Mein Radsport-Ereignis 2014

Andy Schleck - Rücktritt im besten Rennfahreralter

Von Sebastian Lindner

Foto zu dem Text "Andy Schleck - Rücktritt im besten Rennfahreralter"
Andy Schleck (Trek) bei der Pressekonferenz in Mondorf | Foto: Cor Vos

18.12.2014  |  (rsn) – Zum Jahresabschluss schildern die Mitglieder der Redaktion von Radsport News ihr Radsport-Ereignis 2014. Den Anfang macht Sebastian Lindner, der über den Rücktritt von Andy Schleck schreibt, für ihn „ein einschneidendes Erlebnis, das im Radsportjahr 2014 seinesgleichen suchte.“


Herausragend? Ja, schon irgendwie. Deshalb aber auch besonders toll? Absolut nicht. Die Nachricht vom Rücktritt des Andy Schleck löste zwar kein überbordendes Medienecho aus. Dazu war das Ende dann doch zu schleichend und vielleicht auch absehbar. Für Fans des Luxemburgers - wie mich - war es jedoch ein einschneidendes Erlebnis, das im Radsportjahr 2014 seinesgleichen suchte.

Am Vormittag des 9. Oktober gab Andy Schleck im heimischen Mondorf auf einer Pressekonferenz mit brüchiger Stimme und tränenden Augen unter dem Klicken zahlreicher Kameras sein Karriereende bekannt. Schweren Herzens resümierte er die Wochen und Monate nach dem Sturz auf der 3. Etappe der diesjährigen Tour. Es war eine Zeit, angefüllt mit Arztbesuchen. Das Kreuzband war durch, der Meniskus gerissen, der Knorpel im rechten Knie beschädigt. Und damit die Karriere beendet. Nach drei, vier Stunden auf dem Rad oder wenn es in die Berge ging schwoll das Knie an, begleitet von extremen Schmerzen. Mit solchen Symptomen ist an professionelles Radfahren nicht mehr zu denken.

Ein Sturz war es auch, der das Ende dieser so hoffnungsvollen Karriere von Andy Schleck einleitete. In Vorbereitung zur Tour 2012 erwischt es Andy Schleck im Zeitfahren des Critérium du Dauphiné. Damals brach er sich das Steißbein und musste auf die Große Schleife verzichten. Vermutlich ging damals bereits ein Teil seiner Moral ebenfalls in Stücke. Vorzeigbare Resultate lieferte Schleck danach jedenfalls nicht mehr.

So kam es, dass sein wahrscheinlich größter Sieg auch sein letzter war. Die Tour 2011, 18. Etappe. Sie endete so hoch wie nie ein Teilstück in der Geschichte der Frankreich-Rundfahrt: auf dem Col du Galibier. Zuvor waren noch der Col Angel und der Col du Lutaret zu überfahren, ebenfalls Berge der Ehren-Kategorie. 2:07 Minuten holte Schleck am vielleicht besten Tag seines Radfahrerlebens auf den Zweitplatzierten heraus - seinen Bruder Fränk.

Tags darauf zogen beide auch noch an Thomas Voeckler vorbei, der das Gelbe Trikot nach zehn Tagen an Andy Schleck abgeben musste. Die Gebrüder Schleck waren die beiden Besten in der Gesamtwertung der Tour. Die ganz große Nummer verhinderte dann aber Spielverderber Cadel Evans, der im abschließenden Zeitfahren noch kontern konnte und Tour-Sieger wurde. Trotzdem war es Andy Schlecks Karriere-Highlight, als Zweiter gemeinsam mit seinem Bruder Fränk in Paris auf dem Podium zu stehen.

Demnach war dieses Ergebnis wohl auch mehr wert als der Tour-Sieg im Jahr zuvor. Den errang er nämlich nachträglich am Grünen Tisch, als dem vermeintlichen Sieger Alberto Contador der Titel wegen Dopings aberkannt wurde.

Insgesamt stehen in den Palmarès von Andy Schleck nur elf Siege. Gefühlt war das irgendwie mehr. Ein ewiges Talent also? Extrem talentiert war oder ist der Mondorfer, doch vier Podiumsplätze bei Grand-Tours und ein Sieg bei Lüttich-Bastogne-Lüttich sprechen für mehr als nur Talent. Andy Schleck war unbestritten einer der besten Rundfahrer der Welt, zumindest für einige Jahre am Ende der ersten Dekade des 21. Jahrhunderts.

