Olympiasiegerin gewinnt WM-Frauenrennen

Van der Breggen stürmt mit fulminantem Solo zu WM-Gold

Foto zu dem Text "Van der Breggen stürmt mit fulminantem Solo zu WM-Gold"
Weltmeisterin Anna van der Breggen präsentiert ihre Goldmedaille. | Foto: Cor Vos

29.09.2018  |  (rsn) - Mit einem fulminanten Soloritt über rund 40 Kilometer hat Olympiasiegerin Anna van der Breggen alle ihre Konkurrentinnen stehen lassen und sich mit dem größten Vorsprung seit 1989, als Jeannie Longo Weltmeisterin wurde, die Goldmedaille im WM-Straßenrennen der Frauen gesichert.

Die 28 Jahre alte Niederländerin setzte sich auf dem 156,2 Kilometer langen Kurs von Kufstein nach Innsbruck als Solistin mit 3:42 Minuten Vorsprung auf Amanda Spratt durch, die wie 2017 Katrin Garfoot für eine australische Silbermedaille sorgte. Bronze ging mit bereits 5:26 Minuten Rückstand an die 34 Jahre alte Italienerin Tatiana Guderzo, die ihre Karriere am Saisonende beenden wird und nach Silber im Jahr 2004 und Gold 2009 ihre Medaillensammlung bei Straßenweltmeisterschaften komplettierte.

Van der Breggen dagegen holte sich nach WM-Silber 2015 und mehreren Top-Ten-Ergebnissen seit ihrem Weltmeisterschaftsdebüt 2012 erstmals in ihrer Karriere auch das Regenbogentrikot und fügte ihrer beeindruckenden Palmares aus Olympia-Gold, Giro-Gesamtsieg und dem Ardennen-Triple ein weiteres herausragendes Ergebnis an. In dieser Saison stand sie meist im Schatten ihrer Landsfrau Annemiek van Vleuten, die ihr auch im WM-Zeitfahren wie bereits im vergangenen Jahr die Goldmedaille weggeschnappt hatte.

Doch im Straßenrennen war van der Breggen nicht zu stoppen, konterte bei der vorletzten Überquerung des Olympiabergs rund 42 Kilometer vor dem Ziel eine Attacke der kurz zuvor gestürzten Zeitfahrweltmeisterin, schloss in Windeseile zur Spitzengruppe auf, schüttelte mit einer weiteren Tempoverschärfung auch ihre letzte Begleiterin Spratt ab und baute ihren Vorsprung auf die konsternierte Konkurrenz Sekunde und Sekunde aus.

"Das ist ein wunderschöner Sieg. Jetzt fällt all die Anspannung ab. Es war ein langer Weg hierher. Das war ein Kurs für mich und ich habe kein Geheimnis daraus gemacht, dass dieses Rennen ein großes Ziel von mir war. Aber ich hatte nicht erwartet, zu gewinnen“, sagte van der Breggen, die zunächst selbst noch gezweifelt hatte. “Ich dachte zunächst, dass mein Angriff zu früh kam, aber wir hatten keine andere Wahl. Ich war ziemlich schnell bei Spratt und musste dann durchziehen. Ich habe mich dann aufs Essen, Trinken und Kraft einteilen konzentriert. Ich wusste auch kaum Abstände nach hinten. Ich habe in dieser Saison schon zu oft erlebt, dass von hinten wieder Fahrerinnen aufgeschlossen haben, deshalb bin ich einfach weitergefahren“, begründete die Weltmeisterin, warum sie bis fast zur Ziellinie durchgezogen hatte.

"Diese Medaille ist für mich sehr wichtig. Es war kein allzu gutes Jahr, ich hatte viele Probleme. Nun beim letzten Saisonrennen Bronze zu holen, das ist ein schönes Geschenk", strahlte Guderzo, die am letzten Anstieg ihre Konkurrentinnen abschütteln und ungefährdet Dritte werden konnte.

Wie erwartet spielten die deutschen Frauen auf dem schweren WM-Kurs keine Rolle im Kampf um die Medaillen. Eine überzeugende Vorstellung lieferte aber die erst 23-jährige Clara Koppenburg ab, die sich lange in der Gruppe der Favoritinnen hielt, selber sogar einige Male die Initiative ergriff und letztlich 7:17 Minuten hinter van der Breggen Rang 18 belegte. “Wir hatten auf diesem Kurs keine hohen Erwartungen. Ein Platz unter den ersten 15 war angepeilt, nun ist es ein 18. Rang geworden. Den Rennverlauf im Finale hatte ich mit allerdings vorgestellt. Es ist auf den letzten Kilometern nichts mehr passiert“, kommentierte Bundestrainer André Korff den Ausgang des Rennens.

