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04.02.2012 | (rsn) – Erik Zabel ist seit Saisonbeginn Sportlicher Leiter beim russischen Katusha-Team und wird in dieser Funktion die Mannschaft bei der am Sonntag beginnenden Katar-Rundfahrt begleiten. Im Interview mit Radsport News schilderte der frühere Weltklasse-Profi, der zuletzt drei Jahre Sprint-Berater bei HTC-Highroad war, wie es zum Wechsel kam, welche Aufgaben er im Rennstall von Hans-Michael Holczer übernommen hat und was er von den jungen Sprintern im Team - unter anderem Rüdiger Selig – im ersten Renneinsatz erwartet.
Sie stehen vor Ihrem ersten Renneinsatz als Sportlicher Leiter bei Katusha. Was erwarten Sie von Ihrem Team?
Zabel: Das Team soll sich finden, durch learning by doing. Die unmittelbare Vorbereitung war sicher nicht ganz optimal, denn unsere russischen Fahrer hatten vergangene Woche mit der Team-Präsentation in der Zentrale unseres Hauptsponsors Itera in Moskau, bei dem sich auch der Firmengründer Igor Makarov viel Zeit für das Team genommen hat, einen sehr wichtigen Termin. In Russland hat es derzeit minus 20 Grad. Da war an Training nicht zu denken. Auch Rüdiger Selig hatte in Berlin alles andere als optimale Bedingungen. Wir werden also sicher nicht von Anfang an vorne mitmischen können wie etwa Boonen und Chicchi, die beide aus Argentinien von der Tour de San Luis kommen. Ich erwarte keine Wunderdinge, aber ab dem zweiten, dritten Tag sollten wir uns akklimatisiert haben.
Katusha tritt mit gleich vier Sprintern an. Wie wird die Rollenverteilung aussehen?
Zabel: Wir hoffen, dass Alexander Kristoff als Anfahrer und Denis Galimzyanov als Kapitän im Finale dabei sind, falls eine kleinere Gruppe ankommt. Ich war vor drei Jahren bei der Katar-Rundfahrt auch erstmals für das damalige HTC-Columbia-Team mit Mark Cavendish dabei gewesen und weiß, dass bei der Katar-Rundfahrt der Wind immer eine große Rolle spielt. Da muss man schauen, dass man in der entscheidenden Gruppe dabei ist, wenn es auf die Windkante geht. Sollte das Feld geschlossen ankommen und die Etappe in einem Massensprint enden, könnten auch unsere beiden Neo-Profis Rüdiger Selig und Marco Haller ins Spiel kommen.
Wie schätzen Sie die Chancen der beiden ein?
Zabel: Sie sollen so gut wie möglich im Finale präsent sein. Von Selig erwarte ich etwas mehr als von Haller, ganz einfach deshalb, weil er zwei Jahre älter ist und die U23 schon komplett durchlaufen hat. Bei Marco wollen wir ganz vorsichtig sein und ihn nicht überfordern. Deshalb ist er auch nur für die Katar-Rundfahrt vorgesehen, wogegen Rüdiger auch für die Oman-Rundfahrt eingeplant ist. Prinzipiell gilt aber, dass hier beide bei Null anfangen und in der Team-Hierarchie auf gleicher Stufe stehen.
Weshalb hat Katusha einen deutschen und einen österreichischen Neo-Profi verpflichtet?
Zabel: Hans-Michael Holczer wollte gerne einen oder zwei deutschsprachige junge Fahrer bei Katusha haben – und die beiden haben sich durch Leistung empfohlen. Ich habe auch beide bei U23-Rennen im letzten Jahr mehrfach gesehen und die Jungs haben einen guten Eindruck auf mich gemacht, zuletzt bei der Straßen-WM in Kopenhagen, wo Selig im U23-Straßenrennen Vierter vor Haller geworden ist. Zudem hat Selig ja bereits sein erstes Profi-Rennen als Stagiaire gewonnen.
HTC-Highroad war das erfolgreichste und wohl das am besten organisierte Team im Peloton. Wieviel fehlt noch bei Katusha, das in diesem Jahr völlig neu strukturiert an den Start geht?
Zabel: Bei HTC waren es drei tolle Jahre mit exzellenten Rennfahrern, mit denen wir viele Big Points gemacht haben. Auch in Rennen, bei denen nicht das Podium die Messlatte war, haben die Fahrer ihre Chancen gesucht und Erfolge eingefahren. Wenn Cavendish nicht dabei war, haben etwa Goss, Renshaw oder Degenkolb Siege gefeiert. Von der Organisation her muss sich Katusha vor keinem aktuellen Team verstecken. Wir haben zwar sicher nicht das Budget von Mannschaften wie BMC, Sky, Omega Pharma-QuickStep oder RadioShack-Nissan, aber ich denke, wir kommen gleich dahinter.
