RSNplusRSN-Rangliste 2022, Platz 9: L. Brennauer

Abschiedstour mit schwerem Start und Traumfinale

Von Felix Mattis

Foto zu dem Text "Abschiedstour mit schwerem Start und Traumfinale"
Lisa Brennauer gewann zum Abschluss ihrer Karriere bei der Heim-EM in München auf der Bahn nochmals Gold und Silber. | Foto: Cor Vos

04.01.2023  |  (rsn) - Viereinhalb Monate ist es inzwischen her, dass Lisa Brennauer (Ceratizit - WNT) bei den Europameisterschaften von München ihre Karriere beendet hat. Doch die Zeitfahr-Weltmeisterin von 2014 und Bahn-Olympiasiegerin von 2021 durchlebt einige der emotionalen Momente bis heute immer wieder. "Klar, man wird eben auch immer wieder noch darauf angesprochen", gab sie im Gespräch mit radsport-news.com nun zu.

Dabei hat gerade ihr neuer Lebensabschnitt begonnen, der kaum weniger mit dem Radsport zu tun hat: Brennauer wird künftig als Nationaltrainerin für den Bund Deutscher Radfahrer (BDR) arbeiten und hat außerdem auch die Rolle der Sportlichen Leitung beim neuen UCI-Frauenrennen am 16. Juli in Stuttgart übernommen. Letzteres sei aber ganz klar eine Nebenbeschäftigung, erklärte sie.

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"Mein Hauptjob ist, Trainerin beim BDR zu sein – und ich glaube sogar, dass mir der andere Job dafür auch eine Hilfe ist. Diese ganzen organisatorischen Abläufe sind in gewisser Weise ja auch etwas, was ich als Nationaltrainerin brauchen werde", so Brennauer, die schon früh im Jahr mit einer Trainerrolle beim BDR liebäugelte.

Auch aufgrund einer Corona-Erkrankung lief es auf der Abschiedstour für Lisa Brennauer – hier bei der Thüringen-Rundfahrt Ende Mai – lange Zeit nicht nach Wunsch. | Foto: Cor Vos

Im vergangenen Winter bekam sie bei der Bundeswehr eine Stelle als Berufssoldatin und so wurde es realistisch, im Sport auf Bundesebene weiter tätig zu bleiben. Schon Anfang 2022 gab es dann erste lockere Gespräche mit dem Verband und es wurde deutlich, dass 'Brennauer als Trainerin' für beide Seiten interessant sein könnte. "Aber man musste ja erstmal die Bundeswehr ins Boot holen, und ich musste auch die Trainerausbildung erstmal machen. Dass es dann konkreter besprochen wurde, das war erst deutlich später", erinnerte sie sich.

Arbeitsteilung beim BDR muss noch endgültig geklärt werden

Wie genau die Arbeitsteilung zwischen den nun drei für den Frauen-Ausdauerbereich beim BDR verantwortlichen Bundestrainern André Korff (bislang Elite), Lucas Schädlich (bislang Juniorinnen) und eben Brennauer künftig aussehen wird, das sei noch nicht endgültig geklärt. Naheliegend wäre, dass sich die 34-Jährige vermehrt um die U23 kümmert, doch Brennauer betonte: "Wir haben nicht fix die Altersklassen zugewiesen oder so."

Beim sogenannten Women's Cycling Grand Prix in Stuttgart – organisiert von der Freunde Eventagentur von Albrecht Röder, die dort schon die DM 2021 stemmte und auch an der Deutschland Tour beteiligt ist – agierte Brennauer vor allem beratend in Sachen Strecke und als Mittelsperson zu den Teams. "Ich versuche, meine Erfahrung und meine Kontakte mit einzubringen. Jahrelang habe ich beklagt, dass es in Deutschland nur noch die Thüringen-Rundfahrt gibt. Und wenn jetzt jemand sagt, er macht da etwas, dann kann man das nur begrüßen und versuchen dazu beizutragen, dass es ein cooles Event wird", so Brennauer zu ihrem Zweitjob.

Im Januar aber wird sie erstmals als Trainerin zu einem Trainingslager der BDR-Frauen nach Mallorca fliegen, um dort an der Seite von Korff in den neuen Arbeitsrhythmus zu finden – auch wenn es bislang noch ungewohnt wirkt, dann plötzlich Vorgesetzte der bisherigen Kolleginnen zu sein. Wohl auch, weil viele der noch sehr frischen und emotionalen Erinnerungen an die eigene Karriere gemeinsam kreiert wurden.

Den Wendepunkt brachten nach Brennauers eigenen Worten die Deutschen Meisterschaften im Sauerland, bei denen sie im Zeitfahren ihren Titel vor Lisa Klein (li.) verteidigte und im Straßenrennen einen guten siebten Platz belegte. | Foto: Cor Vos

"Ich bin gerade in einer Phase, in der ich merke, dass ich in meinem neuen Lebensabschnitt angekommen bin. Trotzdem sind aber gerade München, die Tour de France und Tokio noch superpräsent. Ich ertappe mich immer wieder dabei, wie ich in diesen Momenten drin bin", gab sie zu und schwärmte vor allem von ihrem Abschied bei der Heim-EM im August: "Es war der perfekte Abschluss. Ich hätte es mir nicht schöner vorstellen können."

