34 Jahre nach dem Vater jubelt der Sohn

Eine Reifenstärke reicht van der Poel zum Ronde-Triumph

Von Peter Maurer

Foto zu dem Text "Eine Reifenstärke reicht van der Poel zum Ronde-Triumph"
Mathieu van der Poel (Alpecin – Fenix) hat die 104. Flandern-Rundfahrt gewonnen. | Foto: Cor Vos

18.10.2020  |  (rsn) - Nach 243,3 Kilometern kam es bei der 104. Austragung der Flandern Rundfahrt zum erhofften Sprintduell von Mathieu van der Poel (Alpecin – Fenix) und Wout Van Aert (Jumbo – Visma), welches der Niederländer ganz knapp für sich entscheiden konnte. Das Duo hatte sich 47 Kilometer vor dem Ziel abgesetzt und machte den Sieg beim letzten Monument des Jahres unter sich aus. Das Zielfoto sprach für den Alpecin-Kapitän, der nach Rang vier beim Debüt 2019 seinen ersten Sieg bei der Flandern-Rundfahrt bejubeln konnte.

"Ich musste lange warten, um wirklich sicher zu sein, dass ich das Rennen gewonnen habe. Es ist unglaublich", freute sich van der Poel nach der Millimeter-Entscheidung von Oudenaarde. "Als ich den Sprint eröffnete, war Wout gleich an meiner Seite. Ich dachte er würde vorbeiziehen, aber dann blieben wir bis zur Ziellinie auf gleicher Höhe", schilderte der Niederländische Meister die letzten Meter der Ronde.

34 Jahre nach seinem Vater feierte nun auch Mathieu van der Poel seinen ersten Triumph bei Belgiens prestigeträchtigstem Radrennen. "Ich glaube, diesen Sprint muss ich mir noch ein paar Mal ansehen", begab sich Van Aert auf erste Fehlersuche nach dem Rennen. "Vielleicht war aber Mathieu aber auch nur ein bisschen stärker heute", fügte er an. Oft genug waren sich die beiden in den vergangenen Jahren im Crosssport aufeinander getroffen nun kam es zum ersten Duell auf der Straße, nachdem sie sich vor einer Woche bei Gent-Wevelgem noch gegenseitig aus dem Kampf um den Sieg nahmen.

Kristoff in Oudenaarde best of the rest

Im Spurt der Verfolger und sicherte sich acht Sekunden hinter dem Spitzenduo Alexander Kristoff (UAE - Team Emirates) den dritten Platz. "Ich habe nicht erwartet, auf dem Podium zu stehen. Die Zuschauer sind mir abgegangen, aber wir müssen glücklich sein, dass wir unter diesen Umständen überhaupt fahren können", meinte der Norweger. Vierter wurde der Franzose Anthony Turgis (Total Direct Energie) vor den weiteren Belgiern Yves Lampaert (Deceuninck – Quick Step), Dimitri Claeys (Cofidis) und Oliver Naesen (AG2R La Mondiale).

Bester Deutscher wurde John Degenkolb (Lotto Soudal) als Neunter, Nils Politt (Israel Start-Up Nation), im Vorjahr noch Fünfter, belegte Rang 19. Der Österreicher Michael Gogl landete auf Platz 28.

Pech hatte der Franzose Julian Alaphilippe (Deceuninck – Quick Step). Der Straßenweltmeister befand sich mit van der Poel und Van Aert an der Spitze des Rennens, kollidierte aber knapp 35 Kilometer vor dem Ziel mit einem Jurymotorrad. Alaphilippe befand sich zu dem Zeitpunkt am Teamfunk als die Gruppe den Offiziellen überholte. Auch van der Poel übersah den Motorradfahrer und konnte mit einem Schlenker gerade so noch ausweichen. Alaphilippe dagegen touchierte mit seinem Vorderreifen das Motorrad und kam dabei schwer zu Sturz.

So lief das Rennen:

243,3 Kilometer von Antwerpen nach Oudenaarde galt es bei der 104. Austragung der Ronde van Vlaanderen 2020 zu absolvieren. 174 Fahrer machten sich in der belgischen Hafenstadt auf den Weg über die insgesamt 17 Hellingen und die fünf Kopfsteinpflasterpassagen. Mit Vorjahressieger Alberto Bettiol (EF Pro Cycling), Niki Terpstra (Total Direct Energie) und Kristoff fanden sich drei ehemalige Gewinner des Rennens im Starterfeld ein.

