Das Zeitfahren wird für den Tour-Sieger zum Scharfrichter

Wiggins unter Druck – nicht nur wegen des Sturzes

Foto zu dem Text "Wiggins unter Druck – nicht nur wegen des Sturzes"
Bradley Wiggins (Sky) | Foto: ROTH

10.05.2013  |  (rsn) – So schön der Giro d'Italia für Bradley Wiggins und das Team Sky mit dem Sieg im Mannschaftszeitfahren am vergangenen Sonntag begonnen hatte, so grausam lief es für den Tour-Sieger seitdem. Der Sturz in der letzten Abfahrt der 7. Etappe nach Pescara war da nur der unrühmliche Höhepunkt. Denn der Brite hatte schon zuvor offensichtlich mehrfach Probleme, seinen großen Kontrahenten zu folgen – nicht nur an diesem verregneten Freitag.

Da hilft es auch nichts, dass Sky-Boss Dave Brailsford in Pescara erneut betonte: „Physisch ist er stark, sehr, sehr stark.“ Wiggins konnte die Angriffe von Ryder Hesjedal (Garmin-Sharp) auf dem Weg nach Marina di Ascea bereits am Montag nicht richtig kontern und verlor am Dienstag in Serra San Bruno 17 Sekunden, weil er im winkligen Finale abgehängt und nicht erst auf den letzten 3000 Metern durch einen Sturz aufgehalten wurde, wie das Team zunächst reklamierte.

Und nun in den Abruzzen musste der Brite bereits rund 20 Kilometer vor dem Ziel im vorletzten Anstieg des Tages einmal abreißen lassen, als in der Favoritengruppe die Post abging. Wiggins kam zwar rechtzeitig für die Rampe zur letzten Bergwertung wieder heran, doch auch dort konnte er nicht folgen. Als der 33-Jährige dann in der nassen und steilen Abfahrt stürzte, hatte zum Beispiel Vincenzo Nibali (Astana) bereits einige Sekunden herausgeholt, obwohl auch er bereits zuvor ein Mal zu Boden gegangen war.

Der Tag endete für Wiggins mit einem schmerzhaften Zeitverlust von 1:24 Minuten auf die anderen Favoriten. „Das ist ein Rückschlag, aber Brad ist noch nah dran. Es hätte weit schlimmer enden können“, befand Brailsford kämpferisch. „Rückschläge muss man einstecken und trotzdem Charakter zeigen. Man muss bis zum Schluss kämpfen, und das werden wir tun. Es ist noch ein weiter Weg. Es ist noch lange nicht vorbei.“

Doch Wiggins, der sich laut Brailsford bis auf eine Schnittwunde am rechten Ellbogen keine Verletzung zuzog, wirkte weit weniger optimistisch, als er nach seinem Sturz kopfschüttelnd und sehr langsam die Abfahrt hinunterrollte. Von Kampfgeist und entsprechendem Charakter war da für einige Minuten nicht viel zu sehen. Im Ziel sagte er dementsprechend kaum etwas.

„Er hat ehrlich gesagt nicht viel von sich gegeben“, erklärte Brailsford zum Befinden seines Kapitäns nach der Etappe und bemühte sich dann, gute Miene zu machen: „Aber ich denke, er ist okay. Er weiß, dass man im Radsport gute und schlechte Tage hat. Jetzt geht es darum, sich über die Nacht gut zu erholen und dann das Zeitfahren morgen so hart wie möglich zu fahren. Danach werden wir sehen, wo wir stehen und können eine Zwischenbilanz ziehen.“

Das Zeitfahren soll also zeigen, wie es um Wiggins‘ Form bestellt ist – eine gute Idee des Teams Sky, denn die Wahrscheinlichkeit scheint groß, dass sich der Kapitän in seiner Spezialdisziplin einiges von seinem Zeitverlust zurückholen kann. Er geht als klarer Favorit in den Kampf gegen die Uhr, und selbst wenn Wiggins auf den 55 Kilometern zwischen Gabicce Mare und Saltara nicht so viel Zeit herausholen sollte, wie man vor Giro-Beginn erwartet hätte, so kann Sky bei einem Sieg anschließend trotzdem noch von einem Erfolg sprechen und die bisherigen Rückschläge erst einmal vergessen machen.

Der Druck auf den auf Platz 23 der Gesamtwertung abgerutschten Wiggins ist am Samstag nun aber entsprechend groß. Denn wenn er keine Top-Leistung abruft, dann werden auch die Fragen nach dem Sinn und Unsinn der klaren Marschroute mit nur einem Kapitän im Team Sky lauter werden. Sergio Henao und vor allem Rigoberto Uran, der bisher einen fehlerfreien Giro fuhr und bis zu Wiggins' Sturz auf Rang zwei lag, mussten auf dem Weg nach Pescara auf ihren Chef warten, um ihm sowohl physisch als auch psychisch dabei zu helfen, noch einmal nach vorne zu fahren.