So lief das Rennen…

149 Starterinnen nahmen bei strahlendem Sonnenschein um die Mittagszeit das über 156,2 Kilometer und 2.413 Höhenmeter führende Rennen in Angriff. Es waren die beiden Deutschen Lisa Brennauer und Trixi Worrack, die nach knapp zehn Kilometern in die Offensive gingen, während ihre junge Teamkollegin Christa Riffel bereits früh verzweifelt um Anschluss kämpfte. Bei hohem Tempo und nach einer vereitelten Attacke der Finnin Lotta Lepistö löste sich noch im hügeligen ersten Teil die Polin Marta Lach und erhielt kurz darauf Unterstützung durch die Kolumbianerin Ana Christina Sanabria.

Nach rund 25 Kilometern lies das Feld die Zügel lockerer, so dass die beiden Ausreißerinnen bei der folgenden Passage durch das Inntal ihren Vorsprung auf knapp drei Minuten ausbauen konnten. Zwischen Spitze und Feld versuchten Lepistö und die Norwegerin Emma Cecile Jorgensen, den Anschluss zu Lach und Sanabria herzustellen.

Vor dem Anstieg nach Gnadenwald gingen bei einem Sturz mehrere Fahrerinnen zu Boden, darunter auch van Vleuten und ihre Landsfrau Ellen van Dijk. Die Top-Favoritin kämpfte sich aber schnell wieder zurück an die Spitze des Feldes, in dem nun Clara Koppenburg das Tempo vorgab und das so hoch war, dass die Teamkolleginnen Brennauer und Worrack sowie viele weitere Fahrerinnen zwischenzeitlich nicht mehr folgen konnten.

Zwei Kilometer vor dem Gipfel waren deshalb bis auf Sanabria alle Ausreißerinnen wieder eingefangen. Kurz darauf zog Lepistö ein drittes Mal davon und schloss noch vor der ersten Zielpassage knapp 80 Kilometern vor dem Ziel zur Südamerikanerin auf - um kurz darauf vom Feld gestellt zu werden.

Prompt nahm das Oranje-Team das Geschehen in die Hand. Van Dijk initiierte eine stark besetzte vierköpfige Gruppe, zu der noch Guderzo, die Dänin Cecilia Uttrup Ludwig und die unermüdliche Lepistö gehörten und die bei der ersten Zieldurchfahrt in Innsbruck gut 20 Sekunden vor dem wieder auf 85 Fahrerinnen angewachsene Feld mit allen Favoritinnen lag.

Auf der ersten Runde über den Olympiaberg fiel zunächst Lepistö endgültig zurück. Unter dem Tempodiktat der Australierinnen wurden 62 Kilometer vor dem Ziel aber auch die verbliebenen Ausreißer wieder eingefangen. Als das zu diesem Zeitpunkt nur noch rund 20-köpfige erste Feld kurz darauf den Gipfel überquerte, attackierte Coryn Rivera auf der kurzen Hochplateau-Passage, die in die Abfahrt nach Innsbruck mündete. Eingangs der vorletzten Runde lag die US-amerikanische Sprinterin zwölf Sekunden vor einer ersten Verfolgergruppe mit van Dijk, Spratt, der Italienerin Elena Pirrone, Fahlin und Jasinska, die dann aber schnell zur Sprinterin aufschloss.

Als der Rückstand der Verfolgerinnen im acht Kilometer langen Anstieg zur Bobbahn auf mehr als eine Minute angewachsen war und van Dijk dem Tempo ihrer Begleiterinnen nicht mehr folgen konnte, nahmen die beiden Top-Favoritinnen das Heft in die Hand. Van der Breggen konterte 42 Kilometer vor dem Ziel eine Attacke ihrer Teamkollegin van Vleuten, fuhr im Nu zur Spitzengruppe vor und sprengte diese mit ihrem hohen Tempo. Nur Spratt konnte der Olympiasiegerin noch folgen, um einem weiteren Antritt van der Breggens knapp zwei Kilometer vor der Kuppe dann doch zum Opfer zu fallen.

Die Abfahrt nahm die Spitzenreiterin mit mehr als 30 Sekunden Vorsprung gegenüber Spratt in Angriff, gefolgt von Rivera, dann Fahlin und Jasinska sowie dem wieder größer gewordenen und unschlüssigen Feld, dessen Rückstand immer größer wurde. Bei der vorletzten Zieldurchfahrt lag die Spitzenreiterin 1:20 Minuten vor Spratt und schon mehr als drei Minuten vor Fahlin, Rivera und Jasinska. Das Feld wies hier bereits mehr als 4:20 Minuten Rückstand auf.

