Heikos Tour

Auch schlaue Füchse machen Fehler

Von Heiko Salzwedel

04.07.2005  |  Das war heute ein typische Sprintetappe. CSC und die Teams der Sprinter hatten die Situation immer unter Kontrolle, so dass am Ende die schnellen Männer den Sieg unter sich ausmachen konnten. In der Spitzengruppe, die sich lange Zeit vor dem jagenden Feld behaupten konnte, war auch Laszlo Bodrogi vertreten, der mich schon gestern beim Einzelzeitfahren mit seinem fünften Platz überzeugt hatte. Heute fuhr der Ungar sogar einige Zeit im virtuellen Gelben Trikot und sammelte unterwegs zudem fleißig Sprintpunkte. Aggressivität und Aktivität zeichnen Bodrogi bei dieser Tour aus. Und beinahe wäre er dafür auch belohnt worden. Ein Ungar im Gelben Trikot: Das hätte in Bodrogis Heimatland sicher eine Welle der Radsportbegeisterung ausgelöst.

Der Zieleinlauf hat mich an die deutschen Meisterschaften erinnert. Die Geschwindigkeit, mit der dieser Sprint angefahren wurde, schien mir ähnlich niedrig wie vor einer Woche in Mannheim zu sein – sehr ungewöhnlich für eine Tour de France-Etappe. Aber diesmal ließen sich die Favoriten nicht von einem Außenseiter überraschen: Mit Tom Boonen siegte ein Favorit in ziemlich überzeugender Manier. Robbie McEwen, der sein grünes Trikot aus dem Vorjahr verteidigen will, beraubte sich selber aller Chancen, weil er zu zeitig den Sprint angezogen hatte. Normalerweise passiert einem ausgefuchsten und nervenstarken Fahrer wie McEwen so etwas nicht. Offenbar war er zu ungeduldig, vielleicht hat ihn auch das niedrige Tempo irritiert. Gegen den vorbeifliegenden Boonen jedenfalls hatte Robbie keine Chance.

Keinen Reim konnte ich mir auf das Verhalten von Fdjeux machen. Das französische Team zeigte sich zwar aktiv bei der Verfolgungsarbeit, aber im Finale war von den beiden schnellen Leuten Baden Cooke und Bernhard Eisel nichts zu sehen. Hat sich da jemand verkalkuliert?

Nachdem T-Mobile aus bekannten Gründen bei den Sprintankünften diesmal keine Rolle spielt, ruhen die deutschen Hoffnungen auf Team Gerolsteiner und Robert Förster. Ronnie Scholz und Paco Wrolich verrichteten ihren Job als Anfahrer zwar ausgezeichnet, aber ein Sturz im Feld verhinderte, dass Förster am Hinterrad seines letzten Anfahrers Wrolich dranbleiben konnte. Andernfalls wäre für den Gerolsteiner-Sprinter ein Platz auf dem Podium drin gewesen.

Dieser Sturz hätte Lance Armstrong wertvolle Sekunden kosten können. Meiner Meinung nach hat Lance heute einen Fehler begangen, weil er sich in der entscheidenden Phase nicht weit genug vorne aufhielt. Als es dann zum Crash kam – wobei man bei einer Sprintetappe immer rechnen muss -, befand er sich unter den Fahrern, die mit einigen Sekunden Abstand ins Ziel kamen. Glück für den Champion: Er wurde von der Tour-Organisation noch als zeitgleich gewertet, weil der Sturz innerhalb der letzten 3.000 Meter passierte.

Da war Jan Ullrichs Verhalten schon klüger. Nach seinem bösen Sturz und der Demütigung im Einzelzeitfahren zeigte der T-Mobile-Kapitän heute Kampfgeist und taktisches Geschick. Er fuhr – geleitet von seinem Adjutanten Andreas Klöden – beim Sprint weit vorne mit und vermied so jedes unnötige Risiko. Das sah alles gut aus. Ich hoffe, dass Jan sich von seinem Schock erholt hat und mit voller Konzentration die nächsten Etappen angehen kann. Ich rechne weiterhin mit ihm. Wer Ullrich aber jetzt schon abschreibt, tut dies vorschnell.

