Weltmeister mit 45-km-Solo ab dem Koppenberg

Van der Poel feiert dritten Ronde-Triumph, Politt auf dem Podium

Von Felix Mattis

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Mathieu van der Poel (Alpecin - Deceuninck) hat zum dritten Mal in seiner Karriere die Flandern-Rundfahrt gewonnen. | Foto: Cor Vos

31.03.2024  |  (rsn) – Mathieu van der Poel (Alpecin – Deceuninck) hat zum dritten Mal in seiner Karriere die Flandern-Rundfahrt gewonnen. Der Weltmeister setzte sich auf regennassen Straßen in den 'Flämischen Ardennen' mit einem 45-Kilometer-Solo durch, nachdem er am Koppenberg alle Kontrahenten regelrecht stehen gelassen hatte, weil viele von ihnen dort wegrutschten und daher absteigen und schieben mussten.

Auf Rang zwei sprintete 1:02 Minuten nach van der Poel vor den Toren von Oudenaarde der Italiener Luca Mozzato (Arkéa – B&B Hotels) aus einer elfköpfigen Verfolgergruppe heraus. Als Dritter wurde Nils Politt (UAE Team Emirates) gewertet, der zunächst als Vierter über den Zielstrich gerollt war. Michael Matthews (Jayco – AlUla) aber, der vor ihm Dritter war, wurde wegen irregulären Sprints distanziert und ans Ende der Gruppe gesetzt.

"Der Regen machte die Kopfsteinpflasteranstiege extrem schwer, vor allem den Koppenberg. Bis oben konnte man nur rutschen und sliden. An der Kuppe hate ich eine schöne Lücke, aber wegen des Windes war es allein noch ziemlich weit. Ich bin gefahren, was ich konnte, aber zum Schluss war der Tank wirklich leer", sagte ein völlig entkräfteter van der Poel. "Heute ging es ums Überleben. Das war für mich wegen des Wetters die schwerste Ronde, die ich je gefahren bin. Die letzten zehn Kilometer bin ich fast mit geschlossenen Augen in Richtung Ziel gefahren. Meine Saison ist jetzt schon ein Erfolg. Die Ronde im Weltmeistertrikot zu gewinnen ist ein Traum, der wahr wird. Ich muss das erstmal realisieren."

Mit großen Enttäuschungen endete die 108. Flandern-Rundfahrt für die Teams Lidl – Trek und Visma – Lease a Bike, die in dieser Klassikersaison als in der Breite stärkste Mannschaften galten. Beide Teams prägten das Rennen vor allem durch Mads Pedersen (Lidl – Trek) und Matteo Jorgeonson (Visma – Lease a Bike) zwar maßgeblich mit. Im Gegensatz zu van der Poel gingen ihnen aber am Ende die Kräfte aus und sie schafften es nicht in die Top 20. Bester Lidl-Profi war Toms Skujins auf Rang zehn, bester Visma-Fahrer Tiesj Benoot auf Platz 15, nachdem er auf den letzten zehn Kilometern noch wegen eines Defekts aus der ersten in die zweite Verfolgergruppe zurückgefallen war.

Das eindrucksvollste Mannschaftsergebnis fuhr dagegen UAE Team Emirates ein: mit Politt auf Platz drei, Mikkel Bjerg auf Rang vier und Antonio Morgado auf dem fünften Platz sowie dem sehr aktiven Tim Wellens auf Rang zwölf. Aus deutscher Sicht außerdem beachtlich: Max Walscheid (Jayco – AlUla) sprintete in der dritten Verfolgergruppe auf den 20. Platz und war damit noch deutlich vor dem besten Fahrer von Bora – hansgrohe im Ziel: Marco Haller belegte Rang 33.

So lief die 108. Flandern-Rundfahrt:

Bei Sonnenschein und frühlingshaften 15 Grad ging Cees Bol (Astana Qazaqstan) kurz nach dem Start am Ufer der Schelde als erstes in die Offensive, doch das 175 Fahrer umfassende Feld ließ das Quartett, das der Niederländer initiiert hatte, nicht ziehen.

Auch der Versuch einer zweiten Gruppe schien zum Scheitern verurteilt. Doch obwohl ihr Abstand zeitweise weniger als zehn Sekunden betrug, behaupteten sich acht Mann lange vor dem jagenden Feld – und als das nach knapp 50 Kilometern endlich die Beine hochnahm, stand die Gruppe des Tages mit dem Jayco-AlUla-Duo Luke Durbridge und Elmar Reinders sowie Bert van Lerberghe (Soudal – Quick-Step), Stanislaw Aniolkowski (Cofidis), Damien Touzé (Decathlon - AG2R), Lionel Taminiaux (Lotto – Dstny) und Jelle Vermoote (Bingoal - WB).

