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04.02.2022 | (rsn) - Rolf Aldag will Bora - hansgrohe mit der Neuausrichtung auf Siege im Gesamtklassement fest an der Spitze der Profiteams etablieren. Eine Schlüsselrolle kommt dabei Lennard Kämna zu. Der Rundfahrtspezialist will aktuell bei der Saudi Tour wieder echtes Straßengefühl in die Beine bekommen. Und Aldag kann bereits bei dem Rennen auf der arabischen Halbinsel überprüfen, welche frühen Früchte seine Herangehensweise dem Rennstall bringt. Beide strotzen vor Leidenschaft für ihren Sport.
Am deutlichsten bringt das Aldag zum Ausdruck. “Es geht nicht darum, jetzt alles neu zu machen. Bora ist ein Weltklasseteam. Sieht man das Ranking über die Jahre, dann waren sie immer mit vorn dabei. Da gibt es nicht mehr sehr viel zu verbessern. Es geht nicht um mehr, mehr, mehr, sondern um anders“, sagte er zu radsport-news.com.
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Unter “anders“ versteht er vor allem eine verstärkte Aufmerksamkeit für die persönliche Ebene. “Mein Ziel ist, sehr viel Zeit mit den Menschen zu verbringen, die das Team ausmachen. Das sind Rennfahrer, das Personal, die Coaches, die Sportdirektoren. Es geht darum, viel miteinander zu sprechen, viel Input zu kriegen, viel von den persönlichen Stärken herauszufinden. Wo liegen die? Und was bewegt uns, morgens um 7 Uhr aufzustehen und wenn es sein muss, 16 Stunden zu arbeiten. Die menschliche Komponente ist mir einfach wichtig“, erzählte er.
Lennard Kämna bereitet sich nach seiner Auszeit bei der Saudi Tour auf die Saison vor | Foto: Cor Vos
Kämna ist voll des Lobes über Aldags Stil
Nur ums pure Zuhören geht es Aldag dann aber auch nicht. Rennstallchef Ralph Denk hat die Sportliche Leitung schließlich ausgetauscht, weil er sich davon einen neuen Schub verspricht. Und Aldag will das Wissen um die Stärken wie um die Schwächen und die Sorgen dazu nutzen, Bora - hansgrohe als Ganzes eben besser zu machen. “Ich bin der Meinung, wenn man Leuten etwas auferlegt, dann bekommt man wahrscheinlich auch 95 Prozent zurück, aber nicht 100 Prozent. Und wenn man ganz große Ziele hat, dann geht es auch nur mit 100 Prozent Commitment. Und das liegt mir am Herzen.“
Für einen Rennfahrer wie Kämna, der das Gefühl braucht, gewollt und respektiert zu werden und der erst dann sein Potenzial mit großer Lust zu entfalten in der Lage ist, klingt das nach einem idealen Biotop. Und der Fischerhuder ist auch voll des Lobes über den Stil des neuen Sportdirektors. “Rolf bringt eine Menge Erfahrung und auch eine Menge Schwung mit. Er ist ein sehr lebendiger Mensch. Mit Enrico (Gasparotto) haben wir auch einen neuen Sportlichen Leiter. Da sind schon viele gute Ideen entstanden“, erzählte Kämna. Und wie er es sagte, klang es ganz und gar nicht nach dem Lob, das man über einen Chef auch äußern muss, um weiter sein Ding machen zu können.
An der neuen Herangehensweise gefällt Kämna unter anderem, dass sich schon jetzt sehr intensiv mit dem Giro beschäftigt wurde. “Wir haben uns zusammengesetzt und sind schon jetzt die Strecken durchgegangen. Wir haben einen sehr genauen Plan entwickelt, was wir machen wollen. Man merkt einfach eine starke Motivation“, meinte er. Kämna geht seinen Neuaufbau nach längerer Pause mit Bedacht an. “Ich fühle mich gut. Ich hatte auch einen guten Winter, nicht den perfekten, aber doch anständig. Und ich denke, ich bin auf einem soliden Level, um Rennen zu fahren“, betonte er.