Zur Person

Heiko Salzwedel ist einer der erfolgreichsten deutschen Radsporttrainer. Er führte im Jahr 1989 als Nationaltrainer der DDR-Bahnradfahrer den Vierer zu WM-Gold. Nach der Auflösung der DDR wurde er australischer Nationaltrainer und betreute Fahrer wie Robbie McEwen, Henk Vogels, Mathew White, Patrick Jonker und Kathy Watt. In seiner Profi-Mannschaft ZVVZ-GIANT-A.I.S. begannen Sportler wie Jens Voigt, Tomas Konecny, Jan Hruska, Nick Gates oder die beiden älteren Brüder von Michael Rogers (Deane und Peter) ihre erfolgreiche internationale Karriere.

Weitere Stationen des 48 jährigen Globetrotters aus dem thüringischen Schmalkalden waren das Amt des Leistungssportreferent beim Bund Deutscher Radfahrer, Teammanager im Britischen Radsportverband sowie Chef-Trainer der deutschen Frauen-Profimannschaft Equipe Nürnberger. Derzeit ist Salzwedel für die Nachwuchsförderung bei T-Mobile zuständig und Nationaltrainer der dänischen Bahn-Radsportler.

Heiko Salzwedel im Internet: http://www.sl-sports.com

Mehr Informationen zu diesem Thema

19.08.2005Holczer: "Jan Ullrich bleibt der Top-Favorit"

(sid) - Nach dem Doppelsieg seiner Schützlinge auf der Königsetappe der Deutschland-Tour ist Gerolsteiner-Teamchef Michael Holczer euphorisiert. Dennoch bleibt für ihn T-Mobile-Profi Ja

25.07.2005Tour de Lance – der Champion tritt ab!

Der letzte Auftritt Lance Armstrongs auf der Bühne der Tour de France war zugleich sein beeindruckendster. Ich habe an anderer Stelle schon geschrieben, dass ich Lance noch nie so stark und überlege

24.07.2005Rabobank blamiert sich

So etwas habe ich noch nie gesehen: Der Drittplatzierte der Gesamtwertung im wichtigsten Radrennen der Saison wird von seinem Team im Stich gelassen. Was Mickael Rasmussen, dem tapferen Dänen, am Sam

22.07.2005T-Mobile schlägt zurück!

Die gestrige Etappe war ein Krimi vom Anfang bis zum Ende. Schon bevor sich die zehnköpfige Spitzengruppe schließlich bilden konnte, hatten zahlreiche Profis versucht, sich aus dem Hauptfeld abzuset

21.07.2005Discovery Channel ist noch nicht satt

Die längste Etappe endete mit dem längsten Schlussspurt. Es war ein regelrechter Ausdauersprint, der vom Giro-Sieger Paolo Savoldelli gegen den Norweger Kurt-Arsle Arvesen souverän gewonnen wurde.

20.07.2005Evans packt bei Abfahrten der Horror

Erneut trübte eine schreckliche Tragödie die Vorfreude auf eine Tour-Etappe. War es vor zwei Wochen der Terroranschlag in London, so ist es diesmal die Nachricht vom tödlichen Trainingsunfall in T

18.07.2005Doppelte Dramatik und ein souveräner Herrscher

Die Dramatik der gestrigen Etappe resultierte aus der Konstellation. Vorne wurde um den Tagessieg gefightet, in der Verfolgergruppe um den Gesamtsieg. Und die Gruppe mit den Sprintern fuhr ihr eigenes

17.07.2005Totschnig siegt mit Ansage

In der Woche noch wäre Georg Totschnig am liebsten aus der Tour ausgestiegen, weil nichts lief. Nur den aufmunternden Worten seiner Familie und seines Teamchefs Hans Michael Holczer war es zu verdank

16.07.2005Davitamon opfert sich für McEwen auf

Ich hatte für gestern zwar einen Sieg von Robbie McEwen erwartet, aber nachdem ich am Start der Etappe noch mit ihm gesprochen hatte, war meine Zuversicht etwas ins Wanken geraten. Robbie schien ein

15.07.2005Wer attackiert Armstrong?

Zunächst: Ehre, wem Ehre gebührt. Die Franzosen feuerten gestern pünktlich zum Nationalfeiertag ihren ersten Etappensieg bei dieser Tour. Drei französische Teams hatten Fahrer in der Ausreißergru

14.07.2005T-Mobile gibt nicht auf!

