM-Einzelzeitfahren wurde Küng nur Zwölfter.
"Wenn man sieht, wo ich in den letzten Jahren war, war das Ziel, um den Titel oder die Medaillen mitzufahren. Aber da war ich an diesem Tag ziemlich weit von weg. Am Ende ist es schwierig zu sagen, an was es genau gelegen hat, ich denke es ist eine Summierung von vielen kleinen Dingen", so Küng nun. "Meine Leistung war nicht megaschlecht, aber wenn Dir drei Prozent fehlen, wirst Du halt Zwölfter."
Stefan Küng (links) auf dem Weg zu Staffel-Gold in Glasgow am Hinterrad von Mauro Schmid. | Foto: Cor Vos
Diese drei Prozent waren einerseits sicher auch ein Resultat der schweren Wochen nach Tod von Gino Mäder, andererseits vielleicht aber auch im Teil das Ergebnis einer Saison-Umstellung. Dass Küng im Mai neun Giro-Etappen bestritt, anstatt nach den Klassikern ganz neu aufzubauen, könnte ihn etwas Fundament gekostet haben, überlegte er. Das und das Tief im Juni, "das merkt man dann natürlich: Die Konstanz, die ich sonst habe, war nicht da. Dann hast Du einen guten Tag und dann wieder einen schlechten. Bei der WM war das ja so: Straßenrennen gut, Teamzeitfahren top und beim Einzelzeitfahren flop", so Küng.
Umso wichtiger sei es für ihn gewesen, dass im Einzelzeitfahren bei den Europameisterschaften im September im niederländischen Drenthe die Leistungskurve wieder steil nach oben zeigte. Bis er knapp zwei Kilometer vor Schluss mit gesenktem Kopf in ein Absperrgitter fuhr und schwer stürzte, war Küng dort klar auf Medaillenkurs – der Einzige, der in der Region von Sieger Joshua Tarling unterwegs war. Doch auch da war sie wieder, die Achterbahn: eine starke Leistung einerseits, aber das Saisonende mit stark blutenden Wunden im Gesicht und zwei gebrochenen Mittelhandknochen auf der anderen Seite.
Den Sturz hat Küng gemeinsam mit den beteiligten Personen von Swiss Cycling noch einmal ausgiebig analysiert und auch Schlüsse gezogen. In erster Linie aber sehe er den Radsport-Weltverband UCI in der Pflicht, daraus zu lernen und für sicherere Rahmenbedingungen zu sorgen – Streckenmarkierungen am Boden oder auch Sitzpositions-Restriktionen seien aus seiner Sicht vorstellbar, erklärte er radsport-news.com.
Schwer gezeichnet: Stefan Küng erreicht das Ziel des EM-Zeitfahrens von Drenthe. | Foto: Cor Vos
2024 nun will Küng nach dem ersten Ziel bei den Klassikern noch zwei Groß-Events als Saison-Höhepunkte angehen: die Olympischen Spiele in Paris und die Weltmeisterschaften in Zürich – und beides sowohl auf dem Zeitfahrrad, als auch auf dem Straßenrad. "Ich denke beide Kurse sind relativ schwer, aber nicht zu schwer für mich. Wenn ich einen guten Tag habe, kann ich da jeweils um die vordersten Plätze mitfighten", meinte er mit Blick auf die Straßenrennen von Paris und Zürich.
Seine Vorbereitung soll jeweils sehr gezielt ablaufen, erklärte Küng. "Wir haben dieses Jahr gesehen, dass ich am besten bin, wenn ich wirklich eine solide Vorbereitung über eine längere Zeit machen kann. Deshalb ist es das Ziel, diesmal eine längere Rennpause zu haben – sei es nach den Klassikern oder auch nach Olympia", sagte er, ohne schon ganz konkret auf die Rennplanung ab Mitte April eingehen zu können. "Ich werde weniger Rennen fahre, als in anderen Jahren, aber dafür will ich dann bei den Highlights voll auf den Punkt da sein."
Die Vorbereitung auf die Frühjahrsklassiker jedenfalls, hat nahezu planmäßig funktioniert – trotz des schweren Sturzes in Drenthe. Ende Oktober, Anfang November stieg Küng nach überstandener Operation an der Hand wieder ins Training ein.
"Am längsten behindert hat mich die Hand, die wegen der zwei gebrochenen Mittelhandknochen operiert werden musste. Das habe ich schon noch ein bisschen gespürt, aber jetzt geht es eigentlich schon relativ gut. Mitte Januar testen wir das nochmal auf dem Pflaster, aber ich denke das sollte gehen", meinte er. "Klar war die Saisonpause nicht so gut wie unverletzt, aber ich konnte trotzdem recht normal wieder ins Training starten und hatte auch direkt Grünes Licht vom Chirurgen, auf dem normalen Rad anzufangen."
Bis Mitte Februar die Algarve-Rundfahrt wieder seinen Saisoneinstieg darstellt, wird Küng also sehr lang trainiert und eine gute Grundlage gelegt haben. Dazu wird Ende Januar auch noch ein dreiwöchiges Höhentrainingslager am Teide auf Teneriffa gehören, der anderen bei den Radsportlern sehr beliebten Kanaren-Insel, westlich von Gran Canaria.
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