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30.05.2015 | (rsn) – Alberto Contador (Tinkoff Saxo) hat sein erstes großes Saisonziel fast erreicht. Dem Spanier ist der Gesamtsieg beim 98. Giro d‘Italia praktisch nicht mehr zu nehmen. Doch am vorletzten Tag der Italien-Rundfahrt zeigte der 32-Jährige unerwartete Schwächen, als er im oberen Teil des Colle delle Finestre abgehängt wurde und sich alleine auf die Verfolgung seiner Konkurrenten machen musste.
Letztlich geriet Contadors Rosa Trikot nicht mehr in Gefahr, doch im Ziel der 20. Etappe, die über 199 Kilometer von Saint-Vincent nach Sestriere führte, hatte sich der bis heute so souveräne Madrilene 2:25 Minuten Rückstand auf Fabio Aru (Astana) eingehandelt.
Der 24 Jahre alte Italiener, dessen Team auch auf der letzten Bergprüfung in einer eigenen Liga fuhr und diesmal sogar vier Mann unter die besten Zehn der Tageswertung brachte, setzte sich nach einer Attacke auf den letzten beiden Kilometern des Schlussanstiegs mit 18 Sekunden Vorsprung auf den Kanadier Ryder Hesjedal (Cannondale-Garmin) durch, dem trotz einer erneut herausragenden Vorstellung wie schon gestern nur der zweite Platz blieb.
Auch auf Rang drei sah man dasselbe Gesicht wie in Cervinia: Der Kolumbianer Rigoberto Uran (Etixx-Quick-Step), der gegen Ende dieser Italien-Rundfahrt immer besser in Fahrt kommt, kam mit 24 Sekunden Rückstand an, womit das Podium identisch mit dem vom Freitag war. Vierter wurde zeitgleich mit Uran, Arus spanischer Teamkollege Mikel Landa (Astana).
„Ich kann es noch gar nicht glauben, dass es mir nach einigen schlechten Tagen erneut gelungen ist, zu gewinnen. Ich bin sehr glücklich mit meinem zweiten Platz im Gesamtklassement“, strahlte Aru nach seiner zweiten Galavorstellung in Folge.
Contador, der als Sechster hinter dem Niederländer Steven Kruijswijk (LottoNL-Jumbo/+0:34) die Etappe beendete, gestand dagegen einen schwarzen Tag ein. „Ich hatte heute eine brutale Krise, ich habe dann versucht, den Schaden so gering wie möglich zu halten und ein gleichmäßiges Tempo zu finden. Astana hat das stark gemacht. Aber jetzt ist für mich ein Traum in Erfüllung gegangen", so der Madrilene, der wie bereits gestern in der entscheidenden Phase keinen Helfer mehr an seiner Seite hatte, wogegen Astana personell wieder aus dem Vollen schöpfen konnte und das Rosa Trikot in Bedrängnis brachte.
Im 18,5 Kilometer langen, 9,2 Prozent steilen und auf den letzten acht Kilometern über Schotterstraßen führenden Anstieg zum Dach des diesjährigen Giro d’Italia hatte das kasachische Team mit fünf Fahrern die Kontrolle übernommen. Zunächst zeigten sich die Italiener Paolo Tiralongo und Dario Cataldo an der Spitze des Feldes, das bis auf den Russen Ilnur Zakarin (Katusha) alle Mitglieder einer ursprünglich neunköpfigen Ausreißergruppe stellte, die sich nach rund 30 Kilometern abgesetzt und einen Vorsprung von rund drei Minuten herausgefahren hatte.
Nach einer Tempoverschärfung durch Astana-Edelhelfer Tanel Kangert teilten sich die Favoriten in zwei Gruppen. Landa, Kruijswijk, Contador, Hesjedal, Aru und Benat Intxausti (Movistar) parierten die Attacke des Esten, wogegen Darwin Atapuma, Damiano Caruso (beide BMC), Andrej Amador (Movistar), Leopold König (Sky) und Yuri Trofimov (Katusha) abgehängt wurden und eine zweite Verfolgergruppe bildeten.
Fünf Kilometer vor dem Gipfel setzte dann Landa den nächsten Nadelstich gegen Contador, der an Arus Seite blieb, dann aber nichts mehr zuzusetzen hatte, als Hesjedal zum wiederholten Mal attackierte. Von da an kämpfte der Gesamtführende seinen einsamen Kampf bis ins Ziel.
Landa dagegen schloss auf der Schotterpiste nicht nur zu Zakarin auf, der zwischenzeitlich 1:30 Minuten vor den Verfolgern fuhr, sondern sicherte sich in 2178 Metern Höhe die Cima Coppi und 45 Punkte für die Bergwertung. Den Italiener Giovanni Visconti (Movistar) aus dem Bergtrikot fahren konnte er damit aber nicht mehr.
Doch das war wohl auch nicht sein Ziel. 30 Sekunden hinter dem neuen Spitzenduo überquerten Hesjedal und Uran den Colle delle Finestre, dicht gefolgt von Aru und. Contador hatte bereits 1:30 Minuten Rückstand, die die Gruppe um Amador und König folgte fast drei Minuten hinter Landa.
In der technisch anspruchsvollen Abfahrt schlossen Aru und Kruijswijk zu Hesjedal und Uran auf, die Abstände zwischen den Gruppen blieben dagegen fast unverändert. Allerdings harmonierten weder das Spitzenduo noch das Verfolgerquartett - wodurch Contador näher an die Aru-Gruppe herankam.
Weiter vorn überließ Zakarin Landa fast völlig die Führungsarbeit – wie sich im Schlussanstieg herausstellen sollte, nicht aus taktischen Gründen, sondern weil er mit seinen Kräften am Ende war. Dahinter hielt sich Aru offensichtlich an die Teamabsprache, um die Ambitionen von Landa auf dessen dritten Tagessieg nicht zu gefährden. Doch der 25-Jährige zog nicht durch, sondern wartete auf Aru, um sich den Großteil des 9,2 Kilometer langen Anstiegs hinauf nach Sestriere für seinen Teamkollegen zu arbeiten.
Das gelang dem zweimaligen Etappengewinner derart gut, dass Hesjedal. Kruiswijk und auch Hesjedal froh schienen, Landas und Arus Tempo mitgehen zu können. Und auch der Abstand zu Contador, der mittlerweile zu Kangert aufgeschlossen hatte, der zuvor auf der Schotterpassage auch noch an ihm vorbeigezogen war, wuchs schnell wieder an.
Und als Aru knapp zwei Kilometer vor dem Ziel antrat und mit seiner zweiten Attacke wegkam, bestand kein Zweifel mehr daran, dass sich der Sarde nicht nur seinen zweiten Tageserfolg holen, sondern seinem Team den fünften Sieg bei diesem Giro bescheren würde. Damit rückte er noch bis auf 2:02 Minuten an Contador heran, und auch Landa verkürzte den Rückstand auf den Spitzenreiter, nämlich auf 3:14 Minuten.
Hesjedal blieb auf den letzten Metern nur noch, sich zumindest den zweiten Platz vor Uran zu sichern, womit er bereits gestern zwei Positionen im Gesamtklassement gutmachte und nun hinter Contador, Aru, Landa und Amador auf Rang fünf vorrückte. Dagegen fiel König wieder auf den sechsten Platz zurück. Verlierer des Tages war Trofimov, der 7:37 Minuten einbüßte und vom sechsten auf den zehnten Platz des Gesamtklassements abrutschte, noch hinter Kruiswijk, Caruso und dem Franzosen Alexandre Geniez (FDJ).
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