Müllers Tour-de-Singkarak-Tagebuch

Nach dummem Fehler am Ende mit leeren Händen dagestanden

Von Robert Müller

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Robert Müller | Foto: Robert Müller

09.11.2018  |  (rsn) - Hallo aus Payakumbuh , West-Sumatra, Indonesien! Der Startschuss zur kürzesten Etappe der Rundfahrt über nur 105 km fiel erst um 14 Uhr Ortszeit, da Freitag Gebetstag ist und alle islamischen Männer in die Moschee gehen müssen. Die Strecke war fast identisch mit der 4. Etappe des Vorjahres, ich wusste also was mich erwarten würde und hoffte, es wie letztes Jahr mit dem Feld über die Bergwertung der 1. Kategorie auf 1000 m hinauf zu schaffen. 

Ansonsten hatte ich nach dem Debakel gestern keine Ambitionen und wollte mich vor allem nicht gleich wieder ab dem Start bei den zahlreichen Attacken aufrauchen, denn ich rechnete ob der Kürze der Etappe mit einem durchgehend schnellen Rennen.

Ich konnte meinen Vorsatz aber nicht einhalten, ging - warum auch immer - zum wiederholten Male die Startattacke mit und fand mich kurz darauf in einer achtköpfigen Gruppe wieder, diesmal vor dem Feld und nicht wie gestern dahinter. Bei der ersten Sprintwertung wurde ich sehr knapp nur Dritter, obwohl ich mich selbst auf dem zweiten Platz gesehen hatte. Danach fuhren wir erneut am Ufer des schönen Singkarak Sees entlang, und das Rennen fahren machte mir bei einem Vorsprung von 2,5 Minuten aufs Feld wieder Spaß. Meine Freude wurde nur etwas durch die Fahrweise der drei Philippiner in der Gruppe getrübt. Die Jungs wissen einfach nicht, wie man in einer Gruppe fährt.

Der Wind kam vom See her von links, also fächerte sich die Windstaffel nach rechts auf, weshalb der Führende sinnvollerweise links fährt, damit die Anderen rechts Platz haben, und er geht auch nach links aus der Führung. Die Philippiner, von denen sich einer erst gar nicht an der Führungsarbeit beteiligte, fuhren jedoch immer wieder ganz rechts am Straßenrand und nahmen uns andere damit auf die Windkante. Außerdem wechselten sie vornehmlich nach rechts ab und nahmen dabei mehrmals fast das Vorderrad ihres Hintermanns mit, was sich trotz meiner zunehmend aggressiveren Versuche, sie zur Vernunft zu bringen, leider nicht änderte.

Als wir nach rechts vom See wegfuhren, ging es zur ersten Bergwertung hinauf, bei der ich ebenfalls Dritter wurde. Und dann passierte mir ein folgenschwerer Fehler: In der Gruppe entstand mal wieder ein Loch und ich wollte nicht erneut der Dumme sein, der es für die anderen zufährt, also wartete ich erst einmal ab. Als mir klar wurde, dass die drei Mann vorne, darunter zwei Fahrer vom gleichen Team und einer von Bike Aid, durchzogen und die Anderen keine Anstalten machten, das Loch zu schließen, attackierte ich und versuchte es alleine. Doch ich schaffte es nicht und bekam auch keine Hilfe von den drei Philippinern. Verzweifelt versuchte ich es noch ein zweites und ein drittes Mal, aber es war nichts zu machen.

Nun ging es in den langen Anstieg zur Bergwertung der ersten Kategorie und ich konzentrierte mich darauf, es noch vor dem Feld bis nach oben zu schaffen, was mir gelang. Kurz vor der Wertung wurde ich vom Träger des Bergtrikots eingeholt und kurz danach vom stark dezimierten Feld. Bevor es in die lange Abfahrt ging, fuhren wir noch einige Kilometer auf der Höhe dahin und es setzte sich eine 5-Mann Gruppe ab. In der Folge wurde das Tempo komplett herausgenommen, wodurch viele am Anstieg abgehängte Fahrer wieder aufschließen konnten und sich ein großes Hauptfeld bildete.

Nach der Abfahrt, die einige kurze, wie man neuerdings sagt "Gravel Passagen“ aufwies, betrug der Vorsprung der dreiköpfigen Spitzengruppe drei Minuten und der fünfköpfigen Gruppe dahinter ca. 1,5 Minuten. Nun wurde mir klar, dass mich mein Fehler, als ich die drei aus meiner Gruppe fahren ließ, der Chance beraubt hatte, ums Podium kämpfen zu können. Im Sprint des Feldes ging es nur noch um Platz 9 und ich hielt mich sehr weit vorne auf, um einem eventuellen Sturz, zu dem es fast wieder gekommen wäre, zu entgehen. Auf den letzten 100 m wurde ich von hinten noch von einigen Fahrern überholt, aber es kümmerte mich nicht sonderlich.

Im Ergebnis fand ich mich auf Platz 16 wieder, nicht der Rede wert. Die Spitzengruppe kam mit über drei Minuten Vorsprung an und der Fahrer von Bike Aid (Clint Hendricks, d. Red) konnte seine beiden Kontrahenten im Sprint bezwingen, womit sie nun jeden Platz auf dem Podium einmal besetzt haben. 

Die Etappe heute war vermutlich meine letzte Chance auf einen Podiumsplatz und zunächst lag ich auch gut auf Kurs, aber dann bin ich durch einen dummen Fehler davon abgekommen und stehe nun wieder mit leeren Händen da. Wirklich ernüchternd, aber wie die Stones schon vor 50 Jahren richtig erkannt haben, “you can’t always get what you want“. Einmal würde mir allerdings schon reichen. Nach den ersten Wiederherstellungsmaßnahmen im Zielbereich stand wie üblich ein von mir sehr ungeliebter eineinhalbstündiger Transfer ins Hotel an.

Die Transfers bei der Rundfahrt hier sind verdammt nervig, insgesamt verbringen wir mehr Zeit im Teambus als auf dem Rad, da die Durchschnittsgeschwindigkeit wegen der engen, holprigen Straßen und des dichten Verkehrs nicht höher liegt als im Rennen. Selten schaffen wir mehr als 40 Kilometer pro Stunde und oft halten wir wegen diesem und jenem mehrmals an. Typischerweise dauert der Transfer am Morgen 1-1,5 Stunden und nach der Etappe 2-4 Stunden, wobei man ungeduscht im Bus sitzt, nur eine Katzenwäsche auf der Straße ist nach dem Rennen möglich. Während der Fahrt kann man nicht viel machen, ich nutze die Zeit zum Dösen und aus dem Fenster schauen und um dieses Tagebuch hier zu schreiben.

Geschenk des Tages: ein Glaskasten mit rückseitigem Spiegel und einem traditionellen Haus und einem Rennrad mit zwei Fahrern darin, gereicht in einer Schatulle und einer Stofftasche.

Morgen gleiche Stelle, gleiche Welle

Gez. Sportfreund Radbert

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