Strafen für Hilfsdienste bei der Tour zu gering?

Greipel: “Ich bin keiner, der sich am Auto festhält“

Von Joachim Logisch aus Alpe d´Huez

Foto zu dem Text " Greipel: “Ich bin keiner, der sich am Auto festhält“"
Für André Greipel (Lotto Soudal) war die 105. Tour de France auf der 12. Etappe beendet. | Foto: Cor Vos

19.07.2018  |  (rsn) - Wird bei der Tour de France mit zweierlei Maß gemessen? Der Eindruck kann entstehen, wenn man sich die Vorgänge um den Exodus der Sprinter anschaut. Auf der heutigen 12. Etappe von Bourg Saint Maurice hinauf nach Alpe d’Huez stiegen Andre Greipel (Lotto-Soudal) und sein Edelhelfer Marcel Sieberg, Rick Zabel (Katusha-Alpecin) und die jeweils zweifachen Etappensieger Fernando Gaviria (Quick Step-Floors) und Dylan Groenewegen (Lotto NL-Jumbo) in den Besenwagen. Gestern hatten die x-fachen Tour-Etappensieger Marcel Kittel (14 Siege/Katusha-Alpecin) und Mark Cavendish (30/Dimension Data) die Karenzzeit verpasst.

Unabhängig voneinander erheben Rolf Aldag (Dimension Data) und André Greipel Vorwürfe gegenüber den Kontrollen der Kommissäre. "Mich ärgert die Inkonsequenz, mit der eingeschritten wird“, sagt Rolf Aldag zu radsport-news.com. "Bei bekannten Fahrern wie Marcel Kittel oder Mark Cavendish wird sofort Barrage gemacht, damit ihnen keiner helfen kann“, erklärte der Ex-Profi und meinte damit, dass die Begleitfahrzeuge hinter den Profis bleiben müssen, damit sie keinen Einfluss aufs Renngeschehen nehmen können. Bei anderen gelte diese Regel wohl weniger. Aldag: "Einige Fahrer bekamen immer wieder und lange Flaschen gereicht, einige erhielten viel Windschattenunterstützung.“

Strafen nicht sehr wirksam

Namen nennt er nicht. Doch man muss sich nur die Strafen der beiden Tage anschauen, die von der Jury ausgesprochen wurden. Gestern bekamen vier Profis und ihre Teams jeweils 100 Schweizer Franken Buße aufgebrummt, weil sie sich bei der Übergabe der Trinkflaschen immer wieder ein Stück ziehen ließen. Ein Fahrer erhielt 20 Strafsekunden und 50 Sfr, weil er von seinem Teamfahrzeug in den Windschatten genommen worden war. Dafür muss die Mannschaft zudem 200 Sfr zahlen.

Heute nach Alpe d’Huez ahndete die Jury sieben "Flaschen-Züge“ - zwei Fahrer  wurden zum zweiten Mal belangt -  sechs Windschattenfahrten und zwei Verstöße, weil Fahrer aus den Begleitfahrzeugen heraus geschoben worden waren. Dafür gab‘s jeweils 50 Sfr Geldstrafe und 5 Punkte Abzug in der Punktewertung sowie 10 Sekunden Zeitstrafe.

Die Strafen sind im Vergleich der Konsequenz einer Disqualifikation vernachlässigbar und dienen sicher nicht der Abschreckung. Dazu kommt, dass viele Verstöße nicht entdeckt wurden. Das meinte André Greipel, als er sagte: "Ich bin heute nicht mal enttäuscht. Ich bin auch nicht traurig. Ich habe heute nur Dinge gesehen, die ich als Rennfahrer nicht machen möchte, um in der Tour zu bleiben. Von daher bin ich realistisch genug, in den Besenwagen zu steigen.“

Der elfmalige Etappensieger der Tour musste gedrängt werden, damit er die Aussage präzisierte: "Es gibt viele Autos im Rennen, an denen sich Fahrer festhalten können. Ich bin keiner, der das macht. Ich habe heute eingesehen, dass ich keiner bin, der sich am Auto festhält, um in die Karenzzeit zu kommen.“

Sein Edelhelfer Marcel Sieberg bekräftigte: "Ich sag mal so, wenn ich mit meinen Beinen nicht in der Karenzzeit ins Ziel kommen kann, macht es auch keinen Sinn, in der Tour zu bleiben.“

Strecke zu schwer?

Die beiden sahen früh ein, dass sie das Ziel nicht mit ihren Beinen erreichen würden. "Wir hatten den ersten Berg überstanden und zwei lange Berge lagen noch vor uns, also immer noch 50 Kilometer Berg hoch, und wir waren schon 20 Minuten dahinter. Vorm Start hat man uns gesagt, wir haben zwischen 28 und 35 Minuten Zeit. Mental ist das auch nicht so dolle, wenn man fährt und weiß, das macht alles eigentlich keinen Sinn, weil man eh nicht in der Zeit bleiben kann.“ Da half ihnen auch nicht, dass das Zeitlimit zwischenzeitlich erhöht worden war, weil sonst noch mehr Teilnehmer hätten ausgeschlossen werden müssen.