Das Profil der 108. Flandern-Rundfahrt. | Grafik: Flanders Classics

Das meist von Alpecin – Deceuninck angeführte Feld gestand den Ausreißern rund 4:20 Minuten Vorsprung zu, ehe die Ausreißer durch einen die Straße querenden Zug kurzzeitig aufgehalten wurden. Danach bewegte sich der Abstand zwischen den beiden Gruppen zunächst konstant um die vier Minuten und schrumpfte auch an der Lippenhovestraat, nach 103 Kilometern der erste Kopfsteinpflasterabschnitt des Tages, nur um rund 30 Sekunden.

Kurz darauf wurde das Feld durch einen Sturz auseinandergerissen, bei dem rund zehn Fahrer, darunter Nico Denz (Bora – hansgrohe), zu Boden gingen und offenbar auch eine Zuschauerin am Streckenrand schwer verletzt wurde. In der Folge beruhigte sich das Geschehen, ehe kurz vor dem Kapelleberg an einer Fahrbahnverengung ein zweiter Sturz für Aufregung sorgte.

In der Anfahrt zum Oude Kwaremont, der bei Rennhälfte als erster der 17 Hellingen anstand und der insgesamt drei Mal bewältigt werden musste, änderte sich an der Konstellation nichts. Im Feld brachen allerdings hier schon erste Positionskämpfe aus, wobei Alpecin – Deceuninck in dem 2,6 Kilometer langen Kopfsteinpflasteranstieg das Geschehen kontrollierte.

Mittlerweile zeigten sich auch die Trikots von Lidl – Trek und Visma – Lease a Bike an der Spitze des Feldes, aus dem Jonas Abrahamsen (Uno-X Mobility) und van der Poels Helfer Axel Laurance davonzogen, was Visma – Lease a Bike zur Reaktion veranlasste. Es war Dwars-door-Vlaanderen-Sieger Matteo Jorgenson, der 111 Kilometer vor dem Ziel als erster Mitfavorit aktiv wurde und den Konter setzte, was eine kleine Kettenreaktion zur Folge hatte: Auch Pedersen (Lidl – Trek) und Laurenz Rex (Intermarché – Wanty) beteiligten sich am Angriffsreigen, aber niemand kam weg.

Pedersen attackiert immer wieder

Mit nur noch 1:35 Minuten Vorsprung erreichten die acht Spitzenreiter dann den Molenberg und Pedersen gab im steilen Kopfsteinpflaster-Stich im Feld Vollgas. Jorgenson und van der Poel waren sofort am Hinterrad und über die Kuppe waren die drei größten Favoriten kurzzeitig nur noch zu dritt, bis dann doch wieder rund 40 Mann zusammenfanden. Es wurde nach dem Molenberg aber munter weiter attackiert und auf dem Weg über die Marlboroughstraat in Richtung Berendries lösten sich zehn Mann um Pedersen, Politt und Benoot, um zur Spitze vorzufahren – ohne van der Poel!

Am Berendries wurde aus den acht Spitzenreitern und den zehn Verfolgern etwa 92 Kilometer vor Schluss eine neue zwölfköpfige Gruppe, die durch sehr starke Besetzung nun eine echte Gefahr darstellte und schnell 20 Sekunden Vorsprung hatte. Doch van der Poel bewahrte seine Ruhe, spannte drei Teamkollegen in die Verfolgung im Feld ein und sprang dann am nächsten Helling, dem Valkenberg, 87 Kilometer vor Schluss selbst zur Spitzengruppe vor, um die Situation zu neutralisieren.

Küng lässt viel Kraft nach einem Sturz

Das aber veranlasste Pedersen gleich zu seinem nächsten Angriff und der Däne setzte sich mit Gianni Vermeersch (Alpecin – Deceuninck) am Hinterrad ein weiteres Mal ab. Das Duo fuhr ebenfalls 20 Sekunden heraus, während im Feld kurz darauf einige Fahrer zu Boden gingen – darunter Stefan Küng (Groupama – FDJ). Am Berg Ten Houte drückte das UAE Team Emirates im Feld mit Mikkel Bjerg und Tim Wellens aufs Tempo und verkürzte den Abstand zur Spitze etwas, wo Vermeersch nun aber auch endlich begann, mit Pedersen zu arbeiten.

Das Duo erreichte Ronse knapp 70 Kilometer vor dem Ziel daher doch wieder mit 25 Sekunden Vorsprung und begann den Anstieg in Richtung Hotond über den sogenannten 'Nieuwe Kruisberg', die asphaltierte Hauptstraße nördlich aus dem Zentrum heraus, während hinten Küng nach über zehn Kilometer langer Verfolgung den Anschluss ans Feld wieder schaffte.