„Sie sind hier, um für den Kapitän zu fahren. Wenn man einen klaren Leader ausgegeben hat, dann ist das so. Und ich bin überzeugt, dass das die richtige Entscheidung ist“, verteidigte Brailsford die Taktik seiner Mannschaft. Doch wenn Wiggins tatsächlich nicht in der erhofften Top-Form ist, dann könnte sich das Team Sky auf einen Schlag um zwei weitere potenzielle Kandidaten für das Podium in Brescia gebracht haben.

Dass die Fokussierung auf einen einzigen echten Kapitän der goldene Weg ist, das muss nun Wiggins selbst beweisen. Bei der Tour im vergangenen Juli gelang ihm das, als die Öffentlichkeit dank Chris Froome ebenfalls an der Sky-Taktik zweifelte, in den langen Zeitfahren mehr als eindrucksvoll.

Weiteres Foto - mit Klick vergrößernWeiteres Foto - mit Klick vergrößernWeiteres Foto - mit Klick vergrößernWeiteres Foto - mit Klick vergrößernWeiteres Foto - mit Klick vergrößern

Mehr Informationen zu diesem Thema

01.06.2013Majka: Riis hatte Recht mit seiner Prognose

(rsn) - Als vor zwei Jahren Bjarne Riis den jungen Polen Rafal Majka unter Vertrag nahm, wurde er nicht müde, von dem bis dahin eher unbekannten Talent zu schwärmen. "Rafal hat ein riesengroßes

31.05.2013Niemiec schrieb beim Giro polnische Radsportgeschichte

(rsn) – Mit seinem sechsten Gesamtplatz beim Giro d’Italia schrieb Przemyslaw Niemiec polnische Radsportgeschichte. Der 33-jährige Edelhelfer im Dienste der italienischen Mannschaft Lampre-Merida

27.05.2013Mezgec: Degenkolbs Anfahrer nutzt seine Chance

(rsn) – Mark Cavendish (Omega Pharma-Quick-Step) war der überragende Sprinter des diesjährigen Giro d’Italia. Doch im Schatten des Seriensiegers von der Isle of Man, der alle fünf Massensprints

27.05.2013Evans: Tour-Vorbereitung auf Platz drei beendet

(rsn) – Cadel Evans (BMC) hat seiner Bilanz bei den großen Rundfahrten einen weiteren Podiumsplatz hinzugefügt. Nach seinem Sieg bei der Tour de France 2011, jeweils Rang in den Jahren 2007 und 2

27.05.2013Morabito fährt Giro mit gebrochenem Handgelenk zu Ende

(rsn) - Steve Morabito (BMC) hat sich bei einem Sturz auf der 16. Etappe des Giro d’Italia einen Knöchel im linken Handgelenk gebrochen. Trotzdem fuhr der Schweizer das Rennen zu Ende. „Ich hatte

27.05.2013Uran etabliert sich als Kapitän für die Rundfahrten

(rsn) – Auch ohne den nach der 12. Etappe mit einer Erkältung ausgestiegenen Kapitän Bradley Wiggins zählte das Sky-Team zu den Gewinnern des 96. Giro d’Italia. Zwei Etappensiege, Rang zwei im

27.05.2013Cavendish: „Schon als Kind siegeshungrig“

(rsn) – Mark Cavendish (Omega Pharma-Quick-Step) hat seiner imposanten Bilanz beim diesjährigen Giro d’Italia weitere Erfolge hinzugefügt. Der Brite gewann nicht nur fünf Etappen, sondern siche

27.05.2013Nibali siegt mit maximaler Unterstützung und minimalem Stress

(rsn) – Bei seiner fünften Giro-Teilnahme hat Vincenzo Nibali (Astana) nicht nur die riesigen Erwartungen der Tifosi erfüllt, sondern seine Tendenz der vergangenen Jahre mit dem ersten Gesamtsieg

26.05.2013Nibali kämpft sich durch Hitze, Dauerregen und Schnee

Brescia (dpa) - Vincenzo Nibali (Astana) hat sich beim 96. Giro d`Italia durch große Hitze, Dauerregen und dichtes Schneetreiben zum größten Triumph seiner Karriere gekämpft. Der 28-jährige Itali

26.05.2013Cavendish beim Giro d´Italia unschlagbar

(rsn) - Mark Cavendish (Omega Pharma - Quick-Step) hat am Schlusstag des 96. Giro d’Italia in Brescia seinen fünften Etappensieg eingefahren und sich außerdem das Rote Trikot des Punktbesten ges

