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17.05.2023 | Am Ende gab es zunächst zwei jubelnde Sieger in Tortona. Direkt nach dem Zielstrich riss Pascal Ackermann (UAE Team Emirates) die Arme in die Höhe, kurz danach ballte jedoch auch Jonathan Milan (Bahrain Victorious) die Faust. Wer hatte gewonnen? Das Foto-Finish gab Aufklärung – und sah um Millimeter schließlich Ackermann als Sieger der 11. Etappe des Giro d’Italia.
Auf dem längsten Teilstück der Rundfahrt nach 219 Kilometer von Camaiore nach Tortona kam Mark Cavendish (Astana Qazaqstan) vor Mads Pedersen (Trek – Segafredo) auf Platz drei. Es gilt jedoch auch: Offenbar kommt kein Tag ohne Dramatik aus. Der Gesamtdritte Tao Geoghegan Hart (Ineos Grenadiers) musste die Rundfahrt unterwegs nach schwerem Sturz in einer Abfahrt aufgeben. Sein Teamkollege Geraint Thomas kam in der Situation ebenfalls zu Fall, konnte jedoch sein Rosa Trikot verteidigen.
Trek – Segafredo dominierte die Anfahrt auf den letzten Kilometer, doch im Finale gingen Pedersen dann die Anfahrer aus, weshalb der Däne seinen Sprint extrem früh lancieren musste. Aus seinem Windschatten zog Cavendish mit Ackermann am Hinterrad an ihm vorbei. Zu dritt lieferten sich einen zermürbenden, langen Sprint. Auf der rechten Seite rauschte zudem Milan mit Überschuss an Geschwindigkeit auf den Zielstrich zu – und überquerte scheinbar auf gleicher Höhe mit Ackermann die Linie. Das Foto-Finish sah jedoch Ackermann vorne. Auf Platz sieben kam Marius Mayrhofer (DSM).
"Es war sehr nervös, Ryan (Gibbons) hat einen großartigen Job gemacht, um mich nach vorne zu bringen. Dann habe ich Cav (Mark Cavendish) vor mir gesehen und ihn dann als Leadout genutzt. Es war extrem eng, aber ich bin super happy, dass ich zeigen konnte, dass ich noch da bin", sagte Ackermann zu seinem ersten Saisonsieg. Beim Giro ist es sein dritter Etappensieg, bereits 2019 war er bei zwei Teilstücken erfolgreich. Mit Blick auf den restlichen Giro fügte Ackermann im Siegerinterview an: "Ab jetzt schaue ich von Tag zu Tag, aber ich denke, dass ich jetzt ohnehin nur noch fliegen werde."
Ackermanns Sportlicher Leiter Fabio Baldato sagte im Ziel: "Ich denke, der Sieg wird dem Team ein bisschen Sicherheit geben und ein Booster sein nach dem, was zuletzt passiert ist. Auch heute war das Wetter wieder schwierig, jede Kurve kann ein Risiko sein. Auf der letzten Etappe mussten wir etwas mehr aufs Gesamtklassement schauen, heute konnten wir Ryan (Gibbons) für Ackermann abstellen. Das hat er richtig stark gemacht.“
Für die Favoriten bot der Tag indes mehr Aufregung als man sich gewünscht haben dürfte. Rund 65 Kilometer vor dem Ziel kamen auf nasser Straße in einer Abfahrt unter anderem der Gesamtführende Thomas, Primoz Roglic (Jumbo – Visma) und Geoghegan Hart zu Fall. Während Thomas und Roglic ihre Fahrt jedoch schnell fortsetzen konnten, blieb der Gesamtdritte schwer gezeichnet vom Sturz liegen. Noch an Ort und Stelle musste der Brite den Giro aufgeben und wurde im Krankenwagen abtransportiert.
Thomas sagte im Ziel zum Sturz: "Ich bin über einen UAE-Fahrer gestürzt, hinter uns war dann Chaos. Ich habe gesehen, dass Tao offenbar schwer verletzt war und nicht aufstehen konnte. Auch Roglic hatte Schürfwunden an der Hüfte. " Der UAE-Fahrer, der den Sturz ausgelöst hatte, war Alessandro Covi . Thomas sprach ihm aber kein Schuld zu. "Es war nicht Covis Fehler, sowas passiert in einem Rennen. Aber das ist auf jeden Fall ein großer Verlust für uns. Es passiert so viel während eines Giros. Wir müssen jetzt versuchen, uns wieder zu fokussieren, der Giro ist noch lang. Es kann auch noch weitere Stürze geben. Wir haben aber auf jeden Fall Optionen fürs Finale verloren und müssen jetzt die Taktik ändern."
