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19.07.2023 | (rsn) – Die Königsetappe der 110. Tour de France hat gehalten, was man sich an Dramatik von ihr versprochen hat. Der 25-jährige Felix Gall (AG2R – Citroën) sicherte sich aus der Ausreißergruppe heraus den Sieg nach 165 Kilometern von Mont Blanc zum Flugplatz von Courchevel. Jonas Vingegaard (Jumbo – Visma) deklassierte die Konkurrenz als bester der Favoriten erneut und wurde Vierter. Der früh gestürzte Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) dagegen brach im letzten Anstieg und liegt in der Gesamtwertung nun 7:35 Minuten hinter dem Dänen, der vor der Titelverteidigung steht. Georg Zimmermann (Intermarché – Circus – Wanty) fuhr das Rennen seines Lebens und war als 17. sechstbester Fahrer der Favoritengruppe.
Gall schob sich mit dem größten Erfolg seiner Karriere im Klassement vom zehnten auf den achten Rang. Der Brite Simon Yates (Jayco – AlUla), der 34 Sekunden hinter dem Österreicher wurde, machte sogar drei Positionen gut und ist nun Gesamtfünfter. Pello Bilbao (Bahrain Victorious) wurde Dritter der 17. Etappe und kletterte von Platz sieben auf sechs. Dagegen fiel Jai Hindley (Bora – hansgrohe) als Tageszwölfter vom fünften auf den siebten Platz der Gesamtwertung zurück.
Hindleys Teamkollege Patrick Konrad war 2021 der letzte Österreicher, der eine Etappe der Tour de France für sich entschied. Nur Max Bulla (drei Siege 1931) und Georg Totschnig (2005) waren zuvor bei der Grande Boucle erfolgreich. “Das ist unglaublich. Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Das ganze Jahr war schon fantastisch und nun so gut bei der Tour de France zu fahren und die Königsetappe zu gewinnen, ist der Wahnsinn“, sagte Gall mit Tränen in den Augen im Ziel-Interview.
Auch Teamchef Vincent Lavenu war begeistert. “Das Team hat einen unglaublichen Job gemacht und Felix war so stark“, freute sich der Franzose. Gall hatte in der Spitzengruppe mit Nans Peters und Ben O’Connor zwei Teamkollegen, die ihm den Weg zum Etappensieg ebneten. Vor allem der Australier bestimmte im Col de la Loze das Tempo und hielt so den Vorsprung gegenüber dem Feld auf ungefähr zweieinhalb Minuten. Damit waren die ursprünglich angedachten Rollen umgedreht. “Felix kam zur Tour, hatte keinen Druck, da wir eigentlich mit Ben O'Connor in der Gesamtwertung geplant hatten. Felix wurde von Tag zu Tag besser und heute gezeigt, welches Potential in ihm steckt“, sagte Lavenu.
Die Vorentscheidung suchte Gall im steilen Schlussstück des letzten Berges des Tages. “Ich fühlte mich so gut, wartete auf den steilen Teil und attackierte dann“, so der Osttiroler, der sofort eine große Lücke zu seinen Begleitern inklusive Yates riss. “Da fühlte ich mich dann nicht mehr gut, aber ich wusste ich mache eine tolle Pace“, fügte er an. Dieses Tempo reichte, um mit einer knappen halben Minute Vorsprung zum Bergpreis zu kommen. Diesen hielt er in der folgenden Abfahrt und im steilen Schlusskilometer konnte er Yates sogar noch weiter distanzieren und so seinen zweiten Saisonsieg nach einem Tageserfolg bei der Tour de Suisse feiern.
Pogacar stürzte in der Anfangsphase der Etappe. Er schien glimpflich davongekommen zu sein und konnte sofort weiterfahren. Zur Hälfte des letztes Berges allerdings musste der Slowene die Favoriten fahren lassen. Als man Jumbo – Visma dies registrierte, erhöhten Vingegaards Helfer das Tempo. Die Gruppe fiel auseinander und der Mann in Gelb setzte sich nach vorbereitender Arbeit seiner Teamkollegen letztendlich ab, um die Ausreißer vor ihm einzusammeln. Schließlich schloss er noch zu Bilbao und den Franzosen David Gaudu (Groupama – FDJ) auf.
