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19.08.2016 | (rsn) - Damit hatten die Wenigsten gerechnet: Das deutsche Team Cervelo-Bigla hat den zweiten Platz im traditionellen Mannschaftszeitfahren von Vargarda in Schweden eingefahren. Am Ende des 42,5 Kilometer langen Kampfes gegen die Uhr musste sich die Mannschaft von Teamchef Thomas Campana lediglich den als klare Favoritinnen gestarteten Frauen von Boels-Dolmans geschlagen geben. Die niederländische Equipe gewann in einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 49,3 km/h mit 36 Sekunden Vorsprung auf Cervelo-Bigla und 1:16 Minuten vor den Vorjahressiegerinnen von Rabo-Liv.
"Wir wussten, dass wir eine Chance auf einen Podestplatz hatten, aber Zweite zu werden ist wirklich eine kleine Überraschung und wir sind überwältigt - einfach unglaublich happy und stolz", freute sich die südafrikanische Mannschaftsführerin Ashleigh Moolman-Pasio über den zweiten Platz von Cervelo-Bigla. "Radsport ist ja komisch: Es ist eine Teamsportart, aber es steht trotzdem meistens nur Eine auf dem Podium. Das hier war die eine Chance im Jahr, dass alle dort stehen dürfen." Das hatte Moolman-Pasio auch ihren Teamkolleginnen vor dem Start gesagt - offenbar die ideale Motivation.
Besonders beeindruckend: Nach dem 16,4 Kilometer langen Weg zur ersten Zwischenzeit hatte Cervelo-Bigla sogar sechs Sekunden vor Boels-Dolmans geführt. Erst nach dem Wendepunkt schlug Boels-Dolmans zu, holte auf den kommenden 16 Kilometern zurück nach Vargarda 45 Sekunden heraus und übernahm deutlich die Spitze. Zwar büßten die Niederländerinnen auf der zehn Kilometer langen Schlussschleife noch einmal drei Sekunden gegen Cervelo-Bigla ein, doch der starke Mittelsektor garantierte den Sieg.
"Wir hatten heute ein superstarkes Team hier und sind sehr kontrolliert gefahren", erklärte Boels-Fahrerin Evelyn Stevens. "Deshalb waren wir nach dem Rückstand an der Zwischenzeit in der Lage, noch etwas in den Tank zu schütten."
Sonst gelang das aber keinem Team mehr, und so ging Campanas Taktik genau auf. Der Cervelo-Bigla-Teamchef hatte seine Fahrerinnen angewiesen, von Beginn an Vollgas zu fahren, um eine starke erste Zwischenzeit vorzulegen. Cervelo-Bigla war als erstes Team von der Startrampe gerollt, eine Strafversetzung von der UCI-Jury.
"Es war unsere einzige Chance, wenn wir als Erste rausfahren, dass wir eine schnelle Fahrt zur ersten Zwischenzeit haben, um den Anderen Druck zu machen und für die nächsten 20 Kilometer eine schwere Aufgabe mitzugeben", erklärte er radsport-news.com nach dem Rennen seine Taktik, schnell anzugehen. Und an dieser Aufgabe biss sich die Konkurrenz anschließend die Zähne aus. Wiggle-High5 etwa beschleunigte nach der Zwischenzeit stark, überdrehte so aber den Motor und wurde am Ende nur Fünfter.
Der zweite Rang war auch ein Resultat akribischer Vorbereitung. Schon seit Montag trainierte Cervelo-Bigla auf dem Zeitfahrkurs von Vargarda, und Campana probierte dabei unterschiedliche Formationen aus: Er hatte mit Clara Koppenburg neben dem Sextett Moolman-Pasio, Stephanie Pohl, Lisa Klein, Lotta Lepistö, Joelle Numainville und Nicole Hanselmann auch noch eine Wechseloption dabei.
Das hohe Anfangstempo setzte allerdings auch dem eigenen Team zu. Hanselmann musste bereits auf den ersten zehn Kilometern abreißen lassen und die gerade von den Olympischen Spielen und der Bahn zurückgekehrte Klein konnte bald darauf auch nicht mehr regelmäßig durch die Führung gehen. Sie fuhr nur als Lebensversicherung für den Fall des Defekts einer Teamkollegin noch im Windschatten bis kurz vor dem Ziel weiter mit.
"Die Mädels haben nicht aufgegeben und alles herausgeholt. Dass wir dafür mit Rang zwei belohnt werden, ist einfach wirklich toll für die Energie im Team", so Moolman-Pasio. "Wir sind ein kleines Team, aber eines mit großen Herzen. Ich denke, das haben wir heute gezeigt."
Das zweite deutsche Team Canyon-SRAM, die Nachfolgemannschaft des Weltmeisterteams Velocio-SRAM, landete 1:41 Minuten hinter den Siegerinnen auf Rang vier. Sportdirektor Ronny Lauke hatte mit Trixi Worrack und Mieke Kröger allerdings nur zwei Frauen des Weltmeister-Sechsers in Schweden dabei und daher von vorne herein nicht von Siegchancen gesprochen. Mit dem Ergebnis konnte er gut leben. "25 Sekunden hinter Rabobank, das ist mit diesem Team doch in Ordnung", so Lauke.
Alle vier Fahrerinnen, die für Boels-Dolmans gemeinsam die Siegerzeit über die Linie brachten, fuhren in den vergangenen Jahren in Laukes Teams und gewannen dort WM-Titel im Teamzeitfahren: Ellen Van Dijk (2012 & 2013), Chantal Blaak (2014), Stevens (2012, 2013 & 2014) und Karol-Ann Canuel (2015) wurden jeweils aber von Boels-Dolmans als amtierende Teamzeitfahr-Weltmeisterinnen abgeworben. Nun wollen sie in Katar am 9. Oktober in den Farben der niederländischen Equipe erneut den Titel erringen.
"Dort wird es sehr starke Konkurrenz geben", sagte Stevens in Vargarda. "Aber wir wissen wo unsere Stärken und Schwächen liegen und woran wir jetzt arbeiten müssen. Wir sind sehr motiviert für die WM!"
Am Sonntag steht in Vargarda mit dem 141 Kilometer langen Straßenrennen der nächste Lauf der UCI Women's WorldTour auf dem Programm. Auch dort zählen die Boels-Dolmans-Fahrerinnen, wie schon die gesamte Saison, zu den Top-Favoritinnen. Man darf gespannt sein, zu welcher Leistung die Cervelo-Bigla-Fahrerinnen dort dann fähig sein werden - angetrieben von den Glücksgefühlen des Freitagabend-Sieges, aber eben auch müde vom besonderen Kraftakt Teamzeitfahren.
Ergebnis:
1. Boels-Dolmans 51:43 Minuten
2. Cervelo-Bigla + 0:36
3. Rabo-Liv + 1:16
4. Canyon-SRAM + 1:41
5. Wiggle-High5 + 1:45
6. BTC City Ljubljana + 2:35
7. BePink + 2:40
8. Cylance Pro Cycling + 2:57
9. Liv-Plantur + 3:07
10. Parkhotel Valkenburg + 3:22
11. Alé Cipollini + 3:29
12. BMS-Birn + 3:58
13. Hitec Products + 4:04
14. Lensworld-Zannata + 4:59
15. Nationalteam Norwegen + 6:17
16. Nationalteam Finnland + 9:57
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