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02.01.2023 | (rsn) – Wenn man beim Giro d'Italia in einer Abfahrt schwer stürzt und sich das Becken bricht, ist das alles andere als ein schönes Erlebnis. Wenn es einem fast auf den Tag genau ein Jahr später aber beim selben Rennen gleich nochmal passiert, dann darf man wohl wirklich frustriert sein: Clara Koppenburg durchlebte in der Saison 2022 dieses brutale Déjà-vu-Erlebnis, das durch die äußeren Umstände sogar noch verstärkt wurde. Trotzdem konnte die 27-jährige Lörracherin im Rückblick auch sehr positive Momente im abgelaufenen Jahr finden und daraus viel Motivation für 2023 schöpfen.
"Man muss das Positive sehen und versuchen ins nächste Jahr mitzunehmen", erklärte Koppenburg radsport-news.com. "Selbst vom Giro habe ich eher in Erinnerung, dass ich vor dem Sturz am Berg rausgefahren bin und so lange allein war. Das ist etwas, was mich jetzt antreibt."
___STEADY_PAYWALL___Denn die Cofidis-Neuverpflichtung hat 2022 an mehreren Stellen bewiesen, dass sie bergauf zur erweiterten Weltspitze gehört und Spitzenergebnisse einfahren kann – und das obwohl Koppenburg gar nicht auf allzu viele Renneinsätzen gekommen ist. Um die flämischen Frühjahrsklassiker machte sie bewusst einen Bogen, bei den spanischen WorldTour-Rundfahrten im Baskenland und in Burgos im Mai war ihr Team nicht dabei.
"Das ist natürlich etwas schade, aber da wir kein WorldTour-Team sind, sind wir eben auf Einladungen angewiesen", so Koppenburg, die allerdings nicht bedauerte, den März nicht in Belgien verbracht zu haben: "Wenn ich darüber nachdenke, Paris-Roubaix zu fahren, stellen sich mir alle Nackenhaare auf."
Formaufbau für den Giro und die Tour
Stattdessen fuhr Koppenburg im Frühjahr lediglich die Valencia-Rundfahrt (2.1), die Trofeo Alfredo Binda (1.WWT) und den Flèche Wallonne (1.WWT) – jeweils ohne besonders große Ergebnisse. Der Fokus aber lag im Formaufbau ohnehin voll auf dem Sommer mit Giro d'Italia und Tour de France. Und dieser Aufbau schien, das zeigte der Juni, auch gut zu funktionieren. Beim Alpes Gresivaudan Classic (1.2) Anfang Juni wurde sie Dritte, einzig im Endspurt fehlte gegen Siegerin Evita Muzic die nötige Spritzigkeit. Und eine Woche danach kletterte lediglich Marta Cavalli (FDJ Nouvelle Aquitaine Futuroscope) bei der Ventoux Challenge (1.2) 41 Sekunden schneller den 'Riesen der Provence' hinauf, Koppenburg wurde Zweite.
"Das war ein Highlight in meinem Jahr", blickte Koppenburg nun auf den Juni zurück. "So nah an Marta Cavalli dran zu sein, das hat ein gutes Gefühl gegeben, war gut fürs Selbstbewusstsein. Was mich aber auch besonders gefreut hat, war die Tour de Suisse und besonders die 1. Etappe dort auf einem Terrain, das eigentlich gar nicht meins war. Aber ich habe attackiert und es hat geklappt. Dass dieser Mut belohnt wurde, war sehr schön und irgendwie mein Höhepunkt in der Saison."
Clara Koppenburg bei der Deutschen Meisterschaften im Sauerland, wo sie als Vierte des Straßenrennens knapp das Podium verpasste. | Foto: Cor Vos
Rund um Vaduz nämlich ging Koppenburg auf einer hügeligen Etappe in die Offensive und fuhr dann in einem Trio mit Lucinda Brand (Trek - Segafredo) und Pauliena Rooijakkers (Canyon - SRAM) um den Auftaktsieg. Brand gewann den Sprint um den Tagessieg und das Gelbe Trikot, doch Koppenburg wurde erneut starke Zweite. Schade nur, dass tagsdrauf ein Einzelzeitfahren wartete, in dem Koppenburg 3:20 Minuten auf Siegerin Kristen Faulkner (Jayco AlUla) und 2:13 Minuten auf Brand einbüßte. Die Plätze neun und sechs auf den weiteren Etappen sicherten trotzdem immerhin Rang sieben in der Gesamtwertung.
Achillesferse Zeitfahren
Doch ausgerechnet das Zeitfahren, das zu Karrierebeginn einst als eine große Stärke von Koppenburg galt, ist inzwischen zum Schwachpunkt geworden. In den vergangenen Jahren baute die Kletter-Spezialisten auf dem TT-Bike ab, hatte von ihren Teams auch gar keins mehr daheim. "Seit 2019 hatte ich nie wieder ein Zeitfahrrad. Aber weil es für die Muskulatur, gerade die hintere Muskelkette, etwas ganz anderes ist, muss man auf dem Zeitfahrrad schon viel und regelmäßig trainieren, wenn man da gut sein will", bedauerte sie. "Ich saß dieses Jahr zweimal drauf, habe es Mitte Juni zum ersten Mal gesehen. Bei der Tour de Suisse konnte ich meine Sitzposition dann gar nicht halten."
