RSNplusPro-Teams 2025: Lotto

Auch mit kleinerem Kader vor einer weiteren Wundersaison?

Von Tom Mustroph

Foto zu dem Text "Auch mit kleinerem Kader vor einer weiteren Wundersaison?"
Das Team Lotto will auch in der Saison 2025 große Erfolge feiern. | Foto: Cor Vos

30.01.2025  |  (rsn) - Das belgische Team Lotto, seit dieser Saison ohne den bisherigen Co-Sponsor Dstny, ist so etwas wie der Effektivitätsweltmeister im Straßenradsport. Mit einem Etat unterhalb von 20 Millionen Euro – “näher an den 15 Millionen als an den 20“, so Team-Manager Stéphane Heulot – holte der Zweitdivisionär im letzten Jahr 25 Siege. Heraus stachen dabei Victor Campenaerts‘ Triumph auf der 18. Etappe der Tour de France und Lennert Van Eetvelts Gesamtsieg bei der UAE Tour. Aber auch Sprinter Arnaud De Lie und Puncheur Maxim Van Gils steuerten gewichtige Siege bei, Van Gils etwa bei Eschborn – Frankfurt.

All diese bemerkenswerten Erfolge bedeuteten auch – zum zweiten Mal hintereinander– einen Platz unter den Top 10 im Teamranking der UCI-Weltrangliste. “Wir haben in den letzten beiden Jahren mehr Punkte geholt als wir erwarten konnten. Im kommenden Jahr wollen wir, obwohl wir auf dem Papier schwächer sind, diese Position behaupten. Unsere feste Absicht ist es, 2026 in die World Tour zurückzukommen“, gab Heulot gegenüber belgischen Medien als Devise aus.

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Das klingt nach den Erfolgen der letzten zwei Jahre machbar. Allerdings stehen der Absprung von Co-Sponsor Dstny aufgrund interner Querelen mit dem Partner Lotto, die mit dem geringeren Budget verbundene Reduzierung des Kaders von 28 auf nur noch 25 Fahrer und der Weggang von Siegfahrern wie Van Gils und Campenaerts solchen großen Zielen entgegen. Lotto braucht 2025 eine weitere Wundersaison.

Nach dem Abstieg schaffte Lotto den Turnaround

Immerhin lässt sich konstatieren: Der bel Traditionsrennstall, 1985 vom späteren Team-Telekom-Boss Walter Godefroot und dem in diesem Jahr in den Ruhestand gewechselten Ober-Wolf von Soudal - Quick-Step, Patrick Lefevere, aus der Taufe gehoben, hat nach dem demütigenden Abstieg aus der World Tour den Turnaround geschafft.

Ursache dafür ist die Konzentration auf Eigengewächse. Bis auf Routinier Campenaerts stammen die wichtigsten Punktebringer der letzten Saison allesamt dem eigenen Nachwuchs. Das macht die sportliche Leitung stolz. Die bemerkenswerte Aufbauarbeit ist aber auch ein Fluch. “Die Hälfte unserer Talente haben wir in den letzten drei Jahren verloren“, klagte der Sportliche Leiter Nikolas Maes. Tim Wellens wechselte im Winter 2022 zu UAE Emirates, Florian Vermeersch ging in diesem Winter den gleichen Weg. Van Gils heuerte bei Red Bull – Bora – hansgrohe an, Harm Vanhoucke zog es, als er von den Sparmaßnahmen erfuhr, zum Schweizer Rennstall Q36.5.

Die frei gewordenen Plätze nahmen gleich vier Fahrer aus dem eigenen Nachwuchsteam ein. Hinzu kommen drei weitere junge Burschen: Baptiste Veistroffer vom Decathlon-Farmteam, Lars Craps, der nach seiner Zeit im Devo-Team von Soudal – Quick- Step ein Jahr bei Flanders Baloise verbrachte sowie der auch erst 23jährige Reuben Thompson (von Groupama - FDJ). “Wir müssen jetzt sehen, wie sie sich entwickeln werden und dann auch hoffen, sie halten zu können“, gab Maes als Parole aus.

Dass das ein realistischer Wunsch ist, glaubt der belgische Ex-Profi wahrscheinlich selbst nicht. Deshalb fordern sowohl er wie auch sein Chef Heulot eine Ausbildungsabgabe der reicheren Teams. Zuletzt appellierten sie im Falle von Van Gils Wechsel zu Red Bull an die UCI, in dieser Sache tätig zu werden.