Kurz nach dem Start probierten neun Fahrer sich abzusetzen. Darunter fand sich der Österreicher Gregor Mühlberger (Bora - hansgrohe). Doch der erste Versuch wurde noch einmal vom Feld gestellt, trotzdem probierte es der 26-Jährige erneut und schaffte im zweiten Anlauf den Sprung nach vorne. Gemeinsam mit Gijs van Hoecke (CCC) Samuele Battistella (NTT) Dimitri Peyskens (Bingoal - Wallonie) Danny van Poppel (Circus - Wanty) und Fabio Van Den Bossche (Sport Vlaanderen) bildete Mühlberger die Gruppe des Tages, die sich schnell einen Vorsprung von fünf Minuten erarbeitete, ehe das Feld reagierte.

Der Frühjahrsklassiker, der diesmal aufgrund der Corona-Epidemie im Spätherbst und praktisch ohne Zuschauer ausgetragen wurde, bot Sonnenschein und auch das gewöhnte Bildr mit vielen Defekten, Stürzen und Zwischenfällen. Auch Mühlberger blieb davon nicht verschont, als sich in einer Verpflegungszone sein Essensbeutel im Lenker verfingt.

Doch der Österreicher konnte das Rennen fortsetzen und seine Gruppe hatte zwischendurch einen Maximalvorsprung von neun Minuten. Auch dahinter mussten einige Favoriten Bekanntschaft mit dem belgischen Asphalt machen. So erwischte es auch die Pflasterspezialisten Naesen, Van Aert oder Tim Wellens (Lotto Soudal). Die drei Belgier konnten das Rennen ebenfalls fortsetzen.

Frühe Attacke der Favoriten

Auf die letzten 100 Kilometer ging die Spitzengruppe sogar mit einem Vorsprung von knapp sieben Minuten, dahinter versuchte der Norweger Edvald Boasson Hagen (NTT) sich vom Feld zu lösen. Generell zeigte das südafrikanische Team ein sehr offensives Rennen, denn als Boasson Hagen wieder geschluckt wurde, probierten es seine Teamkollegen Michael Valgren und Maximilian Walscheid. Durch die vielen Attacken flog das Feld auseinander, sammelte sich aber immer wieder.

50 Kilometer vor dem Ziel wurde die Ausreißergruppe rund um Mühlberger gestellt und die entscheidende Phase des Rennens begann. Gut 30 Fahrer umfasste das Feld noch als es in den Koppenberg ging. Dort konterte Alaphilippe einen Angriff von Dylan van Barlee (Ineos Grenadiers). Wenig später stieß van der Poel zum Franzosen und am Taaienberg erreichte auch Van Aert das Duo.

Das Trio erarbeitete sich einen kleineren Vorsprung, als es plötzlich zu einem Zwischenfall mit einem Jurymotorrad kam, das sich hinter die Gruppe zurückfallen lassen wollte. Alaphilippe  übersah das Motorrad und kam zu Fall. Schreiend vor Schmerzen blieb der Franzose am Boden liegen und somit verblieben die beiden Topfavoriten Van Aert und van der Poel vorne.

Das Duo konnte seinen Vorsprung auf die Verfolger auf über eine Minute ausbauen und teilte sich  die Führungsarbeit auf. Die letzte Überquerung des Oude Kwaremont brachte keine Veränderung an der Spitze, dahinter löste sich Naesen von den Verfolgern und versuchte die beiden Führenden alleine einzuholen.

Van der Poel ging als erster in den Paterberg, der letzten Schwierigkeit der Austragung 2020. Die beiden großen Siegeskandidaten absolvierten auch das Hindernis Seite an Seite und fuhren den letzten zehn Kilometern entgegen, währenddessen die Verfolgergruppe wieder Naesen einholte.

Der Vorsprung des Duos sank zwar, allerdings kamen die Verfolger zu spät angeflogen. 200 Meter vor dem Ziel zog dann van der Poel den Sprint an. Van Aert ging aus dem Windschatten und es nebeneinander zur Ziellinie. Am Ende entschied das Zielfoto zu Gunsten des Niederländers, der sein erstes Monument um Reifenbreite gewinnen konnte.

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