Wo sehen Sie denn die Sprinter ihrer Mannschaft denn derzeit im Vergleich zu den Top-Stars der Szene?
Zabel: Natürlich stehe ich hier erst am Beginn meiner Arbeit und ich muss vor allem den jungen Fahrern erst mal die „Basics“ beibringen. Wir haben viele Videoanalysen von letztjährigen Rennen betrieben und dabei festgestellt, dass in den Sprint-Finals Katusha oft nur in Einzelaktionen zu sehen war. Es kommt jetzt darauf an, ein Team zu formen. Letztendlich gilt aber auch hier der alte Radfahrer-Spruch: Du kannst ein Pferd zur Wasserstelle führen, trinken muss es aber allein. Ich denke, unsere Sprinter haben Riesen-Potenzial, nicht nur Galimzyanov, Kristoff, Selig und Haller, sondern auch Alexander Porsev und Vladimir Isaychev, zwei junge Russen, die noch kaum jemand kennt. Jedenfalls macht mir die Arbeit hier verdammt viel Spaß.
Ein wichtiger Faktor ist die Kommunikation. Klappt das mit der Team-Sprache Englisch?
Zabel: Alles in allem ja, wenn auch einige Fahrer teilweise noch, sagen wir, ausbaufähige Kenntnisse haben. Da ist es ist manchmal nicht ganz einfach. Aber viele leben ja in Italien und sprechen sehr ordentlich italienisch, wodurch sie sich etwa mit Valerio Piva oder mir verständigen können, wenn es drauf ankommt. Sie absolvieren aber Englisch-Sprachkurse und verbessern sich auch da. Wir müssen einfach etwas Geduld haben - Rom ist auch nicht an einem Tag erbaut worden. Und im Vergleich zu unserem ersten Team-Treffen im November haben die Jungs ganz deutliche Fortschritte gemacht.
Bei HTC-Highroad waren Sie „Sprint-Berater“, bei Katusha sind Sie ganz offiziell Sportlicher Leiter. Hat sich auch Ihr Aufgabengebiet verändert?
Zabel: In erster Linie – zu etwa 75 % - bin ich nach wie vor Berater für die Sprinter und die jungen Fahrer, der Rest sind klassische Aufgaben als Sportlicher Leiter. Ich habe im vergangenen Jahr beim BDR die Lizenz als Sportlicher Leiter erworben und das erleichtert natürlich vieles. Bei der Katar-Rundfahrt bin ich einer von zwei Sportlichen Leitern, weil wir hier ja mit vier Sprintern antreten und ich so beste Möglichkeiten habe, mit ihnen zu arbeiten. Bei den deutschen Rennen wie etwa in Köln, Frankfurt, Berlin oder in Bayern werde ich als Berater dabei sein und mir die Zwischensprints und die Finals vorher anschauen und unsere Sprinter darüber informieren.
Sie werden dann auch Ihren früheren Rivalen Oscar Freire in Sachen Sprint beraten?
Zabel: Naja, Oscar ist ein Sonderfall. Was soll ich dem noch beibringen? Aber bei Rennen wie Mailand-San Remo werde ich natürlich auch ihn mit Infos versorgen. Für ihn ist so was neu, aber er wird das gerne annehmen.
Rolf Aldag, Ihr Freund und Teamchef bei HTC-Highroad, hat sich nach der Auflösung des Rennstalls aus dem Radsport zurückgezogen. Haben Sie auch mit dem Gedanken an einen Rückzug gespielt?
Zabel: Nein, für mich ging es immer darum, weiter im Radsport zu bleiben. Ich hatte mehrere Angebote, darunter auch das von Katusha. Das hatte den Vorteil, dass ich weiter mit Canyon arbeiten konnte, für die ich in den vergangenen Jahren ja schon „Markenbotschafter“ war. Canyon hat Ende 2011 ein neues Team gesucht, nachdem es nach der Auflösung von Omega Pharma-Lotto dort nicht mehr weiterging, und hat sich schließlich mit Katusha geeinigt. Für mich war das optimal, bei HTC-Highroad sind wir ja anderes Material gefahren. Roman Arnold (Canyon-Gründer und Geschäftsführer, d. Red.) hat in dieser Zeit sehr viel Geduld mit mir beweisen, und mit dem Wechsel zu Katusha konnte ich dann zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen.
Wie lange werden Sie bei Katusha blieben?
Zabel: Ich habe einen Zweijahresvertrag unterschrieben mit einer Option. Falls Canyon länger dabei bleiben sollte, dann wohl auch Erik Zabel.
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