Und trotzdem scheint irgendetwas zu fehlen. Andy Schleck konnte die riesigen Erwartungen, die spätestens nach seinem zweiten Platz beim Giro d’Italia 2007 in ihn gesetzt wurden, nie vollends erfüllen, sah man in ihm doch den künftigen Seriensieger der Tour. Seien es Krankheiten und Verletzungen gewesen, oder die zu laxe Einstellung, die man ihm im Zusammenhang mit angeblichen Alkoholproblemen und mangelndem Trainingsfleiß vorhielt. Unweigerlich denkt man dabei auch an Jan Ullrich, der allerdings mit noch höheren Erwartungen umzugehen hatte.

Doch zurück zum letzten Profi-Auftritt von Andy auf dem Rad, also der 3. Etappe der diesjährigen Tour. Der Tross war noch auf englischem Boden, als ein Zuschauer beim Fotografieren zu viel Risiko einging und einige Fahrer zu Fall brachte. Dabei erwischte es auch den Luxemburger. Bilder zeigen, wie Schleck sich danach noch einmal zurück aufs Rad quälte, doch es ging nicht mehr. „Ich werde zurückkommen, denn ich bin ein Kämpfer", sagte er nach der ersten Operation, auf Krücken humpelnd. Doch daraus wurde nichts mehr. Ein tragisches Ende, ohne Zweifel.

Was denkt man in solch einer Situation? Hegt man Groll gegen einen unbedacht handelnden Zuschauer? Oder ist man sogar froh, dass die ganze Schinderei nun ein Ende hat? Aktuell und wie sein Twitter-Account vermuten lässt, scheint Andy Schleck zumindest nicht unzufrieden damit zu sein, ein Familienleben führen zu können. Zeit für Sohn Theo hat er nun ausgiebig. Kaum zufällig bezeichnete er die Geburt seines ersten Kindes als ein viel größeres Gefühl als etwa auf dem Podium auf den Champs-Élysées zu stehen.

Und was wird Fränk denken? Die beiden waren seit jeher unzertrennlich. Es hätte mich nicht gewundert, wenn auch er dem aktiven Radsport nach der Saison den Rücken gekehrt hätte. Denn er konnte kaum damit rechnen, dass sein fünf Jahre jüngerer Bruder seine Karriere früher beenden würde als er selbst. Gerade erst im besten Rennfahreralter. Mit 29.

Weiteres Foto - mit Klick vergrößernWeiteres Foto - mit Klick vergrößernWeiteres Foto - mit Klick vergrößernWeiteres Foto - mit Klick vergrößernWeiteres Foto - mit Klick vergrößern

Mehr Informationen zu diesem Thema

02.01.201510 000 Kilometer auf dem Rad - und (fast) keiner hat´s gemerkt

(Ra) - Zum Jahresabschluss schildern die Mitglieder der Redaktion von Radsport News/Radsport aktiv ihr Radsport-Ereignis 2014. Wolfgang Preß zeigt sich beeindruckt von der  "für einen Normal-Radle

29.12.2014Aller guten Dinge sind drei!

(rsn) - Zum Jahresabschluss schildern die Mitarbeiter der Redaktion von Radsport News ihr Radsport-Ereignis 2014. In seinem Gastbeitrag erklärt Eurosport-Experte Andreas Schulz, weshalb Daniel Martin

24.12.2014Tourteufel in großer Not

(rsn) - Zum Jahresabschluss schildern die Mitglieder der Redaktion von Radsport News ihr Radsport-Ereignis 2014. Ein Erlebnis, dass sie in den letzten 12 Monaten besonders berührt hat. Unser Mitarbei

24.12.2014Race Horizon Park - ein sportliches Fest in Kiew

(rsn) – Zum Jahresabschluss schildern die Mitglieder der Redaktion von Radsport News ihr Radsport-Ereignis 2014. Unser ukrainischer Mitarbeiter Denis Trubetskoy berichtet über ein Rennen in der Hau

23.12.2014Fabio Aru - Kletterspezialist in Pantanis Fußstapfen

(rsn) – Zum Jahresabschluss schildern die Mitglieder der Redaktion von Radsport News ihr Radsport-Ereignis 2014. Guido Scholl erklärt in seinem Beitrag, warum ihn Fabio Aru an Marco Pantani erinner

22.12.2014Flandern ist im Frühjahr eine Reise wert

(rsn) – Zum Jahresabschluss schildern die Mitglieder der Redaktion von Radsport News ihr Radsport-Ereignis 2014. In seinem Beitrag schreibt Christoph Adamietz über ein verlängertes Radsport-Woche

22.12.2014Ein Sizilianer in Gelb - Nibalis Meisterstück

(rsn) – Zum Jahresabschluss schildern die Mitglieder der Redaktion von Radsport News ihr Radsport-Ereignis 2014. In seinem Beitrag erinnert sich Thomas Goldmann an den Tour de France-Sieg von Vincen