Zimmermann kletterte lange mit den Favoriten mit. Sogar als Pogacar im Col de la Loze abreißen ließ, war der 25-Jährige noch dabei. Nur fünf Fahrer aus der Gruppe ums Gelbe Trikot waren letztendlich schneller im Ziel als der Augsbruger. “Das letzte Mal, dass ich vor Pogacar gelegen habe, war irgendwann bei den Junioren oder in der U23. Ich habe mich von Start bis Ziel gut gefühlt. Es hat einfach alles gepasst, es war ein perfekter Tag“, sagte Zimmermann im ARD-Interview.
Für die anderen Deutschen war der 17. Renntag allerdings eher zum Vergessen. Keiner von ihnen schaffte den Sprung in die Ausreißergruppe, Phil Bauhaus (Bahrain Victorious) wurde am ersten Berg abgehängt und gab die Tour schließlich auf. Emanuel Buchmann (Bora – hansgrohe) verlor ebenfalls früh den Anschluss an die Favoritengruppe und konnte seinem Kapitän Hindley kaum helfen.
Jasper Philipsen (Alpecin – Deceuninck) verteidigte das Punktetrikot. Giulio Ciccone (Lidl – Trek) gehörte zur Gruppe des Tages, gewann die ersten drei Bergpreise der Etappe, die insgesamt 25 Zähler wert waren und verteidigte so das Bergtrikot. Allerdings liegt Gall nur sechs Punkte hinter ihm. Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) bleibt im Weißen Trikot des besten Nachwuchsfahrers.
Nach dem Start der Königsetappe fackelten die Profis nicht lange. Schnell setzte sich eine Fünfergruppe mit Ciccone und Neilson Powless (EF Education – EasyPost) ab, die danach auf rund 40 Fahrer anwuchs, darunter auch die Klassementfahrer Bilbao, Simon Yates, Gaudu, Gall sowie Guillaume Martin (Cofidis), die in der Gesamtwertung die Plätze sieben bis elf belegten.
Die vier Kapitäne hatten insgesamt acht Helfer dabei. Powless bekam schon am Col des Saisies (1.Kat.), dem ersten von vier schweren Bergen, Probleme, so dass Ciccone nach 28 Kilometern ungehindert sich die maximal möglichen zehn Punkte am Gipfel holte. Im Feld bestimmte erwartungsgemäß Jumbo – Visma das Tempo. Das Team des Gesamtführenden Vingegaard ließ die riesige Spitzengruppe nie weiter als 3:30 Minuten weg. Pogacar erlebte einen frühen Schreckmoment, als er in der Anfangsphase stürzte, das Rennen aber fortsetzen konnte.
Noch bevor es in den Cormet de Roselend (1.Kat.) hineinging, musste Tour-Debütant das Rennen beenden. Der Sprinter stieg kurz nach dem Zwischensprint des Tages rund 120 Kilometer vor dem Ziel vom Rad. Als Erster am Gipfel des rund 20 Kilometer langen und sechs Prozent steilen Cormet de Roselend sicherte sich Ciccone weitere zehn Punkte, an der Côte de Longefoy (2.Kat.) kamen fünf weitere dazu.
Das Profil der 17. Etappe der Tour de France. | Foto: ASO
Im Feld schalteten sich kurzzeitig UAE Team Emirates und Ineos Grenadiers mit in die Verfolgung ein, aber Jumbo – Visma übernahm schnell wieder das Kommando. Bora – hansgrohe war weder in der Spitzengruppe vertreten, und auch in der Favoritengruppe hielten sich die Raublinger zurück.
