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29.05.2016 | (rsn) - Steven Kruijswijk (LottoNL Jumbo) war wohl der Protagonist des 99. Giro d`Italia. Fünf Tage trug der 28-Jährige Niederländer das Rosa Trikot und fuhr mit souveränem Vorsprung auf die Konkurrenz dem Gesamtsieg entgegen. Doch am drittletzten Tag der Italien-Rundfahrt wurde der Kletterspezialist zum großen Pechvogel, als er nach einem Fahrfehler in der Abfahrt vom Colle dell'Agnello stürzte und im Gesamtklassement vom ersten auf den dritten Rang zurückfiel.
Ohne diesen Unfall hätte Kruijswijk als erster Holländer den Giro gewonnen - darüber sind sich zumindest seine Teamkollegen einig. "Wir haben einen Fahrerchat. Das Ding ist nach Stevens Sturz fast explodiert", sagte Robert Wagner zu radsport-news.com. "Alle im Team sind der Meinung, dass Steven ohne den Sturz das Trikot nicht verloren hätte."
Wer ist der Mann, dem der Salto in den Schnee den schon sicher scheinenden Giro-Sieg kostete?
Nach drei Jahren in der Nachwuchsschmiede von Rabobank schaffte Kruijswijk 2010 den Sprung zu den Profis und wurde Teamkollege der beiden Deutschen Paul Martens und Grischa Niermann. "Steven war anfangs ein bescheidener, zurückhaltender Junge, der vermutlich einfach stolz war, Profi geworden zu sein. Für Rabobank-Begriffe war er kein Überflieger und hatte dadurch wahrscheinlich kein überproportionales Selbstbewusstsein entwickelt", erinnerte sich Martens gegenüber radsport-news.com an die ersten Jahre zurück.
Während Martens schon seit acht Jahren Teamkollege von Kruijswijk ist, fuhr Niermann nur drei Jahre an der Seite des Niederländers. Doch auch der Hannoveraner kann sich noch gut an die gemeinsame Zeit zurückerinnern. "2010 wurde er bei seinem Giro-Debüt schon Achtzehnter. Da hat er aufblitzen lassen, dass er jemand fürs Klassement ist", sagte der Niermann zu radsport-news.com. Ällerdings gab Martens zu: "Damals hat sich aber wohl keiner vorstellen können, welch großes Potenzial ihn ihm schlummert."
Der internationale Durchbruch gelang Krujswijks schließlich bei der Tour de Suisse 2011, als er eine Bergetappe gewann und in der Gesamtwertung Rang drei belegte. "Damals waren wir mit dem Tour-Team im Höhentrainingslager auf dem Bernina-Pass, haben ein großes Plakat für unsere Teamkollegen gemalt und sind mit dem Rad auf den Flüela-Pass gefahren, um die Jungs dort anzufeuern", berichtete Niermann.
Der Niedersachse beschreibt Kruijswijk als einen Fahrer "ohne Starallüren". Auch Martens schließt sich diesem Urteil an. "Er hat keinerlei Marotten." Ähnlich sieht es auch Robert Wagner, seit drei Jahren Teamkollege von Kruijswijk. "Er ist kein Stresser, wenn man für ihn fahren muss. Er ist ein sehr angenehmer Kapitän, für den man gerne fährt", berichtet Wagner.
Einig sind sich die drei Deutschen auch in der Beurteilung der Professionalität ihres Kapitäns "Er ist jemand, der hart und sehr professionell arbeitet, ohne es wirklich rauszuposaunen. Es gibt wahrscheinlich wenige, die so akribisch auf ihre Ernährung achten und so ein Trainingspensum absolvieren können", meinte Martens.
Wagner hatte dazu eine Anekdote von der diesjährigen Tour of Yorkshire parat, die als Generalprobe für den Giro diente. "Wir saßen beim Abendessen zusammen. Während sich alle einen Nachtisch gönnten, verzichtete Steven darauf. `Nur noch fünf Wochen, Wagi, dann kann ich reinhauen, wie ich will. Aber jetzt bleibt der ganze 'Schlamm' erst mal weg`", zitierte er seinen Teamkollegen.
Krujswijk, der 2014 Rang 15 bei der Tour de France belegt hatte und im Jahr darauf Siebter der Italien-Rundfahrt war, wählte mit Blick auf den Giro 2016 ein ähnliches Vorbereitungsprogramm wie im Vorjahr - inklusive Höhentrainingslager auf dem Teide auf Teneriffa. "Ich bin bis auf den Kilometer das gleiche Pensum wie im Vorjahr gefahren, von der Form her müsste es stimmen", berichtete er bei der Tour of Yorkshire.
Mit dieser Einschätzung lag Kruijsiwjk goldrichtig. Vom Start weg hielt er bei den Besten mit, übernahm nach der 14. Etappe das Rosa Trikot und lag deutliche drei Minuten vor dem Gesamtzweiten Esteban Chaves (Orica-GreenEdge). "Mir ist aufgefallen, wie souverän er schon in den ersten Tagen agiert hat. Normalerweise kommen seine Stärken erst ab der zweiten Hälfte zum Vorschein, aber diesmal hat er von Anfang an alles unter Kontrolle gehabt", so Martens am vergangenen Donnerstag zu radsport-news.com.
Doch dann gab es den einen Moment, in dem Kruijswijk die Kontrolle verlor, in eine Schneemauer stürzte, sich überschlug und sich dabei eine Rippen- und Fußverletzung zuzog. Der Traum vom Rosa Trikot war damit ausgeträumt. "Bis zum Sturz hat Steven sehr souverän und wenig nervös gewirkt. Aber am Colle dell`Agnello waren alle am Limit", so Niermann.
Damit ereilte Kruijswijk das gleiche Schicksal wie schon einige seiner Landsleute in der jüngeren Vergangenheit. So stürzte Teamkollege Robert Gesink bei der Vuelta 2009 und fiel noch vom zweiten auf den sechsten Gesamtrang zurück. Tom Dumoulin führte im Vorjahr die Spanien-Rundfahrt bis zum vorletzten Tag an, brach dann aber ein und landete schließlich ebenfalls auf Gesamtrang sechs.
Auch wenn es diesmal für Kruijswijk "nur" zum vierten Platz vier reichen wird, so wird er noch mehrere Gelegenheiten bekommen, bei einer GrandTour um den Gesamtsieg mitzufahren. "Jetzt ist er 28 und hat noch ein paar Jahre Zeit, dieses Ziel (Gesamtsieg) zu verwirklichen", meinte Niermann. Und Wagner fügte an. "Steven wird älter und damit auch stärker."
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