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23.05.2022 | (rsn) – Sie ist das wichtigste Etappenrennen Deutschlands: Am Dienstag beginnt im bayerischen Hof die 35. Thüringen-Rundfahrt der Frauen. Sechs Etappen stehen auf dem Programm und erstmals wird es täglich eine Live-TV-Übertragung im MDR (TV-Zeiten siehe unten) sowie im Eurosport Player (jeweils 14-16 Uhr) geben.
Dort werden die Zuschauer eine Reihe sehr interessanter Talente beobachten können, leider aber erstmals seit Jahren kaum große Stars des Frauen-Radsports. Denn das Rennen hat ein Problem: Es steht als ProSeries-Event im Schatten der in diesem Jahr deutlich angewachsenen Women's WorldTour und passte für kaum ein großes Team mehr in den vollen Kalender.
Die Rundfahrt überschneidet sich mit dem neuen WWT-Etappenrennen am kommenden Wochenende in London, und die bergfesteren Rundfahrerinnen haben gerade zwei schwere Rennen in Spanien hinter sich. So steht am Dienstag in Hof nur ein einziges der 14 WorldTour-Teams am Start: BikeExchange-Jayco – und das auch eher mit seinem zweiten Anzug.
Trotzdem dürfen sich Veranstaltungs-Chefin Vera Hohlfeld und ihr Team immerhin über drei Bahn-Weltmeisterinnen beziehungsweise -Olympiasiegerinnen und drei ehemalige Cross-Weltmeisterinnen sowie eine Reihe sehr interessanter, hoffnungsvoller Talente im Starterfeld freuen. Lisa Brennauer und Franziska Brauße stehen mit dem deutschen Team Ceratizit – WNT genauso am Start wie Laura Süßemilch, Sanne Cant und Ceylin Del Carmen Alvarado mit Plantur – Pura oder Thalita De Jong als Anführerin der Niederländischen Nationalmannschaft.
Brennauer will "Zeichen setzen und die Thüringen-Rundfahrt unterstützen"
"Die Thüringen-Rundfahrt ist momentan die einzige internationale Rundfahrt in Deutschland und hat natürlich schon deshalb für uns deutsche Fahrerinnen einen besonderen Wert. Darum habe ich mich auch zusammen mit meinem Team dazu entschieden, wieder hier zu fahren und nicht beim zeitgleichen Ride London", erklärte Brennauer.
"Ich möchte damit auch ein Zeichen setzen und die Thüringen-Rundfahrt unterstützen. Natürlich ist es schade, dass die Rundfahrt vor einigen Jahren nicht den Sprung in die WorldTour geschafft hat, weil sie diesen Stellenwert verdient hätte. Es ist aber trotzdem toll, was hier seit Jahren geleistet wird", so die Gesamtsiegerin von 2017 und 2018.
Schon seit Einführung der Women's WorldTour im Jahr 2016 warf sich jedes Jahr die Frage auf, ob und wann Thüringen zur ersten Liga gehört. Das Starterfeld passte stets, die Organisation war immer gut. Doch TV-Bilder fehlten dem Radsport-Weltverband UCI – anfangs brauchte es für die WorldTour-Lizenz Highlights, seit zwei Jahren nun fordert das Reglement eine Live-Produktion von 90 Minuten.
Live-TV ein sehr wichtiger Schritt
Hohlfeld und ihr Team konnten das leider nie bieten und blieben in der zweiten Kategorie, der ProSeries. Bis 2021 war das für die Startliste auch kein Problem. Die großen Teams kamen aufgrund des guten Rufes des Rennens trotzdem. Doch durch den 2022 nun fast doppelt so umfangreichen WorldTour-Kalender änderte sich das.
"Die Live-Übertragung ist jetzt sicher ein Schritt nach vorn", meint Brennauer und auch Rundfahrtchefin Hohlfeld ist erleichtert, das nun auf die Beine gestellt zu haben: "Die Live-Übertragung ist für mich endlich eine besondere Art von Wertschätzung. Darüber freue ich mich riesig, dass wir das endlich anbieten können." Theoretisch könnte nun auch die WorldTour-Lizenz wieder ein Thema werden. Praktisch aber muss man nun erstmal einen Platz im Kalender finden, der nicht mit anderen Rennen kollidiert.
Hohlfeld und ihr Team haben organisatorisch ohnehin schwierige Jahre hinter sich – erst sorgte die Corona-Pandemie für Probleme, nun belastet die Inflation das Budget. "Durch die Weltkrise ist in diesem Jahr alles schwerer – so viele Mehrkosten", sagte Hohlfeld unlängst dem Windkante-Podcast.
Umso stolzer darf man in Thüringen sein, dass man es erneut geschafft hat, die Rundfahrt an den Start zu bringen, während es anderswo in Deutschland keiner der großen Männer-Veranstalter hinbekommt, auch ein Frauenrennen zu finanzieren und veranstalten – weder in Frankfurt noch in Köln und Hamburg oder bei der Deutschland Tour.
Zukunft in der WorldTour oder als Talentförderer – wohin führt der Weg?
