Rebellin, der stille Sieger – auch in Frankfurt?

30.04.2004  |  Tre- bellin! Italien vergleicht Davide Rebellin nach seinen drei Siegen beim Amstel Gold Race, dem Flèche Wallonne und Lüttich-Bastogne-Lüttich schon mit Formel-1-Weltmeister Michael Schumacher. Als erster Radrennfahrer überhaupt konnte der Kapitän des Team Gerolsteiner die drei Ardennen-Klassiker in Folge gewinnen. Gelingt ihm heute bei „Rund um den Henninger Turm“ auch die Titelverteidigung?

Trotz 38 Erfolgen in großen Rennen weiß kaum jemand etwas über den 32-Jährigen. Radsport aktiv stellt vor: Davide Rebellin, der stille Sieger!

Er habe sich mit dem Sieg in Lüttich einen Traum erfüllt gab er nachher zum Besten. Auf markige und großspurige Worte des 1,71 Meter großen Italieners aus San Bonifacio wartete man vergeblich – die sind nicht sein Ding. Vielmehr schickte er ein Lob für seine Teamkameraden und die Mannschaft als Ganzes hinterher. Denn Gerolsteiner habe auch in schlechten Zeiten zu ihm gestanden und "mir meine Freiheit gelassen. Das ist nicht selbstverständlich." Er fühle sich in der Equipe um Teamchef Hans-Michael Holczer einfach sehr wohl.

Es war bei der Tour de Suisse 2001, als sich Holczer und seine damaligen Sportlichen Leiter Rolf Gölz und Christian Henn nach einem Spitzenfahrer für das Team Gerolsteiner umschauten. Lange war das Duo nicht auf der Suche. "Rebellin passte genau in unser Konzept", erkannte man damals schnell. Und auch die neue finanzielle Dimension – mit dem Italiener verpflichtete Gerolsteiner einen Weltklasse-Fahrer – meisterten der Herrenberger und der Sponsor. Ab der Saison 2002 hieß der Kapitän der Mineralwasser-Equipe Davide Rebellin.

Doch die neue Partnerschaft startete mit Problemen. "Davide wollte es damals besonders gut machen", erinnert sich Holczer. Mit einer radikalen Diät versuchte der zierliche Italiener seinen Formaufbau zu forcieren. Ein Trugschluss. Die Spitzenresultate blieben aus. "Er hatte sich damals den ganzen Stoffwechsel versaut. Seine gesamte Darm-Flora war dahin", berichtet sein Teamchef von den medizinischen Ergebnissen der Spezialisten. "Er konnte damals eigentlich gar nicht Radfahren." Rebellin, der im Alter von zehn Jahren von seinem Radsport begeisterten Vater erstmals auf eine Rennmaschine gesetzt wurde, tat es trotzdem. Auch aus Dank dafür, dass Gerolsteiner ihm weiter das Vertrauen schenkte und ihm die Zeit gab, sich zu regenerieren. Mit Erfolg: schon 2002 beendete er die Saison als Weltranglisten neunter.

"Danach ging es aufwärts", sagt sein Teamchef heute. 2003 sei er zwar nicht der Rebellin des Jahres 2001 gewesen. Aber die Resultate stellten sich wieder ein – wie beim Rennen "Rund um den Henninger Turm", bei dem der Wahl-Monegasse (er lebt in Fontvielle) den wichtigsten Saisonsieg der Gerolsteiner einfuhr. Und was Rebellin, seit 1992 Profi, im Frühjahr dieses Jahres folgen ließ, kann ohne Übertreibung als historisch bezeichnet werden. "Er hat eigentlich nicht viel anders gemacht als die Jahre zuvor", gesteht Holczer. Nur dieses Jahr blieb sein Schützling gesund. Ein entscheidender Faktor. Schon bei Paris - Nizza habe er daher zu seinem Teamchef gesagt: "Die alte Kraft ist zurück." Und das bekam die Konkurrenz des Gerolsteiners zuletzt deutlich zu spüren. Rebellin erhöhte sein Kontingent auf insgesamt vier Weltcup-Erfolge, nachdem er bereits 1997 im Trikot der französischen Mannschaft La Francaise des Jeux bei der Classica San Sebastian und der Meisterschaft von Zürich gewonnen hatte. "Das war wohl damals eine Trotzreaktion", erzählt Holczer. Während der Tour de France 1997 hatte es Dissonanzen mit der Teamleitung der französischen Equipe gegeben, die den Vertrag mit dem Italiener kündigen wollte.

