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24.12.2014 | (rsn) – Zum Jahresabschluss schildern die Mitglieder der Redaktion von Radsport News ihr Radsport-Ereignis 2014. Unser ukrainischer Mitarbeiter Denis Trubetskoy berichtet über ein Rennen in der Hauptstadt Kiew, das es ihm erlaubte, „zumindest für eine kurze Zeit zum normalen Leben zurückzukehren."
2014 war ein kompliziertes Jahr – nicht nur für mich, sondern für alle Ukrainer und natürlich auch für den ukrainischen Radsport. Für mich war es ein Jahr, in dem Dinge passiert sind, die ich früher gar nicht für möglich gehalten hätte. Ich bin auf der ukrainischen Halbinsel Krim aufgewachsen und konnte mir nie vorstellen, dass ich plötzlich in einem anderen Staat – nämlich Russland - aufwachen werde, ohne dabei irgendwelche Grenzen überquert zu haben. Dazu kam der militärische Konflikt im Osten des Landes – von der Lösung sind wir nach wie vor weit entfernt.
Diese Ereignisse, die mein Leben sehr stark verändert haben, habe ich noch nicht verarbeitet und werde dies wohl auch nicht in den nächsten Jahren können, so schön es auch wäre. Doch das Leben geht weiter und das ist gut so. Als ich es mir ganz klar und deutlich sagte, stelle sich eine Frage heraus: Wie geht es jetzt mit dem ukrainischen Radsport weiter? In welcher Richtung wird er sich entwickeln?
Auch wenn Kasachstan und Russland im Vergleich weit vorne waren, hat der Radsport sich in der Ukraine in den letzten Jahren auf ein anderes Niveau gebracht. Seit 2007 hat das Land sein eigenes UCI-Rennen – in Donezk, wo die Austragung in diesem Jahr aufgrund der Kämpfe unmöglich war. Seit 2012 ist auch Kiew mit einer kleinen Rennserie international vertreten – normalerweise führt ein Rennen über den berühmten Maidan Nesaleschnosti in Kiew. 2014 war auch das unmöglich. Trotzdem blieb die Rennserie im internationalen Kalender und wurde auch zum meinen Reiseziel Ende Mai.
Zum ersten Mal seit dem Anschluss der Krim an Russland bekam ich die Chance, auf das ukrainische Festland zu fahren. Einfach war es nicht: Damals wurde gerade die Reisebegrenzung für die auf der Krim angemeldeten Männer zwischen 18 und 60 Jahren eingeführt. Theoretisch hieß es: Ich darf nicht in mein eigenes Land. Praktisch wurde trotzdem durchgelassen, auch wenn es nicht komplett problemlos verlief. Aber Kiew und das Radrennen namens Race Horizon Park warteten auf mich.
Ich hatte ein ziemlich komisches Gefühl, als ich zum ersten Mal auf dem Maidan war. Schon damals habe ich versucht, alles, was in der ersten Jahreshälfte 2014 passiert ist, zu realisieren. Natürlich war ich chancenlos. Doch der Gedanke, dass genau dort, wo normalerweise seit Jahren ein friedliches Radrennen läuft, so viele Menschen erschossen wurden – das war etwas, was ich nicht wirklich akzeptieren konnte. Da waren wir mit den meisten ausländischen Sportlern einig, die auch zuerst zum Maidan gefahren sind. Viele Deutsche waren dabei, sogar ein deutsches Team – Bike Aid – Ride for Help.
Natürlich haben diese drei Tage in Kiew keinen Radsport auf dem allerhöchsten Niveau angeboten. Das war schon vorher klar. Trotzdem war es ein sportliches Fest, dass viele von uns gebraucht haben. Diese frische Luft habe auch ich benötigt, um zumindest für eine kurze Zeit zum normalen Leben zurückzukehren. Dies ist mir gelungen, auch wenn die Gefühle, die ich auf dem Maidan hatte, immer noch tief in mir sitzen.
Organisatorisch ist es ganz gut gelaufen, die Stimmung war wunderbar. Und, kaum zu glauben, seitdem geht es aufwärts im ukrainischen Radsport. Die Sportler aus Donezk sind für 2015 finanziell gesichert, auch wenn nicht optimal ausgestattet. Ein neues Continental-Team aus Kiew wird zum ersten Mal an den Start gehen. Der traditionelle GP von Donezk wird weiterhin existieren – für 2015 ist das Rennen in Winnyzja geplant, wo es sicher ist. Ein neues internationales Rennen steht auch im Plan – der GP von Odessa. Es fehlen aber immer noch die Sportler, die vorne mitmischen können.
Am Ende des Jahres ist sogar ein kleines Wunder passiert. Die Radrennbahn in Kiew ist legendär – die existiert schon seit 1913, ist einer der ältesten in der ganzen Welt. Doch 2009 wurde sie mit der Zustimmung der Stadtverwaltung privatisiert, am Ende wurde dort ein Wohnhaus gebaut und die Bahn selber hat massiven Schaden erlitten. Jetzt gehört sie wieder der Stadt, sogar ein Umbau wird geplant. Auf der Kiewer Bahn haben die Jedermänner vor einigen Monaten einen kleinen Wettbewerb ausgetragen. Diese Bilder gingen durch die ganze Welt.
Hoffentlich wird die Bahn in einigen Jahren ganz anders aussehen. Wie auch der ukrainische Radsport. Es ist auf jeden Fall möglich, auch wenn im Land alles andere als Frieden herrscht.
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