Während van der Breggen auch bei der letzten Überquerung des Olympiabergs keinerlei Schwächen zeigte und auch Spratt dahinter souverän wirkte, war auch der Kampf um Rang drei früh entschieden. Guderzo schüttelte mit einer Attacke gegen Mitte des Anstiegs die Kanadierin Carol Ann Canuel, Jasinska, Fahlin und Rivera ab und strebte im letzten WM-Rennen ihrer Karriere Bronze entgegen.

Im Gegensatz zu Remco Evenepoel der im Rennen der Junioren schon auf den letzten beiden Kilometern seinen Sieg exaltiert zu feiern begann und auf der Zielgerade sogar abstieg und sein Rad über dem Kopf über die Linie trug, blieb van der Breggen bis auf die letzten Meter konzentriert und riss erst dann ihre Arme eher erleichtert denn triumphierend in die Höhe. Sichtlich glücklich über ihre Medaillen waren auch Spratt und Guderzo, die mit deutlichem Abstand auf die neue Weltmeisterin ankamen.

Mehr Informationen zu diesem Thema

01.12.2018Sport-Business-Gold für Innsbruck 2018

(rsn) - In sechs Kategorien wurde am vergangenen Dienstag im Haus des Sports in Wien erstmals der VICTOR, der Sport Business Preis 2018 vergeben. Die Straßen-WM 2018 in Innsbruck-Tirol wurde dabei al

06.11.2018Valverdes Äußerungen sind eines Weltmeisters unwürdig

(rsn) – Als Alejandro Valverde in Innsbruck nach zwölf vergeblichen Anläufen die Ziellinie eines WM-Straßenrennens als Erster überquerte, habe ich im ersten Moment Freude verspürt. Es ist immer

27.10.2018Weltmeister Valverde gewinnt auch das “Goldene Rad“

(rsn) - Weltmeister Alejandro ist als dritter Spanier nach Miguel Indurain und Alberto Contador mit dem Vélo d´Or (Goldenes Rad) ausgezeichnet worden. Mit dem Preis belohnt die französische Fachzei

07.10.2018Straßen-WM 2022 findet in Australien statt

(rsn) - Die Straßen-Weltmeisterschaften 2022 werden in Australien ausgetragen. Wie der nationale Radsportverband bekanntgab, wird die Stadt Wollongong im Bundesstaat New South Wales die Welttitelkäm

04.10.2018Zu wenig Gehalt: Spaniens Nationalcoach droht mit Rücktritt

(rsn) - Nur wenige Tage nach Alejandro Valverdes WM-Triumph hat Spaniens Nationalcoach Javier Minguez mit seinem Rücktritt gedroht. Wie der 69-Jährige der Nachrichtenagentur Europa Press erklärte,

02.10.2018Valverde macht noch bis zu den Spielen von Tokio weiter

(rsn) - Alejandro Valverde ist mit dem Gewinn des Weltmeistertitels am Ziel seiner Träume. Ans Aufhören denkt der Spanier trotz seiner 38 Jahre aber noch nicht: Valverde will noch bis 2020 als Profi

02.10.2018Zeitfahrweltmeisterin van Vleuten erfolgreich am Knie operiert

(rsn) - Die im WM-Straßenrennen der Frauen gestürzte Annemiek van Vleuten ist am Montag erfolgreich an ihrem gebrochenen Schienbeinkopf (Tibia) operiert worden und wird mindestens vier Wochen eine S

02.10.2018Tritt Walscheid in Kittels und Degenkolbs Fußstapfen?

(rsn) - Immerhin schon vier Siege gelangen dem Team Sunweb beim Münsterland Giro. Die allerdings holten sich drei Deutsche, die längst nicht mehr für den Rennstall von Manager Iwan Spekenbrink fahr

02.10.2018Kennaugh: “Es war viel schwerer, als ich erwartet hatte“

(rsn) - Nicht die hoch gehandelten Zwillingsbrüder Adam und Simon Yates waren im WM-Straßenrennen von Innsbruck die britischen Trümpfe. Vielmehr war der etatmäßige Edelhelfer Peter Kennaugh für

01.10.2018Evenepoel war die Entdeckung der WM 2018

(rsn) - Alejandro Valverde hat mit sieben Medaillen in den letzten 15 Jahren WM-Geschichte geschrieben. Möglicherweise wird im großen Radsportbuch das Kapitel des 38-Jährigen mit dem ersehnten Gewi

01.10.2018Perfekt, aber auch nachhaltig?