In der Gesamtwertung liegt Thomas weiterhin mit zwei Sekunden vor Roglic an der Spitze des Klassements. Mit 22 Sekunden Rückstand folgt nun Joao Almeida (UAE Team Emirates), der den dritten Platz von Geoghegan Hart übernahm. Dahinter liegen Andreas Leknessund (DSM, +0:35) und Damiano Caruso (Bahrain Victorious, +1:28). Lennard Kämna (Bora – hansgrohe) rückte nach auf Rang sechs vor (+1:52). In der Bergwertung führt weiterhin Davide Bais (Eolo – Kometa), in der Punktewertung liegt Jonathan Milan (Bahrain Victorious) vorne. Das Nachwuchsgtrikot trägt weiter Almeida.
Nach dem Start in Camaiore an der toskanischen Küste fand sich dieses Mal – anders als an den Vortagen – bereits nach wenigen Kilometern die Fluchtgruppe des Tages zusammen. Das Sextett mit Alexander Konychev und Veljko Stojnic (beide Corratec - Selle Italia), Laurenz Rex (Intermarché – Circus - Wanty), Thomas Champion (Cofidis), Diego Pablo Sevilla (Eolo - Kometa) und Filippo Magli (Green Project – Bardiani CSF - Faizane) fuhr sich schnell einen Vorsprung von vier Minuten heraus, bekam im Anschluss aber auch nicht mehr Zeit zugestanden. Die Sprinterteams behielten das Renngeschehen frühzeitig unter Kontrolle.
Das Streckenprofil der 11. Etappe | Grafik: RCS Sport
Für die Fluchtgruppe blieben unterwegs immerhin die Sonderwertungen: Den Zwischensprint in Borghetto di Vara sicherte sich Stojnic, die erste Bergwertung am Passo del Bracco (3. Kategorie) Sevilla und die nächste am Colla di Boasi (3. Kat.) wieder Stojnic. Rund 75 Kilometer vor dem Ziel lag ihr Vorsprung allerdings nur noch bei 1:45 Minuten. Im Feld organisierten vor allem Movistar, Trek – Segafredo und Astana Qazaqstan die Nachführarbeit, die jedoch zwischenzeitlich durch den folgenreichen Sturz um Thomas, Roglic und Hart unterbrochen wurde – und der letztendlich zum Aus für Hart führte.
Mit Pavel Sivakov war zudem ein weiterer Ineos-Fahrer schwerer in den Sturz verwickelt. Der Franzose kam mit mehreren Minuten Rückstand ins Ziel. Roglic und Thomas fanden derweil schnell wieder Anschluss nach vorne.
Aus der Fluchtgruppe sicherte sich Stojnic ebenfalls den Zwischensprint in Busalla und 40 Kilometer vor dem Ziel auch die letzte Bergwertung am Passo della Castagnola (4. Kategorie). Im Feld dahinter nutzte Jayco – AlUla den Anstieg zu einer zwischenzeitlichen Tempoforcierung, um die Sprintkonkurrenz zu zermürben – unter anderem verlor Mark Cavendish (Astana Qazaqstan) kurzzeitig den Anschluss. Doch in der Abfahrt rollte alles wieder zusammen und das Feld schluckte mit Konychev, Champion, Sevilla und Magli 36 Kilometer vor dem Ziel die ersten Ausreißer.
Damit befanden sich nur noch Stojnic und Rex vor dem Feld. Sie verteidigten sich zäh, waren gegen die Übermacht der Sprinterteams aber chancenlos. Insbesondere Trek – Segafredo investierte zu jener Phase viel Arbeit in der Verfolgung. Erst war Stojnic eingeholt, Rex kämpfte sich hingegen bis zur Fünf-Kilometer-Marke, ehe auch seine Flucht beendet war. Im Anschluss gehörte den Sprintern die Bühne.
Ackermann kam perfekt vom Hinterrad Cavendishs und konnte den Briten knapp hinter sich lassen. Doch auf der anderen Straßenseite rauschte Milan mit großem Geschwindigkeitsüberschuss schnell näher. Auf der Linie war der Italiener nur wenige Millimeter hinter dem Deutschen.
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