Aufatmen bei T-Mobile: Das Team lässt sich nicht unterkriegen. Winokurows Gipfelsturm gestern war ein ganz besonderes Husarenstück. Auch im Sprint hat Wino seine Form bestätigt und Botero keine Ch

13.07.2005Same procedure as every year

Die gestrige Etappe hat bei mir vor allem Ernüchterung hinterlassen. Lance Armstrong hat wieder einmal bewiesen, dass er der stärkste Fahrer im Feld ist. Er ist ein Rennfahrer wie von einem anderen

Weitere Radsportnachrichten

25.12.2024Kräftezehrendes Jahr mit zwei Grand Tours

(rsn) – Die Ambitionen von Felix Gall (Decathlon – AG2R La Mondiale) waren vor dem Jahr 2024 berechtigter Weise groß. Denn der Österreicher konnte auf eine erfolgreichste Saison zurückblicken,

25.12.2024Alles offen nach einer erfolgreichen Saison

(rsn) - Das Resümee ihrer ersten vollständigen Profi-Saison dürfte durchweg positiv für die Schweizerin Elena Hartmann vom Team Roland ausgefallen sein. Erst vor zwei Jahren gelang der inzwischen

25.12.2024Traum erfüllt und doch unzufrieden

(rsn) – Es gibt durchaus einfachere Aufgaben als die Saison 2024 von Pascal Ackermann zu bewerten. Auch er selbst ist da ein wenig zwiegespalten. Schließlich hat er es mit dreißigeinhalb Jahren en

25.12.2024Meistertitel das Highlight im insgesamt bislang besten Jahr

(rsn) - Die abgelaufene Saison wird Franziska Koch vom Team dsm-firmenich - PostNL wohl noch länger in Erinnerung bleiben - war es doch mit Abstand ihre erfolgreichste, seit sie im Jahr 2019 beim Tea

25.12.2024Auch Colombo und vier Kollegen verlassen Q36.5

(rsn) - In unserem ständig aktualisierten Transferticker informieren wir Sie regelmäßig über Personalien aus der Welt des Radsports. Ob es sich um Teamwechsel, Vertragsverlängerungen oder Rücktr

25.12.2024Im Überblick: Die Transfers der Männer-Profiteams für 2025

(rsn) – Nachdem zahlreiche Transfergerüchte seit Monaten in der Radsportwelt zirkulieren, dürfen die Profimannschaften seit dem 1. August ihre Zu- und Abgänge offiziell bekanntgeben. Radsport

25.12.2024Die Radsport-News-Jahresrangliste der Frauen 2024

(rsn) - Wie bei den Männern so blicken wir traditionell am Jahresende auch auf die Saison der Frauen zurück und stellen die besten 15 Fahrerinnen unserer Jahresrangliste vor. Wir haben alle UCI-Ren

25.12.2024Die Radsport-News-Jahresrangliste der Männer 2024

(rsn) - Auch diesmal starten wir am 1. November mit unserer Jahresrangliste. Wir haben alle UCI-Rennen der vergangenen zwölf Monate (1. November 2023 bis 31. Oktober 2024) ausgewertet - nach unserem

24.12.2024Der größte Sieg war jener über Long-Covid

(rsn) – Es war eine Saison voller Höhen und Tiefen für Marlen Reusser (SD Worx – Protime), wobei vor allem in der zweiten Saisonhälfte die Tiefe übernahm – und zwar komplett. Denn die Schwe

24.12.2024Top-Sprinter mit starkem Sinn für Realismus

(rsn) - Mit zwei Siegen und insgesamt 21 Top-Ten-Resultaten bei UCI-Rennen zeigte Phil Bauhaus (Bahrain Victorious) auch 2024, dass er zu den schnellsten Männern im Feld zählt. Mit seiner Saison w

24.12.2024Mit 36 Jahren noch immer einer der Besten

(rsn) – Seit vielen Jahren gehört Riccardo Zoidl (Felt – Felbermayr) zu den absolut besten Fahrern Österreichs. 2013 erlebte er seinen absoluten Durchbruch, wo er sich mit zahlreichen Rundfahrts

24.12.2024Hamilton bricht sich das Schlüsselbein bei Trainings-Crash

(rsn) – Chris Hamilton, Tim Naberman und Oscar Onley sind am letzten Tag des Dezember-Trainingslagers des Teams dsm-firmenich – PostNL, das ab Januar Picnic – PostNL heißen wird, gestürzt. Wä

RADRENNEN HEUTE
  • Keine Termine