RSNplusLust an der Perfektion, Frust wegen des Aufwands

Aldag: “Beim Zeitfahren muss einfach alles passen“

Von Tom Mustroph aus Nizza

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Bob Jungels (Red Bull - Bora - hansgrohe) im ersten Zeitfahren der Tour de France | Foto: Cor Vos

20.07.2024  |  (rsn) - Rolf Aldag fasziniert am Zeitfahren der immerwährende Kampf um Perfektion. Ralph Denk wäre ein Zeitfahren um Nizza herum lieber, weil das eine organisatorische Stressschicht weniger für die Teams bedeuten würde. Doch obwohl Red Bull – Bora – hansgrohe keine großen sportlichen Ziele mehr bei der Abschlussetappe dieser Tour hat, wird dennoch das ganze aufwändige Programm durchgezogen.

Der 55-jährige Aldag, Head of Performance bei Red Bull – Bora – hansgrohe, mag Zeitfahren. Das merkt man schon daran, wie er darüber spricht. “Beim Zeitfahren muss einfach alles passen. Bei den anderen Etappen auf der Straße ruft man zur Not das Begleitauto und macht seinen Sattel ein bisschen rauf oder runter. Aber im Zeitfahren funktioniert das nicht. Da muss von Anfang an alles perfekt sein“, erzählte er RSN.

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Jai Hindley (Red Bull – Bora – hansgrohe) belegte im ersten Tour-Zeitfahren Rang 28. | Foto: Cor Vos

Und das betrifft nicht nur die Räder. Die sind natürlich schnell, sind gewichtsoptimiert. Jedes Gramm, das nicht funktional ist, wird erst im Designprogramm und später am echten Rad getilgt. Parallel dazu wird das ganze Mensch-Maschine-System auf die beste Balance zwischen geringstem Luftwiderstand und maximaler Arbeitsleistung an der Pedale hin ausgerichtet. All das passiert in den Monaten und Wochen vor den Rennen. Aber auch am Renntag selbst muss alles passen.

Alle Puzzleteile müssen zueinander passen

“Die Perfektion gilt ja auch für andere Bereiche. Sie fängt schon Stunden vorher an, bevor du auf die Rampe gehst“, betonte Aldag und konkretisierte: “Du musst dir vor dem Rennen zum richtigen Zeitpunkt das beste Futter zuführen, um die optimale Energie zu haben. Du musst das richtige Warm Up gemacht haben. Und dir muss das Pacing klar sein“, sagte Aldag.

Passt nur ein einziges dieser Puzzleteile nicht, stimmt die gesamte Leistung nicht. “Für die Zuschauer ist Zeitfahren vielleicht sogar etwas langweilig anzuschauen. Für uns aber ist vor allem dieses Zusammenfügen von Details super spannend. Denn das schnellste Fahrrad wird dir nicht helfen, wenn du ein Warm Up komplett versaust. Das beste Warm Up und das beste Fahrrad werden dir nicht helfen, wenn das Pacing komplett daneben ist“, erklärte Aldag.

Gegen Zeitfahrweltmeister Remco Evenepoel (Soudal – Quick-Step) wird der Australier auch im abschließenden Kampf gegen die Uhr nichts zu bestellen haben. | Foto: Cor Vos

Für viele Fahrer, auch für den Gesamtführenden Tadej Pogacar (UAE Team Emirates), ist zudem Stretching immer wichtiger geworden – um es dem Körper leichter zu machen, in der höchst unbequemen Zeitfahrposition mehr als eine halbe Stunde eine optimale Leistung abliefern zu können. Einfach mal raufsetzen aufs Rad, die Rampe runterrollen und dann treten – das war einmal. Jetzt sind ganze Abteilungen involviert, von Ingenieuren und Mechanikern über Ernährungsberater und Trainer bis zu Medizinern und Physiotherapeuten.

Auch Team-Manager Denk findet Zeitfahren reizvoll. “Es ist schon etwas, was zum Sport dazugehört. Wir wollen ja auch innovativ sein. Und die Fahrradindustrie sorgt für immer neue Details. Ich glaube auch, für die Fans ist es sehr attraktiv, wenn da immer neue Spezialmaschinen herauskommen“, sagte er.

Mit dem Zeitfahren zwischen Monaco und Nizza ist er aber nicht so recht glücklich. “Das ist ein irrer Aufwand für uns Teams. Wir brauchen zum Beispiel zwei Busse, einen in Monaco und den anderen in Nizza. Klar hört es sich schön an, ein Zeitfahren von Monaco nach Nizza zu machen. Aber den ganzen Aufwand muss man vorher planen. Und dann wollen wir als Sport immer nachhaltiger, immer grüner werden. Vielleicht hätte es auch ein Zeitfahren von Nizza nach Nizza getan. Dann hätten wir uns einen Bus schon einmal gespart. Mehr Startgeld gibt es ja auch nicht, wenn man von Monaco nach Nizza fährt“, meinte Denk.

Red-Bull-Team-Manager Ralph Denk kritisiert den großen logistischen Aufwand für das Zeitfahren von Monaco nach Nizza und | Foto: Cor Vos

Er regte sogar an, Zeitfahren nicht mehr von A nach B, sondern rings um einen Ort zu organisieren. Ein guter Gedanke, auch für den ganzen Medientross wäre der Aufwand geringer und eine Menge Kohlendioxid würde nicht in die Atmosphäre geblasen.

Am einmal gefassten logistischen Plan für das finale Zeitfahren der 111. Tour de France hält Denk aber fest. “Jetzt machen wir mal keinen Hehl draus, dass das Zeitfahren am Sonntag für uns jetzt nicht mega wichtig ist. Trotzdem belassen wir es bei dem Aufwand. Die Zeitfahrräder kommen hierher, ein zweiter Bus kommt hierher“, kündigte der Raublinger an.

Jetzt alles zu ändern würde schließlich auch Unruhe ins ganze Vorbereitungsprogramm bringen. Zeitfahren aber, dass wird erneut klar, werden schon vorentschieden, bevor der Mann an der Startrampe die letzten zehn Sekunden herunterzählt.

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