Über den Hotondberg behauptete Pedersen die Führung des Duos gegen das nun von Alpecin – Deceuninck angeführte Feld bei knapp einer halben Minute. Doch als in der anschließenden Abfahrt nach Kluisbergen im Hauptfeld die Positionskämpfe vor der zweiten Passage des Oude Kwaremont begannen, schrumpfte die Lücke schnell auf zehn Sekunden zusammen und auf inzwischen nassem Kopfsteinpflaster wurden die Beiden gestellt, als Oier Lazkano (Movistar) und van der Poel die Muskeln spielen ließen.

Entscheidung am Koppenberg, wo fast alle vom Rad müssen

Erst beschleunigte der Spanische Meister, dann der Weltmeister und oben heraus waren 54 Kilometer vor dem Ziel, als es wieder auf die N36 ging, nur noch Wellens, Teuns, Laurence Pithie (Groupama – FDJ) und der eingeholte Pedersen bei den Beiden am Hinterrad. Auf dem Weg zum Paterberg nahm das Sextett aber Tempo heraus und das Feld lief wieder etwas zusammen, bevor bergauf Ben Turner (Ineos Grenadiers) und Ivan Garcia Cortina (Movistar) aufs Tempo drückten und sich der Spanier in der Abfahrt vom Paterberg hinunter zur Schelde schließlich allein absetzte, während sich hinter ihm eine 17-köpfige Verfolgergruppe bildete.

Garcia Cortina erreichte den aufgrund des Regens nun extrem schmierig-glatten Koppenberg mit 15 Sekunden Vorsprung, rutschte dort aber weg und musste absteigen. Gleichzeitig gab van der Poel im Feld Vollgas, stürmte allein den berüchtigten Kopfsteinpflaster-Anstieg hinauf am Spanier vorbei und setzte so zum 45-Kilometer-Solo in Richtung Sieg an, während beinahe die komplette weitere Verfolgergruppe hinter ihm ebenfalls absteigen musste.

Einzig Jorgenson und Pedersen sowie Teuns kamen jeweils einzeln noch halbwegs in Reichweite zum Weltmeister über die Kuppe. Jorgenson verkürzte seinen Abstand sogar nochmal auf bis zu fünf Sekunden, doch als van der Poel dann nach der Abfahrt in den Zeitfahrmodus schaltete, setzte er sich immer weiter ab. Jorgenson dagegen gingen die Kräfte aus und er wurde am Taaienberg 37 Kilometer vor Schluss von Bettiol, Garcia Cortina, Wellens, Teuns, Pedersen und Laurenz Rex (Intermarché - Wanty) eingeholt, so dass sich ein Verfolgerseptett bildete – allerdings schon mit 1:15 Minuten Rückstand zum Weltmeister.

Politt-Gruppe fängt im Finale alle Verfolger noch ein

Doch auch wenn es kurzzeitig so aussah, als ob diese sieben Mann das Podium unter sich ausmachen würden, stand am Ende keiner von ihnen auf selbigem. Bettiol und Teuns hängten ihre Begleiter hinauf zum Hotondberg gut 25 Kilometer vor Schluss ab und erreichten die letzte Passage des Oude Kwaremont 18 Kilometer vor dem Ziel zu zweit, doch hinter ihnen lief vieles wieder zusammen und mit frischeren Beinen rauschte eine größere Gruppe um Politt an Pedersen, Rex & Co. vorbei.

So sortierte sich der Kampf ums Podium nochmal völlig neu und nach dem Paterberg machten auf den flachen 13 Schlusskilometern Politt, Wellens, Antonio Morgado, Mikkel Bjerg (alle UAE Team Emirates) sowie Matthews, Benoot, Toms Skujins (Lidl – Trek), Oliver Naesen (Decathlon – AG2R), Magnus Sheffield (Ineos Grenadiers) und Luca Mozzato (Arkéa – B&B Hotels) Jagd auf Bettiol und Teuns, um das Duo schließlich im Sprint auf den letzten 500 Metern zu überholen. Mozzato war dort dann der Schnellster und sicherte sich Rang zwei vor Matthews und Politt, wobei der Australier aber die Fahrlinie gewechselt hatte und daher ans Ende der Gruppe versetzt wurde.

Völlig ungeachtet dessen war gut eine Minute zuvor aber bereits van der Poel ins Ziel gerollt, dort abgestiegen und hatte sein Arbeitsgerät in Richtung Wolken gestreckt, um seinen dritten Ronde-Sieg zu feiern.

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