Marcus Burghardt im Interview

„Wir haben immer an den Tour-Sieg geglaubt“

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Marcus Burghardt und seine BMC-Teamkollegen bejubeln den Tour-Sieg von Cadel Evans. | Foto: ROTH

27.07.2011  |  (rsn) – Marcus Burghardt (BMC) war bei der 98. Tour de France einer der wichtigsten Helfer von Cadel Evans, der erstmals in seiner langen Karriere nach drei Wochen in Paris ganz oben auf dem Podium stand. Im Interview mit Radsport News erklärt der 28-jährige Burghardt, was die entscheidenden Faktoren zum Tour-Sieg waren, welchen Anteil er daran hatte und warum ihm sein Etappensieg bei der Tour 2008 mehr bedeutet.

Wie haben Sie und ihre Kollegen den Tour-Sieg gefeiert?
Burghardt: Das Team hatte direkt auf den Champs-Elysees eine „Location“ angemietet. Da gab’s dann bis drei Uhr nachts eine Feier mit Fahrern, Familien und den Sponsoren und danach ging’s mit dem Shuttle zurück ins Hotel.

Wieviel vom Gelben Trikot gehört denn Ihnen?
Burghardt: Das ist ganz schwer zu sagen. Natürlich gehört das Trikot Cadel, wir als Team haben halt versucht, ihn so gut wie möglich zu unterstützen. Und da hatte jeder seinen Anteil dran – nicht nur die Fahrer, sondern das ganze Personal wie Mechaniker, Pfleger oder auch der Koch. Wenn der Pfleger dir abends bei der Massage nicht die Verhärtung in der Muskulatur lockert, dann hat das am nächsten Tag seine Auswirkungen. Bei dieser Tour hat alles einfach perfekt geklappt, alle haben an einem Strang gezogen und an das große Ziel Tour-Sieggeglaubt.

Cadel Evans hat Sie besonders gelobt. Haben Sie beide ein besonders enges Verhältnis zueinander?
Burghardt: Also wir fahren nicht gemeinsam in den Urlaub. Über drei Wochen hinweg beschäftigt man sich aber zwangsläufig mehr miteinander und entwickelt ein Gefühl füreinander. Man weiß, wann und wie man für den Kapitän zu fahren hat. Das ist ganz anders als etwa bei Eintagesrennen, wo man erst am Abend vor dem Rennen zusammen kommt.

Wie würden Sie Cadel Evans charakterisieren?
Burghardt: Er ist ein ganz normaler und angenehmer Mensch ohne irgendwelche Starallüren und ich finde, er kommt auch in der Öffentlichkeit super rüber. Er hat mir beispielsweise den kleinen Gelben Löwen für meine kleine Tochter geschenkt, was ich sehr rührend fand. Im Rennen ist er nicht der dominante Kapitän, er wird nicht sauer, wenn etwas nicht so klappt wie gewünscht. In den Teambesprechungen gab unser Sportlicher Leiter John Leleangue die Marschroute vor, wobei natürlich auch Cadel da auch seine Vorstellungen äußert. Er ist aber nicht der Typ, der vor dem Rennen noch lange Ansprachen hält. Dafür ist er in Sachen Material sehr akribisch und schaut ganz genau, dass da alles passt.

Was genau war Ihre Rolle bei dieser Tour de France?
Burghardt: Ich sollte Cadel vor allem auf den Klassikeretappen beschützen, ihn aus dem Wind halten und in Position fahren. Das ist alles in allem gut gelungen, etwa auf der Etappe nach Gap, wo ich Cadel im Regen durch die Stadt lotste. Solche Bedingungen und Situationen liegen mir einfach.

Was bedeutet Ihnen persönlich mehr: Ihr Tour-Etappensieg 2008 oder jetzt der Tour-Sieg von Cadel Evans, an dem Sie Ihren Anteil hatten?
Burghardt: Also mir persönlich bedeutet der Etappensieg schon mehr. Auf dem Podium zu stehen und die Hymne zu hören, das ist schon etwas ganz besonderes. Aber das Gelbe Trikot von Cadel kommt nicht weiter dahinter – als erstes Team auf die Champs-Eylsees zu rollen, dann die Siegerehrung. Ich weiß ja nicht, ob ich das noch mal erleben werde….

Kein einziger der BMC-Tour-Starter hat am Giro d’Italia teilgenommen. War das ein entscheidender Vorteil?
Burghardt: Ich denke schon. Die Teamleitung hatte das auch so geplant. Im vorläufigen Tour-Aufgebot standen 12 oder 13 Fahrer und von denen war keiner für den Giro vorgesehen. Der war in diesem Jahr besonders anstrengend und schlauchend. Danach waren ja nur ein paar Wochen zur Erholung und Vorbereitung auf die Tour. Es ist ja nicht nur der körperliche Aspekt, sondern man ist auch vom Kopf her nicht bei 100 Prozent, denke ich.

Sie hatten im Verlauf der Tour gesagt, dass es Spaß machen würde, in diesem Team zu fahren….
Burghardt: Ja, und damit meinte ich nicht nur die Rennen selber, sondern auch das Drumherum. Wir hatten eine sehr gute Mischung im Team, jeder der Fahrer spricht Englisch. Auch nach dem Abendbrot saßen wir alle noch beisammen und hatten Spaß miteinander. Und im Rennen selber war es so, dass alle ausschließlich für Cadel gefahren sind. Wir haben uns gar nicht erst mit dem Gedanken beschäftigt, in eine Gruppe zu gehen, sondern haben uns darauf konzentriert, Cadel zu schützen.

Wann hatten Sie das Gefühl, dass es mit dem Tour-Sieg klappen könnte?
Burghardt: Das war da, als es in die Alpen ging und ich merkte, dass Cadel mithalten konnte. Allerdings sah ich auf der Alpe d’Huez-Etappe das Trikot schon dahin schwinden, als Contador und Schleck am Telegraphe attackierten und Cadel nicht folgen konnte. Ich war etwa 100 Meter hinter ihm und sah nur, wie er vergeblich hinter ihnen her sprintete. Aber dann stellte sich ja schnell heraus, dass es nicht an fehlender Kraft lag, sondern dass er Defekt hatte und das Rad wechseln musste.

Sie haben sich bei der Tour voll in den Dienst von Evans gestellt. Wie lauten denn Ihre Ziele für den Rest der Saison?
Burghardt: Ich mache jetzt eine längere Rennpause und starte dann bei der Vuelta, wo ich gern eine Etappe gewinnen möchte. Mein letzter Sieg ist ja schon einige Zeit her und ich glaube, dass ich in Spanien ganz gute Chancen haben werde, weil unser Team nicht so ausschließlich auf einen Kapitän ausgerichtet sein wird. Und im Herbst ist noch die WM ein großes Ziel.


Mit Marcus Burghardt sprach Matthias Seng.

 

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