Eva Lutz: Weltcup-Tagebuch/1

Schokolade gegen Kälteschock

Von Eva Lutz

Foto zu dem Text "Schokolade gegen Kälteschock"

Eva Lutz (Equipe Nürnberger Versicherung)

Foto: ROTH

31.03.2009  |  (rsn) - Zwei wichtige Gründe, warum ich den Weltcupauftakt in Varese auf meiner Rennplanung angekreuzt habe:

1. Im letzten Jahr hat man dort allen Fahrerinnen ein halbes Kilo Lindt Schokolade in Form eines festlich verpackten Ostereis geschenkt
2. In Italien ist es warm und die Sonne scheint – und das schon im März!
Das mit der leckeren Schokolade ist dann auch so eingetreten, aber das Wetter…

Dem verregneten Samstag verdanken wir die sommerliche Temperatur von 6°C am Sonntagmittag. In unserem Teambus suchen wir ein trockenes Plätzchen und die richtigen Rennklamotten zusammen. Jede hat so ihre Taktik gegen Wasser und Kälte. Die einen ziehen dünne Gummihandschuhe über die Finger, die anderen machen sie lieber über die Schuhe – ich entscheide mich für einen Schokoriegel! Dazu schiebe ich die CD von unserer Physio Sabrina Sonnenschein ins Radio. Der Bacardi Song! Wir drehen auf, reißen die Türen auf und tanzen auf den Sitzen, mittlerweile kann sogar unsere Holländerin Suzanne de Goede schon mitsingen. JoDo (unser Sportlicher Leiter Jochen Dornbusch) läuft lachend an uns vorbei. „Hilfe! Meine Mädels sind verrückt geworden…“. Worauf Trixi Worrack nur meint: „Hoffentlich können wir nach dem Rennen auch noch tanzen!“

Im ganzen Rennen habe ich einen Ohrwurm. Vor Kälte zitternd suche ich meinen Weg durchs Feld und summe vor mich hin - „come on over have some fun, dancing in the morning sun …“ Dabei habe ich Probleme nach dem Anstieg das große Blatt wieder aufzulegen. Mit der rechten Hand fasse ich über den Lenker und ziehe am linken Schalthebel. Nach ein paar Versuchen klappt das auch ganz gut!

Essen nicht vergessen! Das kann heute entscheidend sein. Ich taste nach meinem Gel, aber der linke Arm gehorcht mir nicht mehr. Mit Händen und Füßen kriege ich dann irgendwie den Inhalt in meinen Mund.

Am vorletzten Berg entscheidet sich das Rennen. Marianne Voß und Emma Johannson passieren die Kuppe gefolgt von Kristin Armstrong und … mir. Mit dem restlichen Fahrerfeld lasse ich auch meinen Ohrwurm zurück. Die letzten 25 Kilometer überrede ich meine Beine noch etwas durchzuhalten. Den Anschluss an die Spitze können wir nicht mehr schaffen, aber das Podium ist in greifbarer Nähe. Der letzte Kreisel, noch 250 Meter ansteigende Zielgerade.

Ich trete an. Nach 100 Metern wollen meine Beine den Geist aufgeben. Gegen ihren Willen überzeuge ich sie noch ein paar Runden zu drehen. Links von mir taucht was Rotes auf. Nur noch ein paar Meter! Auf der Ziellinie schiebt Armstrong ihr Vorderrad an meinem vorbei…

Am Bus muss Sabrina uns helfen die Rennsachen auszuziehen, damit wir unsere Heimreise nach Deutschland antreten können. Da ist es wenigstens wärmer!

Nächste Woche treffen wir uns alle wieder zu einer gemeinsamen Radtour über Belgiens Hellinge und Kopfsteinpflaster: Die „Ronde van Vlaanderen“ – die berühmte Flandern-Rundfahrt steht - auf dem Rennkalender.

Denn wer von den deutschen Radsportfans das noch nicht weiß – die gibt es auch für uns Frauen! Ein absolutes Highlight. Die Zuschauer dort sind der Wahnsinn, freuen sich das ganze Jahr auf ihre „Ronde“.

Egal bei ob bei Sonne oder Kälte. Schokolade gibt es dort zwar nicht… aber fahren werde ich trotzdem…

Bis dahin, fröhliche Grüße

Die Eva

Eva Lutz (Equipe Nürnberger Versicherung) zählt zu den erfolgreichen Fahrerinnen der noch jungen Saison. Die 29-jährige Hannoveranerin feierte gleich im ersten Renneinsatz bei der Katar-Rundfahrt im Februar ihren ersten Sieg im Jahr 2009. In einem Tagebuch auf Radsport News wird Eva Lutz von ihren Einsätzen bei den Weltcup-Rennen dieser Saison berichten.

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