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30.12.2022 | (rsn) – Es war eine kurze Saison für Antonia Niedermaier, aber eine, die sich voll und ganz gelohnt hat: Die 19-Jährige aus Bad Aibling ist nach ihrem Abitur zwar erst spät ins Radsportjahr 2022 eingestiegen, feierte aber bei nur 15 Renntagen gleich zwei Tageserfolge sowie einen Gesamtsieg und krönte ihre ersten Auftritte im Elite-Peloton gleich mit dem Aufstieg vom Entwicklungs- ins WorldTour-Team von Canyon – SRAM. Dass Niedermaier trotzdem nicht vollends glücklich mit ihrer Rad-Saison war, zeigt, wie ehrgeizig der bayrische Youngster offensichtlich bereits ist.
"Ich bin schon zufrieden, aber es hätte besser laufen können. Die Umstände haben es nicht so leicht gemacht", bilanzierte sie gegenüber radsport-news.com. "Ich bin wegen des Abiturs relativ spät eingestiegen, erst in der zweiten Saisonhälfte. Als ich dann richtig drin war, hat mich erstmal Corona erwischt. Danach stand die Toskana-Rundfahrt an und da lief es nicht so gut. Aber danach kam die Ardeche und da ging es natürlich schon sehr gut - zum Glück!"
Doch fangen wir von vorne an: Schon bei ihren ersten internationalen Auftritten als Juniorin 2021 glänzte Niedermaier und versprach, ein großes Talent zu sein – vor allen in Zeitfahren präsentierte sie sich bärenstark, wurde Vize-Europameisterin in Trento und holte WM-Bronze in Brügge – geschlagen nur von den Überfliegerinnen Alena Ivanchenko und Zoe Backstedt.
___STEADY_PAYWALL___ Ronny Lauke verpflichtete sie daraufhin für das neue Team Canyon – SRAM Generation, die Entwicklungsmannschaft seines WorldTour-Kaders. Doch während ihre Teamkollegin Ricarda Bauernfeind dort vom Jahresbeginn an Spitzenergebnisse einfuhr, war von Niedermaier zunächst im Rennbetrieb nichts zu sehen. Der Grund? Sie konzentrierte sich im ersten halben Jahr voll auf die Schule, brachte erfolgreich ihr Abitur hinter sich. "Ich war nie eine Musterschülerin, aber ich habe es ganz gut hinter mich gebracht", lachte sie bei der Frage nach dem schulischen Abschneiden. "Mit Mathe stand ich immer etwas auf dem Kriegsfuß."
Fünfte bei den Deutschen Meisterschaften
Erst Ende Juni stand sie bei den Deutschen Meisterschaften im Sauerland dann am Start eines UCI-Elitewettbewerb – und setzte sofort ein Ausrufezeichen, indem sie Fünfte des Straßenrennens wurde.
Gemeinsam mit Teamkollegin Ricarda Bauernfeind (links) fuhr Antonia Niedermaier bei den Deutschen Meisterschaften in der fünfköpfigen Favoritinnengruppe. | Foto: Cor Vos
"Das war schon überraschend. Ich hatte richtig Respekt vorher, weil ich davor noch nie ein Rennen über 100 Kilometer gefahren bin – und auch noch nie mit so vielen Höhenmetern. Ich dachte mir deshalb: Na, ob ich da mithalten kann?", gestand Niedermaier nun im Rückblick. "Aber ich bin die Attacken dann im Rennen gut mitgegangen und so hat es sich gut ergeben. Ich glaube es war erst mein achtes Straßenrennen insgesamt."
Eine Woche später feierten Bauernfeind und Niedermaier einen Doppelsieg bei den U23-Meisterschaften und Mitte Juli ging es zu den U23-Europameisterschaften nach Portugal, wo Bauernfeind Elfte, Linda Riedmann 15. und Niedermaier 20. wurde. Im Einzelzeitfahren, ihrer Paradedisziplin, durfte Niedermaier aber nicht ran.
Zwei Wochen später ging es in die Slowakei zum ersten Rennen der Mini-Serie Visegrad 4 Ladies Series. Niedermaier wurde beim Sieg von Teamkollegin Bauernfeind Achte, doch tagsdrauf stand sie in Ungarn nicht mehr am Start – Corona. Es folgte eine Zwangspause und schließlich Ende August die Toskana-Rundfahrt in Italien. Dort wurde Niedermaier 15. im Prolog und 17. der Gesamtwertung, doch die an sich guten Ergebnisse befriedigten sie kaum.
Umso mehr tat das aber die Ardeche-Rundfahrt im September. Auf den ersten drei Etappen stand Niedermaier da noch im Schatten von Teamkollegin Bauernfeind, doch als die dann wie geplant in Richtung Australien zu den Weltmeisterschaften abreiste, schlug die Stunde der 19-Jährigen. Niedermaier gewann die Etappen 4 und 5 sowie schließlich die Gesamtwertung.