Bei der Heim-EM in München nochmals zur Höchstform aufgelaufen

Auch sportlich lief Brennauer in der bayerischen Landeshauptstadt nochmal zu Höchstleistungen auf. Sie wurde mit dem Verfolgungsvierer erneut Europameisterin und holte hinter Mieke Kröger Silber in der Einerverfolgung. "Nagut, klar, der vierte Platz im Straßenrennen hätte gerne auch ein Podium sein können", lachte sie nun rückblickend.

"Ich habe alles gegeben, um da eine Medaille zu holen und es war, glaube ich, mein bester Sprint im ganzen Jahr. Aber wenn ich an München denke, habe ich nur die vielen positiven Momente im Kopf – und natürlich auch diese Achterbahn an Gefühlen: Es war nicht einfach, vier Mal immer wieder 'das letzte Rennen' zu bestreiten", betonte sie.

Nicht einfach war auf Brennauers Abschiedstournee aber vor allem der Weg dorthin. Denn nach dem extrem vollen und erfolgreichen Jahr 2021 mit Olympiasieg und WM-Titel in der Mannschaftsverfolgung sowie WM-Gold in der Mixed Staffel auf der Straße pausierte Brennauer im Winter länger als sonst und stieg sehr spät, erst mit Gent-Wevelgem Ende März in die Straßensaison ein. Dort und bei der Flandern-Rundfahrt lief es noch nicht ganz wie geschmiert, doch die Formkurve zeigte in Richtung Paris-Roubaix nach oben. Dort aber konnte Brennauer dann nicht starten, weil sie sich eine Corona-Infektion eingefangen hatte.

Bei der Heim-EM in München verteidigten die deutschen Verfolgerinnen um Brennauer ihren Titel. | Foto: Cor Vos

Die Klassiker-Kampagne war deshalb nach nur zwei Einsätzen wieder vorbei, Brennauer schloss unterdessen noch ihre Ausbildung zur Kauffrau für Büromanagement ab und bewegte sich langsam auf den Sommer zu. Doch auch bei der Lotto Thüringen Ladies Tour Ende Mai und selbst bei der Tour de Suisse im Juni war sie noch nicht da, wo sie in Sachen Form hinwollte. Der schlechte Saisonstart aber spiele in ihren Erinnerungen kaum mehr eine Rolle, sagte sie nun.

"Das Einzige, was mir in den Kopf kommt, wenn ich daran zurückdenke, ist eigentlich eine Frage: Wie habe ich das Ruder motivationstechnisch überhaupt nochmal rumgerissen? Das ganze Jahr lief ja erstmal nicht", so Brennauer. "Wo ich die Motivation, bei dieser Europameisterschaft doch nochmal richtig da zu sein, dann hergeholt habe, das weiß ich selbst nicht. Dass das in so einem Jahr nochmal so funktioniert hat, einfach weil ich es unbedingt wollte, das war schon schön."

Wendepunkt einer schwierigen Saison war die Zeitfahr-DM

Der Wendepunkt war dabei, so glaubt Brennauer selbst, die Deutsche Meisterschaft im Einzelzeitfahren in Marsberg im Sauerland. Dort setzte sie sich trotz eines Sturzes in der Zielkurve auf einem sehr schweren Parcours vor Lisa Klein und Hannah Ludwig durch und holte zum fünften Mal den Titel. "Das war der erste große Lichtblick und deshalb vielleicht auch der Auslöser dann in Richtung EM", so Brennauer.

Emotionaler Abschied: Lisa Brennauer nimmt nach dem EM-Straßenrennen von München den Applaus der Fans und ihrer Teamkolleginnen entgegen. | Foto: Cor Vos

Im schweren DM-Straßenrennen hinauf zum Kahlen Asten konnte sie den Bergfahrerinnen zwar nicht genug entgegensetzen, doch von da an lief es besser und die Allgäuerin konnte die fantastische Atmosphäre bei der Tour de France Femmes doch noch genießen. "Sie war zu dem Zeitpunkt nur leider zu hart für mich und rückblickend einfach nur Vorbereitung für die EM. Das hätte natürlich anders sein sollen", erklärte Brennauer, die in Frankreich keine Akzente setzen, sondern nur für Teamkollegin und Sprinterin Maria Giulia Confalonieri arbeiten konnte.

Dennoch war die Frankreich-Rundfahrt offensichtlich ein wichtiger Schritt hin zu ihrer traumhaften Abschiedsvorstellung über zehn Tage in München, die schließlich mit einem letzten Goodbye am Odeonsplatz am 21. August endete.

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