In der Anfahrt zum Col de la Loze (HC) gaben vorn die acht Helfer und hinten Vingegaards Teamkollegen Gas. Die noch 34 Ausreißer gingen mit 2:45 Minuten Vorsprung in den 28,3 Kilometer langen schwersten und letzten Anstieg des Tages. Dort zerfiel die Gruppe schnell, auch Ciccone musste bereits auf den ersten Metern passen. Der Rückstand des Feldes schrumpfte trotz der Tempoarbeit von Jumbo und Ineos nur langsam, weil vorne Jack Haig (Bahrain Victorious) und vor allem Ben O’Connor (AG2R – Citroën) sich mächtig für ihre Kapitäne Bilbao und Gall ins Zeug legten.
Als die beiden nicht mehr konnten, übernahm Chris Harper (Jayco – AlUla) für seinen Leader Simon Yates. Gleichzeitig passte im Feld Jonathan Castroviejo (Ineos Grenadiers), der viele Kilometer für Tempo gesorgt hatte und die Favoriten auf 2:30 Minuten herangefahren hatte. Acht Kilometer waren zu diesem Zeitpunkt noch bis zum Gipfel zurückzulegen.
Als Castroviejos Teamkollege Michal Kwiatkowski den Spanier ablöste, musste Pogacar die Gruppe fahren lassen. Sepp Kuss (Jumbo – Visma) zog danach das Tempo an, nur Vingegaard und Adam Yates konnten folgen. Harper dezimierte vorn die Gruppe auf Simon Yates, Gall und Bilbao. Der Österreicher griff 13 Kilometer vor dem Ziel an und musste noch sechs steile Kilometer klettern. Dennoch flog er seinen Konkurrenten förmlich davon und machte auf 500 Metern 30 Sekunden gegenüber seinen ersten Verfolgern gut.
Die Gruppe um Vingegaard war zwischenzeitlich größer geworden: Rodriguez, Hindley und Zimmermann waren zurückgekommen. Doch als Tiesj Benoot (Jumbo – Visma) sich von vorn zurückfallen ließ und das Tempo für Vingegaard erhöhte, fielen der Deutsche, der Spanier, der Australier und auch Kuss zurück. Als es auch Adam Yates zu schnell ging, setzte Vingegaard zum Solo an. Er lag elf Kilometer vor dem Ziel 2:40 Minuten hinter Gall.
Während Pogacar Minute und Minute verlor, klinkte sich Vingegaard an Wilco Kelderman, der sich aus der Spitzengruppe zurückfallen ließ. Simon Yates löste sich hinter Gall von Rafal Majka (UAE Team Emirates) und konnte seinen Rückstand gegenüber dem Spitzenreiter auf 25 Sekunden verkürzen.
Dann spielten sich wieder chaotische Szenen ab. Kurz vor einer Kurve blockierte ein stehen gebliebenes Begleitmotorrad die Strecke, die wegen der vielen Zuschauer sehr eng war. Galls unmittelbare Verfolger konnten die Stelle mit Mühe passieren, doch die ersten Autos mussten warten und blockierten den Weg komplett. Das führte dazu, dass Kelderman und Vingegaard stark behindert wurden und einige Sekunden verloren. Danach fuhr der Däne ohne den Niederländer weiter.
Gall erreichte die Bergwertung mit 23 Sekunden Vorsprung auf Yates und holte sich am Souvenir Henri Desgrange die 40 Zähler. Vingegaard überquerte die Kuppe als Dritter mit Bilbao und Gaudu am Hinterrad und 1:26 Minuten hinter dem Spitzenreiter, der in der Abfahrt nur eine Sekunde auf Yates einbüßte und die einen Kilometer lange Schlusssteigung zum Flugfeld von Courchevel mit 22 Sekunden Vorsprung in Angriff nahm.
Dort geriet Gall trotz der bis zu 18 Prozent steilen Schlusssteigung nicht mehr in Bedrängnis. Yates verlor sogar noch einige Sekunden und musste sich mit Platz zwei begnügen. Bilbao hängte auf den letzten Metern Vingegaard noch ab und sicherte sich Platz drei vor dem Mann in Gelb.
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