19.12.2014Nix mit WiFi, nix mit Internet, nix mit Kwiatkowski

(rsn) – Zum Jahresabschluss schildern die Mitglieder der Redaktion von Radsport News ihr Radsport-Ereignis 2014. Wolfgang Brylla, der für uns vor allem über den polnischen Radsport schreibt, beric

Weitere Radsportnachrichten

31.01.2025Das Programm der Cyclocross-Weltmeisterschaften von Liévin

(rsn) – In sieben Wettbewerben an drei Tagen werden bei den UCI-Cyclocross-Weltmeisterschaften (31. Januar – 2. Februar) in Liévin im Norden Frankreichs Medaillen vergeben. Den Anfang macht dabei

31.01.2025Meisen bittet zum letzten Tanz, Benz mit Medaillenchance

(rsn) – Sieben Rennen werden bei der Cyclocross-Weltmeisterschaft (31. Januar - zum 2. Februar) im nordfranzösischen Liévin ausgetragen. An sechs davon werden auch deutsche Athletinnen und Athlete

31.01.2025Radsport live im TV und im Ticker: Die Rennen des Tages

(rsn) – Welche Radrennen finden heute statt? Wo und wann kann man sie live im Fernsehen oder Stream verfolgen? Und wo geht´s zum RSN-Live-Ticker? In unserer Tagesvorschau informieren wir über d

30.01.2025Van der Poel peilt in Liévin de Vlaemincks Rekord an

(rsn) – Am Freitag beginnt in Liévin die Cyclocross-Weltmeisterschaft (31. Januar – 2. Februar). In sieben Rennen werden Regenbogentrikots ausgefahren und German Cycling könnte erstmals seit der

30.01.2025Warm-Up für den nächsten Dreijahres-Zyklus

(rsn) – Douglas Ryder fiel in der Vergangenheit nicht unbedingt durch Zurückhaltung und Bescheidenheit auf. Als er 2023 das Team Q36.5 Pro Cycling als Zweitdivisionär ins Leben rief, nachdem sein

30.01.2025Eekhoff bei AlUla-Tour gegen Laternenpfahl geprallt

(rsn) – Nach einem schweren Unfall im Finale der 3. Etappe der AlUla-Tour musste Nils Eekhoff (Picnic – PostNL) ins Krankenhaus gebracht werden, wo beim Niederländer ein Kieferbruch und ein abgeb

30.01.2025Van den Berg aus Blikras Windschatten zum ersten Saisonsieg

(rsn) – Marijn van den Berg (EF Education – EasyPost) ist perfekt in seine vierte Profisaison eingestiegen. Der 25-jährige Niederländer entschied am zweiten Tag der Mallorca Challenge die Trofeo

30.01.2025Merliers Beine drehen sich auch am Tayma Fort am schnellsten

(rsn) – Mit einer souveränen Vorstellung hat Auftaktsieger Tim Merlier (Soudal – Quick-Step) auch die 3. Etappe der 5. AlUla Tour (2.1) für sich entschieden. Der 32-jährige Belgier setzte sich

30.01.2025Die Strecke des Critérium du Dauphiné 2025

(rsn) – Das 77. Critérium du Dauphiné (2.UWT) führt vom 8. bis 15. Juni 2025 von Domérat im Departement Allier über acht Etappen zur finalen Bergankunft am Plateau du Mont-Cenis in den Savoier

30.01.2025Cadel Evans Road Race im Rückblick: Die letzten zehn Jahre

(rsn) – Seit mittlerweile acht Jahren gehört das 2015 erstmals ausgetragene Cadel Evans Great Ocean Road Race der WorldTour an. Bei den bisherigen sieben Austragungen gab es auch schon zwei deutsch

30.01.2025Auch mit kleinerem Kader vor einer weiteren Wundersaison?

(rsn) - Das belgische Team Lotto, seit dieser Saison ohne den bisherigen Co-Sponsor Dstny, ist so etwas wie der Effektivitätsweltmeister im Straßenradsport. Mit einem Etat unterhalb von 20 Millionen

30.01.2025Andresen fügt Welsford erste Sprint-Niederlage 2025 zu

(rsn) – Nach drei Etappensiegen bei der Tour Down Under (1. UWT) und zuvor auch drei Sprinterfolgen bei nationalen Kriterien in Australien hat Sam Welsford bei der Surf Coast Classic (1.1) knapp ein

RADRENNEN HEUTE

    Radrennen Männer

  • AlUla Tour (2.1, 000)
  • Trofeo Serra Tramuntana (1.1, ESP)