26.05.2013Cavendish und Nibali triumphieren in Brescia

(rsn) – Mark Cavendish (Omega Pharma-Quick-Step) hat wie erwartet zum Abschluss des 96. Giro d’Italia nochmals zugeschlagen. Der Brite gewann die 21. und letzte Etappe über 197 Kilometern von Rie

26.05.2013Betancur holt sich mit Energieleistung das Weiße Trikot zurück

(rsn) – Vincenzo Nibali (Astana) wird voraussichtlich den 96. Giro d’Italia gewinnen – aber zu den großen Gewinnern dieser Italien-Rundfahrt zählen auch die Kolumbianer, die der Italien-Rundfa

Weitere Radsportnachrichten

04.11.2024Krankheiten und Reisestress raubten die Freude am Radsport

(rsn) – Erst zur Saison 2023 wechselte Mountainbiker Pirmin Eisenbarth auf die Straße und sorgte in Diensten des deutschen Kontinental-Teams Bike Aid mit zahlreichen Spitzenplatzierungen für Furor

04.11.2024dsm-Profi Bevin stellt sein Rad in die Ecke

(rsn) - In unserem ständig aktualisierten Transferticker informieren wir Sie regelmäßig über Personalien aus der Welt des Radsports. Ob es sich um Teamwechsel, Vertragsverlängerungen oder Rücktr

04.11.2024Van Anrooij an verengter Beckenarterie operiert

(rsn) - Shirin van Anrooij wird auf Einsätze in dieser Cross-Saison verzichten müssen. Wie die 22-jährige Niederländerin auf Instagram mitteilte, sei sie an einer verengten Beckenarterie ihres lin

04.11.2024Gemischte Gefühle nach größtem Karriereerfolg

(rsn ) – Nach zwei Jahren bei Lotto – Kern Haus wechselte Ole Theiler im vergangenen Winter zu Storck – Metropol, um sich in seinem letzten U23-Jahr als Kapitän für ein Profiteam zu empfehlen.

04.11.2024Die Radsport-News-Jahresrangliste 2024

(rsn) - Auch diesmal starten wir am 1. November mit unserer Jahresrangliste. Wir haben alle UCI-Rennen der vergangenen zwölf Monate (1. November 2023 bis 31. Oktober 2024) ausgewertet - nach unserem

04.11.2024Im Überblick: Die Transfers der Männer-Profiteams für 2025

(rsn) – Nachdem zahlreiche Transfergerüchte seit Monaten in der Radsportwelt zirkulieren, dürfen die Profimannschaften seit dem 1. August ihre Transfers offiziell bekanntgeben. Radsport-news.c

03.11.2024Ein Lernjahr mit einem großen Rückschlag

(rsn) – 2024 war ein Jahr mit Licht und Schatten für Fabian Steininger (Maloja Pushbikers). Der 24-jährige Österreicher ging in seine zweite Saison beim deutschen Kontinental-Team und fühlte si

03.11.2024Nys fliegt in Pontevedra zu seinem ersten großen Titel

(rsn) – Nach seinem schwarzen Tag in Pontchateau im letzten Jahr hat der Belgier Thibau Nys im spanischen Pontevedra zum Abschluss der Cross-Europameisterschaften seinen ersten großen Titel in der

03.11.2024Van Empel zum dritten Mal in Folge Europameisterin vor Alvarado

(rsn) – Fem van Empel heißt die alte und neue Cross-Europameisterin. Im spanischen Pontevedra schlug die Niederländerin bei sommerlichen Temperaturen im Sprintduell ihre Landsfrau Ceylin del Carme

03.11.2024Nach Haverdings Pech macht Michels die Titelverteidigung klar

(rsn) – Jente Michels ist bei der Cross-EM im spanischen Ponteverda die Titelverteidigung im U23-Rennen der Männer gelungen. Der 21-jährige Belgier setzte sich auf dem technisch anspruchsvollen un

03.11.2024Gery sprintet aus Schreibers Windschatten zur Goldmedaille

(rsn) – Mit einem cleveren Auftritt hat sich Célia Gery bei der Cross-EM im spanischen Ponteverda den Titel im Rennen der U23 Frauen gesichert. Die 18-jährige Französin verwies im Sprintduell die

03.11.2024Cross-EM: Agostinacchio bejubelt zweites Gold, Hofer Zweiter

(rsn) – Mit einem souveränen Auftritt hat sich der Italiener Mattia Agostinacchio bei der Cross-EM im spanischen Ponteverda den Titel im Rennen der Junioren gesichert. Der 17-Jährige, der bereits

RADRENNEN HEUTE
  • Keine Termine