Der Belgische Meister Arnaud De Lie soll seinen Teil zu einer weiteren erfolgreichen Saison von Lotto beitragen. | Foto: Cor Vos

Große Verantwortung fürs Punktesammeln kommt in diesem Jahr dem talentierten Duo Van Eetvelt und De Lie zu. Letzterer rechnet sich vor allem bei Gent – Wevelgem und Omloop Het Nieuwsblad Siegchanchen aus. “Ich will dort um den Sieg mitfahren. Besonders Omloop liegt mir am Herzen. Es ist das belgische Rennen schlechthin, mit einer ganz speziellen Atmosphäre. Da im belgischen Meistertrikot zu gewinnen, wäre sehr besonders“, meinte der aktuelle Belgische Meister. “Und wenn ich dann Dritter oder Vierter werde, ist das auch nicht schlimm. Das wichtige ist: Ich habe um den Sieg gekämpft. Es ist doch so: Ich muss nicht gewinnen. ‘Müssen‘ ist ohnehin kein schönes Wort. Ich will es, das kommt von tief innen. Und das macht den Unterschied aus“, stellte er seine Entwicklung in Sachen Eigenmotivation heraus. Allerdings ist der Saisoneinstieg des 22-Jährigen aufgrund seiner Knieverletzung durch einen Sturz beim Training verschoben. Zum openingsweekend aber will er fit sein.

Selbstbewusstsein strahlt auch der zweite verbliebene Spitzenmann aus der eigenen Jugend aus. Van Eetvelt, nur ein Jahr älter als De Lie, fasst ganz tapfer die Titelverteidigung bei der UAE Tour ins Auge – ungeachtet der Teilnahme von Tadej Pogacar beim UAE Team Emirates - XRG. Gespannt sein darf man auch auf die gelegentlichen Auftritte des viel gepriesenen Rundfahrtjuwels Jarno Widar. Der Sieger des Giro NextGen ist zwar noch beim Development-Team angestellt, wird an einzelnen Renntagen aber hochgezogen in den Männerbereich.

“Wir wollen vor allem bei Eintagesrennen punkten, auch bei den kleineren, um die World Tour-Lizenz zu sichern. Deshalb lassen wir auch erneut den Giro aus“, erläuterte Heulot die Strategie für die entscheidende Saison in Sachen Lizenzen. Seine Aufgabe ist es nun, einen zweiten Hauptsponsor an Bord zu holen, um perspektivisch ein World Tour-fähiges Budget auf die Beine zu stellen. Gelingt das, wird man zum Thema Ausbildungsabgabe wahrscheinlich auch nicht mehr so viel von ihm hören.

Der Top-Transfer: Reuben Thompson

So richtig top ist bei den sieben jungen Neuzugängen niemand. Natürlich, alle haben Talent. Besonders vom endschnellen Trio Steffen De Schuyteneer, Robin Orins und Joshua Giddings erwartet der Sportliche Leiter Maes eine schnelle Akklimatisierung im Männerbereich: “Sie alle können, natürlich mit einigen Einschränkungen, recht bald gute Rollen in unserem Team einnehmen.“ Van Eetvelt hält allerdings besonders große Stücke auf Reuben Thompson. “Von ihm kann ich ziemlich viel Hilfe bekommen, meinte der Belgier über den gleichaltrigen Neuseeländer.

Thompson hat schon vier Jahre im Universum von Groupama - FDJ hinter sich, je zwei davon im Nachwuchs- und im Männerbereich. Nach beachtlichen Auftritten in der U23, unter anderem Gesamtsieg beim Giro Ciclistico della Valle d’Aosta – Montblanc, verflachte seine Entwicklungskurve aber. “Ich habe einige Fehler in den letzten beiden Jahren gemacht“, meinte er selbstkritisch.

Heulot ging bei der Verpflichtung des früheren Triathleten davon aus, dass das Talent noch nicht ganz verschüttet ist. “Er ist noch jung, hat viel Entwicklungspotenzial und er passt in unsere langfristige Strategie, starke Fahrer auf verschiedenen Gebieten zu haben“, ließ sich Heulot in einer Presseaussendung seines Teams zitieren.

Thompson selbst sieht sich vor allem als Berghelfer. “Ich konzentriere mich dabei auf die längeren Anstiege, das sind auch die, die mir bisher am besten liegen“, sagte er selbst. Mal sehen, wie er im Schatten von Van Eetvelt gedeiht und wozu die beiden sich treiben können.

Der Neuseeländer Reuben Thompson ist der prominenteste Neuzugang für 2025 | Foto: Cor Vos

Im Fokus: Lennert Van Eetvelt

Der Belgier startete furios in die letzte Saison, seine erst zweite als Profi. Mit dem Solosieg auf der letzten Etappe der UAE Tour schnappte er Männern wie Ben O’Connor, Pello Bilbao und dem Evenepoel-Berghelfer Ilan Van Wilder noch den Gesamtsieg weg. Dem ließ er einen guten 11. Rang auf den Schotterstraßen der Strade Bianche folgen, als Helfer übrigens für den aufs Podium gelandeten Van Gils.