Für 2023 hat sich Koppenburg vorgenommen, das wieder etwas zu verbessern. Schließlich wird es bei der Tour de France Ende Juli am Schlusstag einen Kampf gegen die Uhr geben, der dann auch über die Gesamtwertung entscheidet.
Doch zurück zu 2022: Mit den starken Ergebnissen vom Ventoux und aus der Schweiz im Rücken reiste Koppenburg zur Deutschen Meisterschaft ins Sauerland und war dort hochmotiviert. Der schwere Parcours zur Bergankunft am Hohen Asten sollte ihr liegen und die Lörracherin bestimmte das Rennen mit einigen Attacken mit. Doch die Schlusssteigung war nicht steil genug und so blieb ein Quintett an der Spitze beisammen, aus dem heraus Koppenburg auf Platz vier sprintete.
"Ich habe alles versucht, immer wieder attackiert. Klar: Am Ende ist es die blödeste Patzierung geworden, die es hätte sein können. Aber ich kann mir nicht groß etwas vorwerfen", blickte sie mit etwas Abstand doch relativ zufrieden auf einen Tag zurück, an dem im Ziel erstmal Tränen der Enttäuschung geflossen waren.
Wieder ein Beckenbruch - und wieder beim Giro
Die größte Enttäuschung des Jahres folgte aber rund zwei Wochen später: In der Abfahrt zum Etappenziel der 8. Giro-Etappe in Aldeno stürzte Koppenburg schwer und brach sich fast genau ein Jahr nach dem ersten Mal nun erneut ihr Becken.
"Im Gegensatz zum Vorjahr, wo ich nicht ausweichen konnte, war ich diesmal selbst schuld. Es war bei drei Minuten Vorsprung einfach unnötig. Ich hatte oben schon kein gutes Gefühl und dann hat es mich erwischt. Es war wohl etwas Split auf der Straße, weil in derselben Kurve auch Annemiek van Vleuten und Kristen Faulkner gestürzt sind. Aber für gute Abfahrerinnen wie Lisa Klein wäre das kein Problem gewesen", so Koppenburg selbstkritisch. Was folgte, war ein Déjà-vu der unerwünschten Art: Sie landete im selben Krankenhaus in Trento wie ein Jahr zuvor und bekam dieselbe Diagnose.
Die Cofidis-Equipe bei der Teampräsentation des Giro Donne, rechts Clara Koppenburg. | Foto: Cor Vos
Inzwischen hat Koppenburg sich erholt und befindet sich wieder im Training für die neue Saison – und im Winter will sie auch mit dem ehemaligen Mountainbiker Benjamin Fischer, einem Psychologen am Olympiastützpunkt in Freiburg, mentales Training und auch Techniktraining fürs Abfahren absolvieren. "Ich bin sehr gespannt darauf. Er hat gesagt, ich soll am Anfang Crash Pants mitbringen", lachte sie. "Aber er will mir eben auch zeigen, dass nicht jeder Sturz gleich mit einem Knochenbruch endet."
Fokus auf Giro und Tour
Die Ziele in der neuen Saison sind ähnlich, wie 2022: Im Fokus stehen die langen Rundfahrten Giro d'Italia und Tour de France – auch wenn die Giro-Strecke noch nicht bekannt ist. "Bei der Tour gefällt mir der Tourmalet natürlich sehr gut. Und bis dahin muss ich mich bedeckt halten und nicht zu viel verlieren. Außerdem muss ich auf jeden Fall das Zeitfahren trainieren, sonst verliere ich am letzten Tag alles", sagte sie mit Blick auf die Tour-Strecke und formulierte ihre Ziele so:
"Das Ziel wäre schon, mich bei einer der beiden Grand Tours irgendwie auf dem Podium einer Etappe zu zeigen. Und beim Giro in die Top 10 im GC zu fahren, das sollte schon gehen. Die Tour ist natürlich deutlich größer und wichtiger, auch für unser französisches Team. Aber dadurch sind dort natürlich auch mehr starke Gegner. Deshalb wittere ich beim Giro vielleicht auch meine Chance – auch weil mir die Etappenrennen umso mehr entgegenkommen, je länger sie sind", so Koppenburg.
Ihr Weg nach Italien und Frankreich wird wieder in Spanien beginnen, bei der Valencia-Rundfahrt. Erneut spielen danach die flämischen Klassiker für sie keine Rolle und nach einem größeren Trainingsblock geht es zu den Ardennen-Klassikern sowie diesmal im Mai auch zu einer spanischen WorldTour-Rundfahrt, der in Burgos. Ein weiteres Höhentrainingslager soll dann die direkte Vorbereitung auf Giro und Tour im Juli einläuten.
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