(rsn) – Volksfeststimmung im österreichischen Radsport war es definitiv, die wir in den letzten neun Tagen in der Tiroler Landeshauptstadt erleben durften. Selbst als Österreicher, der viel bei na

01.10.2018WM-Podcast: Holzmedaille für den “Fahrer der Saison“

(rsn) - Im letzten Podcast zur Straßen-WM von Innsbruck wirft Lukas Kruse mit Felix Mattis und Peter Maurer einen Blick zurück auf die Straßenrennen der Frauen und Männer, die beide mit Favoritens

Weitere Radsportnachrichten

04.11.2024Krankheiten und Reisestress raubten die Freude am Radsport

(rsn) – Erst zur Saison 2023 wechselte Mountainbiker Pirmin Eisenbarth auf die Straße und sorgte in Diensten des deutschen Kontinental-Teams Bike Aid mit zahlreichen Spitzenplatzierungen für Furor

04.11.2024dsm-Profi Bevin stellt sein Rad in die Ecke

(rsn) - In unserem ständig aktualisierten Transferticker informieren wir Sie regelmäßig über Personalien aus der Welt des Radsports. Ob es sich um Teamwechsel, Vertragsverlängerungen oder Rücktr

04.11.2024Van Anrooij an verengter Beckenarterie operiert

(rsn) - Shirin van Anrooij wird auf Einsätze in dieser Cross-Saison verzichten müssen. Wie die 22-jährige Niederländerin auf Instagram mitteilte, sei sie an einer verengten Beckenarterie ihres lin

04.11.2024Gemischte Gefühle nach größtem Karriereerfolg

(rsn ) – Nach zwei Jahren bei Lotto – Kern Haus wechselte Ole Theiler im vergangenen Winter zu Storck – Metropol, um sich in seinem letzten U23-Jahr als Kapitän für ein Profiteam zu empfehlen.

04.11.2024Die Radsport-News-Jahresrangliste 2024

(rsn) - Auch diesmal starten wir am 1. November mit unserer Jahresrangliste. Wir haben alle UCI-Rennen der vergangenen zwölf Monate (1. November 2023 bis 31. Oktober 2024) ausgewertet - nach unserem

04.11.2024Im Überblick: Die Transfers der Männer-Profiteams für 2025

(rsn) – Nachdem zahlreiche Transfergerüchte seit Monaten in der Radsportwelt zirkulieren, dürfen die Profimannschaften seit dem 1. August ihre Transfers offiziell bekanntgeben. Radsport-news.c

03.11.2024Ein Lernjahr mit einem großen Rückschlag

(rsn) – 2024 war ein Jahr mit Licht und Schatten für Fabian Steininger (Maloja Pushbikers). Der 24-jährige Österreicher ging in seine zweite Saison beim deutschen Kontinental-Team und fühlte si

03.11.2024Nys fliegt in Pontevedra zu seinem ersten großen Titel

(rsn) – Nach seinem schwarzen Tag in Pontchateau im letzten Jahr hat der Belgier Thibau Nys im spanischen Pontevedra zum Abschluss der Cross-Europameisterschaften seinen ersten großen Titel in der

03.11.2024Van Empel zum dritten Mal in Folge Europameisterin vor Alvarado

(rsn) – Fem van Empel heißt die alte und neue Cross-Europameisterin. Im spanischen Pontevedra schlug die Niederländerin bei sommerlichen Temperaturen im Sprintduell ihre Landsfrau Ceylin del Carme

03.11.2024Nach Haverdings Pech macht Michels die Titelverteidigung klar

(rsn) – Jente Michels ist bei der Cross-EM im spanischen Ponteverda die Titelverteidigung im U23-Rennen der Männer gelungen. Der 21-jährige Belgier setzte sich auf dem technisch anspruchsvollen un

03.11.2024Gery sprintet aus Schreibers Windschatten zur Goldmedaille

(rsn) – Mit einem cleveren Auftritt hat sich Célia Gery bei der Cross-EM im spanischen Ponteverda den Titel im Rennen der U23 Frauen gesichert. Die 18-jährige Französin verwies im Sprintduell die

03.11.2024Cross-EM: Agostinacchio bejubelt zweites Gold, Hofer Zweiter

(rsn) – Mit einem souveränen Auftritt hat sich der Italiener Mattia Agostinacchio bei der Cross-EM im spanischen Ponteverda den Titel im Rennen der Junioren gesichert. Der 17-Jährige, der bereits

RADRENNEN HEUTE
  • Keine Termine