Danach warfen ihn Knieprobleme zurück. Immerhin konnte er zum Saisonende noch einen Podiumsplatz bei der ultraharten Clasica San Sebastian verbuchen, hielt in der ersten Vuelta-Woche bei den Bergsprints mit Primoz Roglic gut mit und sicherte sich mit dem Gesamtsieg der Gree-Tour of Guangxi einen großen Schub Selbstvertrauen für die Folgesaison.

“Ich werde bei der UAE Tour starten. Da wird es sicher nicht einfach, vielleicht sogar unmöglich, meinen Titel zu verteidigen. Aber ich bin bereit für Tadej Pogacar“, kündigte Van Eetvelt an. Danach will er ein gemischtes Programm zwischen Etappenrennen wie der Katalonien-Rundfahrt und Klassikern wie Strade Bianche und Flandern-Rundfahrt in Angriff nehmen. „Viele Klassementfahrer brillieren bei der Flandern-Rundfahrt. Wenn man ein Top-Fahrer für die Grand Tours werden will, muss man auch hier gut sein, zumal immer öfter Kopfsteinpflasterabschnitte in den Parcours aufgenommen werden“, erläuterte er seine Herangehensweise.

Van Eetvelt will auf Pogacars Niveau kommen

Van Eetvelt sah auch keine Konkurrenzprobleme mit De Lie in Flandern. “Wir ergänzen uns. Er kann länger warten, während ich früher im Rennen Akzente setzen muss. Davon kann er wiederum profitieren“, blickte er auf das Frühjahr voraus. Im Sommer und Spätsommer stehen dann Tour und Vuelta an. In Frankreich will er auf Etappensiege gehen, in Spanien unter die Top 10 kommen. “Für dieses Ziel arbeite ich jetzt auch verstärkt an meinen Zeitfahrqualitäten. In der Jugend war ich da ganz gut, habe das zuletzt aber zugunsten des Bergtrainings etwas vernachlässigt“, sagte Van Eetvelt.

Die ganz großen Karriereziele hat er auch noch nicht aus den Augen verloren: Van Eetvelt glaubt weiter ans Gelbe Trikot bei der Tour de France. “Ich habe den Vorteil, drei Jahre jünger zu sein als Pogacar, und ich hoffe, dass er nicht bis 35 durchzieht. Natürlich ist er stark, kann ein, zwei Jahre lang immer noch besser werden, aber danach wird das nicht mehr so einfach für ihn sein. Ich hoffe, dass ich ein ähnliches Niveau in Zukunft erreichen kann“, lehnte er sich im Gespräch mit der Wielerrevue sehr weit aus dem Fenster.

Das zeigt aber auch: Lottos junge Garde kann nicht nur Rad fahren. Auch die individuellen Ziele sind groß genug, um eine weitere Wundersaison möglich zu machen.

Selbstbewusst: Lennert Van Eetvelt will in die riesigen Fußstapfen von Tadej Pogacar treten. | Foto: Cor Vos

Das Aufgebot:
Jenno Berckmoes (Belgien / 23), Cedric Beulens (Belgien / 27), Lars Craps (Belgien / 23), Logan Currie (Neuseeland / 23), Jasper De Buyst (Belgien / 31), Arnaud De Lie (Belgien / 22), Steffen De Schuyteneer (Belgien / 19), Jarrad Drizners (Australien / 25), Joshua Giddings (Großbritannien / 21), Jonas Gregaard (Dänemark / 28), Sebastien Grignard (Belgien / 25), Arjen Livyns (Belgien / 30), Milan Menten (Belgien / 28), Robin Orins (Belgien / 22), Alec Segaert (Belgien / 22), Eduardo Sepulveda (Argentinien / 33), Liam Slock (Belgien / 24), Lionel Taminiaux (Belgien / 28), Reuben Thompson (Neuseeland), Jarne Van De Paar (Belgien / 24), Lorenz Van de Wynkele (Belgien / 23), Lennert Van Eetvelt (Belgien / 23), Brent Van De Moer (Belgien / 27), Henri Vandenabeele (Belgien / 24), Baptiste Veistroffer (Frankreich / 24)

Davon Neuzugänge:

Lars Craps (Team Flanders – Baloise), Steffen De Schuyteneer, Joshua Giddings, Robin Orins (alle Lotto Dstny Development Team) Reuben Thompson (Groupama-FDJ), Lorenz Van de Wynkele (Lotto Dstny Development Team), Baptiste Veistroffer (Decathlon AG2R La Mondiale Development Team)

Teamleitung:
Manager: Stéphane Heulot
Sportdirektor: Kurt Van de Wouwer
Sportliche Leiter: Dirk Demol, Marc Wauters, Mario Aerts, Nikolas Maes, Tony Gallopin

Material:
Rahmenhersteller: Orbea
Gruppe: Shimano
Laufräder: Oquo
Reifen: Vittoria
Trikot: Vermarc
Helm: EKOI

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