Greipel: "Die drei Tage waren zu viel für mich"

Die Tatsache, dass sich so viele Teilnehmer helfen ließen, um im Rennen zu bleiben, hat sicher auch etwas mit der Streckenplanung zu tun. "Ich weiß nicht, ob man am dritten Tag noch 5000 Höhenmeter machen muss, nach zwei Tagen, die auch schon extrem schwer waren“, fragte sich Sieberg und Greipel bekräftigte: "Mit Sicherheit waren die letzten drei Tage nicht einfach und für mich einfach zu viel!“

Die Frage, wie es weitergeht, beantwortete Greipel mit einem Wort: "Urlaub!“ - um dann noch mal zu betonen: "Wie gesagt, bin ich nicht mal traurig, sondern einfach nur realistisch und ein fairer Sportler. Ich habe heute eingesehen, dass ich keiner bin, der sich am Auto festhält. Deshalb freue ich mich jetzt auf meine Familie!“

Mehr Informationen zu diesem Thema

06.07.2022Ausgerechnet in Roubaix platzte Degenkolbs Tour-Knoten

(rsn) – Vor vier Jahren mussten die Starter der Tour de France letztmals Kopfsteinpflaster-Passagen unter die Räder nehmen. Am . Juli 2018 holte sich Degenkolb in Roubaix nach 156,6 Kilometern inkl

25.07.2020Video-Rückblick: Horror-Sturz endet für Gilbert glimpflich

(rsn) - Auf der 16. Etappe der Tour de France mussten die Zuschauer das Schlimmste für Philipp Gilbert befürchten. In der Abfahrt vom Portet d´Aspet versteuerte der Belgier sich und flog kopfüber

12.11.2018Alpe d´Huez-Sturz: Nibali drei Stunden von Polizei befragt

(rsn) – Vincenzo Nibali (Bahrain-Merida) ist am Samstag in Modane von der französischen Polizei zu seinem Sturz von der 12. Etappe der Tour de France befragt werden. Damals war der Italiener im Sch

31.10.2018Thomas war bei der Tour wegen Kapitänsfrage frustriert

(rsn) - Am letzten Tag der diesjährigen 105. Tour de France strahlte Geraint Thomas (Sky) im Gelben Trikot auf den Champs-Elysees. Der Waliser feierte den größten Erfolg seiner Karriere und setzte

16.10.2018Nibali wird am 10. November von französischer Polizei befragt

(rsn) - Vincenzo Nibali (Bahrain-Merida) wird am 10. November in Grenoble von der französischen Polizei zu seinem Sturz von der 12. Etappe der Tour de France befragt werden. Damals war der Italiener

10.10.2018Thomas´ Tour-Trophäe in Birmingham gestohlen

(rsn) - In den vergangenen Jahren kam es immer wieder vor, dass Radsport-Mannschaften von Fahrraddieben heimgesucht wurden. Nun meldet Team Sky den Verlust der Tour-de-France-Auszeichnung von Geraint

03.08.2018“Zwischen Froome und Thomas gab es nie einen Disput“

(rsn) - Seit dem vergangenen Sonntag schon ist die auch 105. Ausgabe der Tour de France wieder Geschichte. In der neuen Ausgabe von Radio Tour – dem Radsportpodcast in Kooperation mit radsport-news.

03.08.2018Nach Tour-Aus fordert Sieberg “Überdenken der Karenzzeit“

(rsn) – Nachdem er im Vorjahr wegen eines Magen-Darm-Virus´ erstmals die Tour de France vorzeitig beenden musste, wollte Marcel Sieberg (Lotto Soudal) bei der 105. Austragung unbedingt wieder Paris

02.08.2018Lappartient: Funkverbot und 6-Mann-Teams gegen Sky-Dominanz

(rsn) - Auf wenig Gegenliebe - um es vorsichtig auszudrücken - ist UCI-Präsident David Lappartient bei den Profis mit seinen jüngst geäußerten Ideen gestoßen, wie man der vor allem in den große

02.08.2018“Ich fand alle Bergpässe schön“

(rsn) – Mit Michael Gogl (Trek-Segafredo), Gregor Mühlberger und Lukas Pöstlberger (beide Bora-hansgrohe) nahmen drei Österreicher an der 105. Tour de France teil. Das rot-weiß-rote Trio erreich

01.08.2018Zabel will sein Selbstvertrauen wieder aufpolieren

(rsn) – Der Frust über das verfrühte Tour-Aus sitzt tief: Rick Zabel (Katusha-Alpecin).musste auf der Königsetappe nach Alpe d`Huez im Kampf gegen das Zeitlimit kapitulieren und in den Besenwagen