Triumphzug an der Ardeche
"Ricarda ist nach der 3. Etappe zur WM geflogen und ich wusste nicht wirklich, was ich tun und wie ich am besten fahren soll. Sie war schon immer so ein bisschen meine Stütze in Rennen, gerade auch taktisch. Aber ich bin dann auf der 4. Etappe einfach rausgefahren, weil ich mir dachte: Ob ich am Berg alles von vorne fahre, oder ob ich es probiere, ist auch egal", schilderte sie nun erfrischend offen ihren ersten Profisieg, den sie sich mit einem beeindruckenden 70-Kilometer-Solo sicherte.
Zwei Tagessiege feierte Antonia Niedermaier an der Ardeche für Canyon – SRAM Generation, beide als Solistin. Und so gewann sie auch das Rosa Trikot der Gesamtsiegerin. | Foto: Canyon – SRAM Racing
"Mein Glück war, dass sie mich alle nicht kannten und deshalb fahren lassen haben", meinte sie mit Blick auf die frühe Attacke schon im ersten Anstieg des Tages. "Ich habe mir gedacht: Das wird jetzt ein langes Zeitfahren und ersetzt dafür alle Zeitfahren, die ich dieses Jahr nicht gefahren bin oder nicht fahren durfte."
Niedermaier erreichte das Ziel in Sarras mehr als eine Minute vor den Favoritinnen und übernahm auch die Gesamtführung, nur um dann am nächsten Tag bei einer Bergankunft am Mont Lozere noch einen zweiten Solosieg draufzusetzen. So gewann sie die Rundfahrt nach sieben Tagen in Südfrankreich mit 1:14 Minuten Vorsprung auf Loes Adegeest und reihte sich in eine sehr illustre Liste an Gesamtsiegerinnen ein: Amber Neben, Kristin Armstrong, Emma Pooley sowie in den letzten vier Jahren Katarzyna Niewiadoma, Marianne Vos, Lauren Stephens und Leah Thomas stehen da unter anderen bereits drauf – und nun eben auch der Name Niedermaier.
Toni wie Toni, aber eben auch nicht ganz wie Toni
Die Belohnung schließlich war der Aufstieg ins WorldTour-Team. Doch auch in der neuen Saison wird Niedermaier, die mit ihrem Freund inzwischen in Reutte in Tirol wohnt und von keinem geringeren als Dan Lorang trainiert wird, zunächst ein Ziel verfolgen, das nicht im Radsport liegt. Anfang März nimmt die Quereinsteigerin noch an den Weltmeisterschaften in ihrer ursprünglichen Hauptsportart teil: dem Skibergsteigen.
Ronny Lauke (rechts) hat sowohl Antonia Niedermaier (Mitte) als auch Ricarda Bauernfeind (links) für 2023 in den WorldTour-Kader befördert. | Foto: Roth Foto
Erst danach liegt der Fokus wieder voll auf dem Straßenradsport. Doch auch für die nächsten Jahre wird sich daran nichts ändern. Denn einen kompletten Umstieg wie Toni Palzer vom Team Bora – hansgrohe wird Toni, so auch ihr Spitzname, Niedermaier zunächst nicht machen. "Das Skibergsteigen liegt mir sehr am Herzen. Ich bin auf den Ski aufgewachsen und der Sport wird 2026 olympisch. Das würde ich natürlich supergern mitnehmen. Ob es funktioniert, werden wir sehen", meinte sie. "Aber ich will das Skibergsteigen auf jeden Fall beibehalten, auch wenn nicht mehr jeder Weltcup gehen wird."
Die Kombination des Skibergsteigens mit dem Straßenradsport kann aber gut funktionieren. Wie Niedermaier erklärt, ist das Straßenrad ohnehin schon seit Jahren einer ihrer wichtigsten Trainingspartner, da mit ihm viel besser Ausdauer-Umfänge trainiert werden könnten, als auf Ski oder im Laufschuh.
"Schau'n mer ma', dann seh'n mer scho'"
Wie genau ihr Rennplan für die kommende Saison mit Canyon – SRAM dann ab März aussehen wird, das weiß Niedermaier noch nicht. Doch klar ist, nach allem was sie bislang gezeigt hat: Bergige Rennen und Zeitfahren sind genau ihr Ding. "Ich bin keine Sprinterin, ganz offensichtlich", meinte auch sie selbst. "Ich glaube, dass ich erstmal Helferrollen übernehmen darf – und das finde ich auch gut, denn ich mag es, wenn ich Aufgaben habe. Und ich bin gespannt, wie es im großen WorldTour-Geschehen zugeht. Da werde ich mich sicher nochmal umschauen!"
Konkrete Ziele jedenfalls habe sie sich auf dem Rennrad noch nicht gesteckt, auch langfristig nicht: "Ich bin keine Träumerin. Mein Motto ist eher schau'n mer ma', dann seh'n mer scho'."
(rsn) – Wie bei den Männern, so hat radsport-news.com auch unter den Frauen mit eigenem Punkteschlüssel die beste Straßenfahrerin des deutschsprachigen Raumes – Deutschland, Liechtenstein, Luxe
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