Rolf Aldag bespricht mit Ryan Mullen den Tag. Der neue Sportdirektor der Raublinger setzt auf Kommunikation, um das Team voranzubringen | Foto: Cor Vos
Bei der Saudi Tour geht es ums “Rennfeeeling“
Die Saudi Tour ordnet er aber ganz deutlich als Vorbereitungsrennen ein. “Es geht erst einmal darum, wieder Rennfeeling zu haben und Intensität in die Beine zu bekommen.“ Bei dem giftigen Anstieg am heutigen Freitag, mit teilweise 18,8 Prozent Steigung zum 1.200 Meter hoch gelegenen Aussichtspunkt Harrat, sieht er sich noch nicht als einen, der um den Tagessieg mitfährt.
Aldag beurteilt das ganz ähnlich. “Wir gehen es einfach langsam mit ihm an. Lennard ist ganz lange keine Straßenrennen gefahren. Beim Cape Epic hat er das erste Mal wieder eine Nummer drauf gemacht, aber das war mit dem Mountainbike. Es ist schon ein Unterschied, mit einem guten Freund und Kollegen wie Ben Zwiehoff durch die schöne Landschaft Südafrikas zu radeln oder sich jetzt hier durchzusetzen im Seitenwind gegen andere Teams.“ Aldag will Kämna zum jetzigen Zeitpunkt stattdessen vor allem das Gefühl vermitteln, Teil eines Teams zu sein und seinen Beitrag dafür zu leisten.
Team-Chef Ralph Denk nutzt jede Gelegenheit, um selbst Rad zu fahren. | Foto: Cor Vos
Kämnas selbst gewählter Rückzug ein “Zeichen charakterlicher Reife“
Vor allem aber will er für Rahmenbedingungen sorgen, die Kämna die seinen Beruf dauerhaft mit Freude ausüben lassen. Die hat Kämna jetzt in spürbarem Maße. “Ich habe eine Riesenleidenschaft für den Radsport“, sagte er. Manchmal kämen aber “gewisse Dinge zusammen, die dann so aufs Fahrradfahren ausstrahlen, dass man da dann keinen Bock mehr drauf hat“, erklärte er die selbst genommenen Pausen.
Sein neuer Sportdirektor zeigt dafür nicht nur Verständnis, er sieht sie sogar als Zeichen für charakterliche Reife. “Das zeigt vor allem, dass er authentisch ist und sich nicht dreht und windet. Und dann tut es ihm mal hier weh oder da weh. Und man will eigentlich nicht mehr, guckt aber auf das Geld, das jeden Monat kommt und macht einfach weiter. Lennard hingegen trifft dann die Entscheidungen, die für ihn wichtig sind und gut“, meinte Aldag.
Kämna käme aber auch zugute, dass sich die Zeiten geändert hätten. “Vor 25 Jahren hätten alle den Kopf geschüttelt und das als Schwäche ausgelegt. Aber das ist es ja nicht. Man muss ja auch verstehen, man ist nur dann erfolgreich, wenn man zu 100 Prozent dabei ist. Und dann ist es nicht eine Form von Schwäche, sondern eher eine Form von Stärke und vor allen Dingen von Konsequenz.“
Aldag glaubt an Kämna: “Das Talent ist ja nicht einfach weg“
Aldag will Kämna wieder zur alten Form zurückführen. 2020 gewann der ehemalige Zeitfahrweltmeister der Junioren die 16. Etappe der Tour de France nach Villard-De-Lans. | Foto: Cor Vos
Diese Konsequenz dann auch im Rennen zu zeigen, ist die Aufgabe für diese Saison. Kämnas Highlight soll der Giro werden. “Danach werden wir weiter sehen“, meinte er. Vor allem aber kommt es ihm darauf an, “mich in diesem Jahr stabil zu präsentieren und das zu leisten, was ich in früheren Jahren, vor allem 2020, geleistet habe.“ Damals holte er Etappensiege bei der Tour de France und dem Critérium du Dauphiné.
Auch Aldag glaubt, dass Kämna wieder dort hinkommen kann. “Das Talent ist ja nicht einfach weg“, meinte er trocken. Damit es einen nach oben trägt, müssten aber auch andere Komponenten stimmen. Aldag zumindest ist sich sicher, dass das gelingt, bei Kämna, aber auch bei den anderen Profis des Rennstalls.
Von sich ist er so überzeugt, dass er sagt: “Einfach kann ja jeder. Da braucht es keine Expertise.“ Aldag macht es nicht einfach, er macht auch nicht alles neu, er macht es aber anders. Auf diese Bora-Saison darf man gespannt sein.
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