Sportlich eröffnen sich durch die qualitativ dünner besetzte Startliste nun andere, interessante Perspektiven: Denn wenn die ganz großen Namen fehlen, so können nun einige vielversprechende Talente ins Rampenlicht fahren. Das niederländische Team Parkhotel Valkenburg hat rund um Mischa Bredewold einige davon im Gepäck und auch das Nachwuchsteam des deutschen WorldTour-Rennstalls Canyon-SRAM, Canyon-SRAM Generation, steht mit den Deutschen Ricarda Bauernfeind und Antonia Niedermaier am Start.
Alles Namen, die man sich merken sollte, weil sie in Zukunft in der Weltspitze auftauchen könnten. Und so gesehen stünden auch sie der Siegerliste der Thüringen-Rundfahrt in einigen Jahren möglicherweise sehr gut zu Gesicht.
"Ricarda Bauernfeind traue ich einiges zu – nicht nur hier, auch in den nächsten Jahren", sagt Hohlfeld. Die Dritte der Deutschen Meisterschaft 2021 in Stuttgart und ebenfalls Dritte der Andalusien-Rundfahrt zu Monatsbeginn war zuletzt aber etwas krank: "Ich musste nach der Vuelta Andalucia etwas pausieren", so die 22-Jährige, versprach aber: "Aber ich bin zurück im Training und bekomme langsam wieder Form. Ich werde mein Bestes geben."
Jumbo-Duo führt Nationalteam an
Zu den Favoritinnen gehören neben der Australierin Ruby Roseman-Gannon sicher auch die beiden beim Team Jumbo – Visma unter Vertrag stehenden Deutschen Romy Kasper und Linda Riedmann, die beide mit der Deutschen Nationalmannschaft in Thüringen starten. Riedmann gewann am Sonntag den Bundesliga-Auftakt in ihrer Heimat Karben vor Kasper.
Ein großes Fragezeichen steht jedoch über der Form von Brennauer. Die zweifache Gesamtsiegerin musste Mitte April wegen einer Corona-Infektion auf Paris-Roubaix verzichten und bestreitet nun ihr erstes Rennen seitdem. "Ich hatte sehr lange Zeit Kopfschmerzen, das war mein Hauptproblem", erklärte sie im Vorfeld der Rundfahrt. Seit zwei Wochen sei sie nun zwar wieder im Training, aber: "Ich habe durch die Pause einiges an Substanz eingebüßt und werde noch nicht ganz fit bei der Thüringen-Rundfahrt am Start stehen."
Schwere Strecke ohne Zeitfahren
Um zur Nachfolgerin der in diesem Jahr abwesenden Lucinda Brand im Gelben Trikot zu werden, braucht es an den kommenden sechs Tagen sicher schnelle Beine, um bei den Etappenankünften und Zwischensprints Bonifikationen zu erspurten. Doch reine Sprinterinnen werden es schwer haben, weil auch der Hankaberg auf der 3. Etappe rund um Dörtendorf beispielsweise wieder als Mini-Bergankunft im Programm steht und das vierte Teilstück durch den Thüringer Wald zur Automobil-Rennstrecke Schleizer Dreieck führt. Ein Zeitfahren gibt es in Thüringen seit dem vergangenen Jahr nicht mehr.
"Ich denke die schwersten Tage werden Dörtendorf, Schleiz und Gotha werden", prognostizierte Hohlfeld, gab aber auch zu bedenken: "Eine Vorentscheidung kann jeden Tag passieren, auch am ersten Tag schon – wie 2019, als eine Gruppe ging, die unterschätzt wurde." Damals feierte Kathrin Hammes den Gesamtsieg bei der aus werberechtlichen Gründen nur noch in Thüringen selbst als Lotto Thüringen Ladies Tour firmierenden Rundfahrt.
Die Etappen:
1. Etappe, 24.5.: Hof – Hof, 93, 8 km (Live im MDR: 15:15-16:00 Uhr)
2. Etappe, 25.5.: Gera – Gera, 99,6 km (Live im MDR: 15:15-16:00 Uhr)
3. Etappe, 26.5.: Dörtendorf – Dörtendorf, 129,2 km (Live im MDR: 14:05-15:10 Uhr)
4. Etappe, 27.5.: Schleiz – Schleiz, 127 km (Live im MDR: 15:15-16:00 Uhr)
5. Etappe, 28.5.: Gotha – Gotha, 133,1 km (Live im MDR: 15:20-16:20 Uhr)
6. Etappe, 29.5.: Altenburg – Altenburg, 104,3 km (Live im MDR: 15:30-16:25 Uhr)
Die Teams:
WWT: BikeExchange - Jayco
ProTeam: Ceratizit - WNT, Plantur - Pura, Parkhotel Valkenburg, Le Col - Wahoo, Coop - Hitec Products, Arkéa, Canyon - SRAM Generation, Top Girls Fassa Bortolo, Roxsolt Liv SRAM, BePink, Lotto Soudal Ladies
Nationalteams: Niederlande, Belgien, Deutschland
Club-Teams: Team Stuttgart, Maxx-Solar Lindig
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