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20.09.2011 | (rsn) – Marcel Kittel (Skil-Shimano) hat in seiner ersten Profisaison bereits 14 Siege eingefahren und wurde dafür mit der Berufung in das deutsche WM-Aufgebot belohnt. Im Interview mit Radsport News äußert sich der 23 Jahre alte Erfurter zu seinen Erwartungen, den Chancen der deutschen Mannschaft und zu den Besonderheiten einer Weltmeisterschaft.
Wie schätzen Sie Ihre Chancen ein, am Sonntag im WM-Straßenrennen zu starten?
Kittel: Ich habe das Ticket schon in der Tasche, also fliege ich morgen von Berlin nach Kopenhagen. Dort werde ich die Mannschaft sehen und dann geht es los mit der endgültigen Vorbereitung.
Wie sieht die konkret aus?
Kittel: Das weiß ich noch nicht so genau. Ich habe natürlich für mich einen Plan, was ich gerne machen möchte. Das muss man ja auch ein bisschen mit den Anderen abstimmen, aber es wird es nicht immer ganz einheitlich sein, da jeder von uns auch aus einer anderen Rennplanung bzw. Trainingsplanung kommt. Ich bin mir aber sicher, dass wir zusammen auch den Sprint trainieren und die Strecke abfahren werden. Wir werden versuchen, uns als Mannschaft zu finden und auch den Großteil der Radausfahrten zusammen machen. Wenn noch jemand Sprints machen möchte oder Motortraining oder etwas anderes, dann macht er das natürlich auch. Ich denke aber, wir werden schon die meiste Zeit als Gruppe trainieren.
Bei André Greipel hat man während der Tour de France gesehen, dass ihm ein eingespielter Sprintzug gefehlt hat. Dabei war er von der Endgeschwindigkeit her mindestens genauso stark wie Cavendish. Wird das deutsche Team das noch mal speziell trainieren?
Kittel: Definitiv, ich denke darauf wird es am Ende auch ankommen. Jeder muss das Vertrauen in den Anderen gewinnen und auch sehen, wie der fährt und sich verhält auf dem Rad. Es ist zwar schwer, in einer Woche den perfekten Sprintzug aufzubauen, weil das auch eine Sache der Praxis ist, die man im Rennen geübt haben muss. Trotzdem haben alle in der Mannschaft viel Erfahrung für einen Sprintzug, daher mache ich mir da keine allzu großen Gedanken. Das wird schon klappen.
Sie sind unglaublich erfolgreich in Ihrer ersten Profisaison und haben vergangenen Freitag sogar gegen den deutschen WM-Kapitän André Greipel gewonnen. Da wurden gleich schon wieder Stimmen laut, ob Sie sich in Kopenhagen mit der Helferrolle zufrieden geben werden?
Kittel: Das wichtigste für mich ist, dass die Mannschaft zusammen zu 100 Prozent funktioniert. Ich denke, das ist der Schlüssel zum Erfolg. Wenn André in Topform ist, gibt es für mich da auch keine Diskussion, dann fahren wir für ihn, das ist vollkommen in Ordnung. Allerdings ist auch sehr wichtig für mich, dass er ehrlich ist: Wenn er z.B. einen schwarzen Tag hat – das kann jedem passieren - sollte er das auch realistisch einschätzen und den anderen Fahrern die Chance geben. John Degenkolb, Danilo Hondo oder auch ich sind starke Fahrer, die, wenn sie einen guten Tag haben, im Finale auch etwas ausrichten könnten.
Das Rennen am Sonntag geht über fast 270 Kilometer. Wie groß ist Ihr Respekt davor?
Kittel: Ich bin diese Distanz in diesem Jahr schon einmal gefahren, bei Paris-Roubaix. Allerdings kann man das wohl nicht vergleichen. Die Distanz ist ungefähr die gleiche, aber die Strecke ist ja komplett anders. Ich habe da schon großen Respekt vor. Es ist das erste Mal, dass ich ein Straßenrennen bei einer WM fahre und die hat ja immer ein bisschen ihre eigenen Gesetze. Daher bedeutet Kopenhagen für mich auch ein Stück weit Erfahrungen sammeln.
Wie Sie schon sagten: Die WM hat ihre eigenen Gesetzte. Das ist ja im Grunde ja eine Floskel. Können Sie beschreiben, was Sie sich darunter vorstellen?
Kittel: Bei der WM geht es um den Weltmeistertitel, der wird einmal im Jahr vergeben. Als Gewinner darf man ein Jahr lang im Regenbogentrikot starten und das ist natürlich eine ganz große Ehre und eine tolle Sache für jeden Radrennfahrer. Genau deswegen ist es für jeden Fahrer ein ganz großes Ziel, das er einmal in seinem Leben erreichen will. Es ist natürlich so, dass alle Mannschaften darauf lauern, denn für die Italiener, die Belgier, die Franzosen, also die großen Radsportländer, ist es ganz besonders wichtig, dass sie den Weltmeistertitel irgendwann mal wieder in ihren Reihen haben. Keiner lässt sich in die Karten schauen und es wird viel taktiert. Am Ende muss man auch das Quäntchen Glück haben, um in der richtigen Gruppe dabei zu sein - oder einfach zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein und ein gutes Ergebnis einzufahren.
Im ersten Profijahr im WM-Kader dabei zu sein, ist doch auch schon eine besondere Ehre, oder?
Kittel: Natürlich! Ich freue mich sehr, dass ich schon in Kopenhagen in den Nationalfarben starten kann, das ist für mich eine super Sache.
Die Saison war für Sie lang und kräftezehrend – wie ist Ihre derzeitige Verfassung?
Kittel: Ja, die Saison war schon lang. Allerdings habe ich immer wieder Pausen dazwischen gemacht, also wirklich auch einmal eine ganze Woche nichts gemacht oder nur ganz wenig. So konnte ich ein bisschen Kraft tanken. Ich bin auch mal fünf Wochen nur zum Training weggefahren und hatte gar keine Wettkämpfe. Von daher fühle ich mich jetzt noch recht fit. Allerdings – das ist dann wieder eine andere Sache – kann man den Kopf meistens nicht so gut abstellen. Beim Körper funktioniert das, wenn man mal Pause macht, aber ich merke jetzt im Kopf, dass die Saison lang war und sehne mich schon ein bisschen nach Ruhe. Aber für die WM kann ich mich auf jeden Fall noch einmal hundertprozentig motivieren.
Was trauen Sie der deutschen Mannschaft im WM-Straßenrennen zu?
Kittel: Wenn wir uns jetzt in der einen Woche finden, gut zusammenarbeiten und auch ein bisschen Glück haben im Rennen, dann haben wir auf jeden Fall Medaillenchancen.
Wer sind Ihrer Meinung nach Eure schärfsten Konkurrenten?
Kittel: Das muss man natürlich davon abhängig machen, ob es zu einem Sprint kommt oder nicht. Wenn das Feld geschlossen ankommt und wir am Ende sprinten, ist Cavendish ein großer Konkurrent, Thor Hushovd und Tyler Farrar vielleicht auch. Wenn aber das Rennen hart gefahren wird und früh auseinander geht und am Ende eine Gruppe steht, dann tippe ich auf Philippe Gilbert. Er ist ein wahnsinnig starkes Jahr gefahren. Aber auch Edvald Boasson Hagen hätte bei einem solchen Rennverlauf gute Chancen.
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