01.08.2018Politt: “Wir haben uns nochmal richtig zusammengerissen“

(rsn) – Nach drei harten Wochen bei der Tour de France sehnt sich Nils Politt (Katusha-Alpecin) nach Erholung. Die ist derzeit aber nur bedingt möglich. Denn keine 24 Stunden nach dem Tour-Ende in

Weitere Radsportnachrichten

24.02.2025E3 Saxo Classic 2025 mit nur einer Streckenänderung

(rsn) – Die Organisatoren des E3 Saxo Classic haben die Route für die am 28. März anstehende 67. Ausgabe des belgischen Frühjahrsklassikers bekannt gegeben. Der Streckenverlauf ist bis auf eine A

24.02.2025Kragh Andersen wurde bei OP gutartiger Tumor entfernt

(rsn) – Nachdem er Alpecin – Deceuninck am Saisonende 2024 verlassen hatte, wird Sören Kragh Andersen bis auf weiteres nicht für sein neues Team Lidl - Trek zum Einsatz kommen. Wie der US-Rennst

24.02.2025Van Aert will zwei weitere Klassiker in sein Progamm nehmen

(rsn) - Wout Van Aert, der am Samstag beim Omloop Het Nieuwsblad seine Klassikerkampagne beginnen wird, plant offensichtlich, in diesem Frühjahr zwei Klassiker mehr als ursprünglich geplant zu bestr

24.02.2025Omloop Het Nieuwsblad im Rückblick: Die letzten zehn Jahre

(rsn) - Der Omloop Het Nieuwsblad läutet traditionell die belgische Klassikersaison ein und dient als erste Standortbestimmung auf Kopfsteinpflaster. Lange Zeit als Rennen der Kategorie 1.HC ausgetr

24.02.2025Pogacar und Vingegaard zu Saisonbeginn im Gleichschritt

(rsn) – Tadej Pogacar (UAE Team Emirates – XRG) und Jonas Vingegaard (Visma – Lease a Bike) sind nicht nur programmgemäß in die Saison 2025 gestartet. Die beiden Tour-de-France-Gewinner der ve

24.02.2025Algarve-Achter Roglic sieht sich auf richtigem Weg

(rsn) – Während sein ehemaliger Teamkollege Jonas Vingegaard (Visma – Lease a Bike) ein erfolgreiches Saisondebüt feierte und sich mit seinem Zeitfahrsieg auch noch die Gesamtwertung der Algarve

23.02.2025Wollaston surft auf einer Erfolgswelle, Zanetti Zweite

(rsn) – Die Neuseeländerin Ally Wollaston hat die 3. Auflage der Clásica de Almeria (1.1) für sich entschieden. Die 24-Jährige vom Team FDJ - Suez gewann nach 133,1 Kilometern von Almeria nach R

23.02.2025Schachmann gelingt an der Algarve “ziemlich solider Auftakt“

(rsn) - Zum dritten Mal in seiner Karriere beendete Maximilian Schachmann (Soudal – Quick Step) die Algarve-Rundfahrt in den Top Ten. Rang sieben im Jahr 2018 folgte der zweite Platz 2020 und nun li

23.02.2025Scaroni wehrt Buitragos Angriff ab und gewinnt Tour des Alpes-Maritimes

(rsn) - Christian Scaroni (XDS – Astana) hat die 57. Auflage der Tour des Alpes-Maritimes (2.1) für sich entschieden. Nachdem er die gestrige Etappe vor Santiago Buitrago (Bahrain Victorius) gewonn

23.02.2025Vingegaard erobert mit Zeitfahrsieg Gelb, Schachmann Fünfter

(rsn) – Mit einem starken Finale hat sich Jonas Vingegaard (Visma – Lease a Bike) nicht nur das abschließende Zeitfahren, sondern auch den Gesamtsieg bei der 51. Volta ao Algarve (2.Pro) gesicher

23.02.2025Bilbao dreht am Jebel Hafeet die Zeit zurück

(rsn) - Meide jeden unter 30, so könnte das Motto der UAE Tour lauten. Denn die seit 2019 ausgetragene WorldTour-Veranstaltung in den Emiraten ist kein Rennen für die Routiniers im Feld. Immer wiede

23.02.2025Nieuwenhuis holt sich in Oostmalle den letzten Cross der Saison

(rsn) – Der letzte Sieger der diesjährigen Cross-Saison heißt Joris Nieuwenhuis (Ridley Racing). Beim Sluitingsprijs Oostmalle (C1) in der Provinz Antwerpen setzte sich der 29-jährige Niederländ

RADRENNEN HEUTE

    Radrennen Männer

  • Tour du Rwanda (2.1, RWA)