Eine Wiederholung dieser Erfolge ist nun nicht mehr ganz auszuschließen. Denn nach seinen Siegen beim Amstel Gold Race und in Lüttich führt Rebellin im Gesamt-Weltcup, der jetzt ein wichtiges Ziel des 32-Jährigen ist. "Der Fokus ist zwar unverändert, aber die Voraussetzungen für einen Gesamtsieg sind deutlich besser", sagt sein Teamchef. Schließlich kommen vier der fünf verbleibenden Weltcup-Rennen dem Gerolsteiner-Kapitän ("Ich habe mich im Sprint verbessert, am Berg bin ich nicht ganz so stark wie früher") entgegen – in San Sebastian und Zürich hat er bereits gewonnen, in Hamburg war er 2003 Zweiter und auch bei der Lombardei-Rundfahrt (Zweiter 2002) mischte er stets vorne mit. Überdies hat der Italiener goldene Ziele: Vor allem bei der Weltmeisterschaft in Verona, das rund 15 Kilometer westlich von seinem Heimatort San Bonifacio liegt. Aber auch bei den Olympischen Spielen in Athen könnte Rebellin, der am 9. August 33 Jahre alte wird, seinem früheren Spitznamen alle Ehre machen. Wegen seines rasanten Aufstiegs war er einst als "Goldjunge" tituliert worden.

Sorgen, dass sich die Wege von Rebellin und Gerolsteiner vorschnell trennen, braucht sich dagegen keiner zu machen. Bis mindestens 2005 steht der Italiener noch bei der Mineralwasser-Equipe unter Vertrag. Fortsetzung erwünscht. "Er hat den Rennstall gefunden, den er gesucht hat. Wir den Fahrer, den wir gesucht haben. Und ich werde alles dafür tun, dass Davide seine Karriere auch bei Gerolsteiner beendet", erklärt Holczer. Rebellin Frau Selina - sie kümmert sich um das Management ihres Mannes – weiß jedenfalls, was sie und Davide am Team aus der Eifel haben. "Sie hat sich nach Davides Erfolg in Lüttich sehr emotional bei mir bedankt", erzählt sein Teamchef von einem Telefongespräch.

Doch was ist Davide Rebellin überhaupt für ein Mensch? "Er ist sehr häuslich, zurückhaltend", charakterisiert Holczer seinen besten Fahrer. Er trinke keinen Alkohol, nippe nach Siegen allerhöchstens mal am Glas. "Ein Modell-Asket", wie er im Buche steht, "und das schon seit er auf höchstem Niveau Rad fährt. Ein echter Voll-Profi eben", so Holczer. Mittlerweile könne Rebellin auch mit der Öffentlichkeit besser umgehen – aber stets in seiner ruhigen Art. Er ergänze sich dadurch bestens mit seiner Frau Selina (Holczer: "Ein Energiebündel"). Die Juristin hatte er übrigens durch einen Brief kennen gelernt. "Vor Jahren schrieb mir ein Fan einen Brief, der nichts mit dem Radsport zutun hatte. Heute ist dieser Fan meine Frau", wird der 32-Jährige zitiert.

Zusammen mit Selina unterstützt der Gerolsteiner-Kapitän ein Kinderhilfsprojekt in Bolivien. In einem Krankenhaus der Organisation Braccia Aperte (was soviel heißt wie "offene Arme") wird Kindern geholfen, die mit einem genetischen Defekt beider Elternteile behindert auf die Welt gekommen sind und ohne Hilfe sterben müssten. "Die Rebellins" unterstützen die Braccia Aperte seit Anfang 2003, nachdem sie in einem Zeitungsartikel auf das Schicksal der kleinen Kinder aufmerksam wurden und auf einem Weihnachtsmarkt in Verona auf einen Stand gestoßen waren, wo selbstgemachtes Spielzeug der Kinder verkauft wurde.

Rebellins ehemaliger Teamchef Giancarlo Ferretti hatte im Sommer 1997 einmal gesagt: "Davide ist ehrlich und überhaupt kein Egoist – doch leider sind alle großen Champions Egoisten." Von Starallüren ist der Gerolsteiner-Kapitän, jedoch weit entfernt. Der rote "Kapitänssattel" auf Rebellins Rennmaschinen, und bei Fahrten zum Start eines Rennens der Stammplatz auf dem Beifahrersitz des Wohnmobils sind so ziemlich die einzigen äußeren Kennzeichnen von Rebellins Führungsrolle im Team Gerolsteiner. Sein heutiger Teamchef Hans-Michael Holczer meint dazu nur: "Ferretti hat sich im Falle von Rebellin ganz klar geirrt. Davide hat eben auf seine Art Erfolge und ist auf seine Weise ein Champion." Ein stiller Champion eben und daher umso sympathischer.

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