RSNplusVorfreude auf ´“Drecksarbeit“: “Bin das Mädchen für alles“

Für seinen Tour-Traum stellt Denz eigene Ambitionen hinten an

Von Felix Mattis aus Salzburg

Foto zu dem Text "Für seinen Tour-Traum stellt Denz eigene Ambitionen hinten an"
Nico Denz (Red Bull - Bora - hansgrohe) bei der Teampräsentation | Foto: Red Bull

28.06.2024  |  (rsn) – Für Nico Denz geht am Samstag in Florenz ein Kindheitstraum in Erfüllung. Genau wie Pascal Ackermann (Israel – Premier Tech) startet auch er im Alter von 30 Jahren zum ersten Mal bei der Tour de France. Als einziger Deutscher im Tour-Aufgebot von Red Bull – Bora – hansgrohe liegt auf ihm dabei ein ganz besonderer Fokus.

Nachdem er über den Nachwuchs von AG2R – La Mondiale Profi wurde und lange etwas unter dem Radar der deutschen Öffentlichkeit flog, steht der Schlager-Liebhaber aus dem Südwesten Baden-Württembergs jetzt voll im Blickpunkt, wenn er "Drecksarbeit", wie er es nennt, verrichtet, um Kapitän Primoz Roglic im Kampf ums Gelbe Trikot zu unterstützen.

Drecksarbeit, das meint Denz nicht negativ. Auch wenn er im vergangenen Jahr mit zwei Etappenerfolgen beim Giro d'Italia seinen internationalen Durchbruch schaffte und selbst zum Siegfahrer wurde, freut er sich nun auf seine Helferrolle. "Ich bin ein bisschen das Mädchen für alles, werde viel im Wind fahren und bringe unsere Leader in die Schlüsselstellen, wo die leichteren Fahrer bergauf dann übernehmen können. Ich stehe oft vorm Spiegel und sehe da, dass ich Bergankünfte nicht mitgestalten kann. Deshalb liegt meine Aufgabe vor den Bergen", erklärte er am Mittwoch im Rahmen des Teamlaunchs bei Red Bull im Hangar-7 in Salzburg seinen Job. ___STEADY_PAYWALL___

"Als ich gefragt wurde, habe ich gesagt: 'Ja, geil, unbedingt!'"

"Als die Sportliche Leitung auf mich zugekommen ist und gefragt hat: 'Du hast zwei Giro-Etappen gewonnen, jetzt hätten wir dich gern bei der Tour dabei, aber da ist das Ziel ein anderes. Wie stehst Du dazu?' Da habe ich gesagt: 'Ja, geil, unbedingt'", so Denz zu radsport-news.com. "Es ist ein absoluter Traum von mir, in einer Mannschaft zu fahren, die eine Grand Tour gewinnen kann. Ich habe mich geehrt gefühlt, dieses Vertrauen entgegengebracht zu bekommen. Ich mag es, mit einem klaren Ziel in ein Radrennen zu gehen. Wir wollen ganz oben stehen und das gibt mir große Motivation. Da bin ich auch bereit, die Drecksarbeit zu erledigen."

Die Tour-Mannschaft von Red Bull - Bora - hansgrohe mit Nico Denz | Foto: Red Bull

Neu ist das für Denz ohnehin nicht. Der 30-Jährige hat den größten Teil seiner Karriere in Helferdiensten verbracht. Immer mal wieder bekam er in Fluchtgruppen die Chance, auf eigene Kappe zu fahren – bei all seinen Teams, von AG2R über Sunweb und DSM bis zu Bora – hansgrohe und auch der deutschen Nationalmannschaft. "Ich mache immer noch das, was ich vor den Etappensiegen (beim Giro, d.Red.) auch gemacht habe", meinte Denz. Seine große Erfahrung in der Helferrolle dürfte bei der Teamleitung um Sportdirektor Rolf Aldag auch den Ausschlag gegeben haben, ihn zu nominieren.

Endgültige Gewissheit, bei der 111. Frankreich-Rundfahrt dabei zu sein, hatte Denz "natürlich erst jetzt", sagte er am Mittwoch. Doch die Tour-Planung bei Red Bull – Bora – hansgrohe war 2024 ziemlich langfristig angelegt. Schon früh im Jahr stand der Kader weitgehend fest. Während des Giro d'Italia komplettierte Danny van Poppel das achtköpfige Puzzle. Deshalb stieg der Niederländer dort früher aus. "Ich hatte das Vertrauen von Ralph (Denk) und Rolf (Aldag) und konnte langfristig planen. Aber wirklich wissen tut man es natürlich erst jetzt", bestätigte Denz.

Aldag: "Nico müssen wir nicht die Hand halten"

"Natürlich gibt einem das Sicherheit. Es ist immer gut, das Vertrauen entgegengebracht zu bekommen. Als Primoz zu uns kam, war ja gleich klar, wohin die Reise gehen soll. Dass man mich relativ schnell auf dem Schirm hatte, Teil von dem Team zu sein ist eine schöne Bestätigung meiner Arbeit."

Durch den frühen Fokus auf den Kern des Tour-Teams absolvierte unter anderem auch Denz Streckenbesichtigungen und kennt so beispielsweise die Auftaktetappen in Italien. Dort wird bereits viel Arbeit auf ihn zukommen, weiß er. "Schon auf Etappe 1 gibt es viele Schlüsselstellen", erklärte Denz, für den daher wenig Zeit bleiben wird, sich von den Besonderheiten des Giganten Tour de France und dem dortigen Trubel beim Debüt überwältigen zu lassen. Sportdirektor Aldag macht sich diesbezüglich bei ihm aber ohnehin keine Sorgen:

"Er lebt das. Es gibt Menschen, die sind eher introvertiert und mögen das bei der Tour nicht so. Für die braucht es etwas Vorbereitung darauf. Aber für Nico ist, glaube ich, jeder Zuschauer an der Straße zusätzlich noch mal ein Extra-Kick. So schätze ich ihn als Mensch und Rennfahrer ein. Dieser Zuspruch von außen wird ihm eher helfen, als dass wir da noch mal die Hand halten müssen", sagte der 55-Jährige und Denz antwortete lachend: "Und sonst habe ich ja Deine Nummer…"

Denz und sein neues Arbeitsgerät | Foto: Red Bull

Jetzt selbst einer der "unantastbaren Helden" der Kindheit

Besonderen Druck jedenfalls spüre er nicht – auch nicht nach dem Einstieg von Red Bull als Titelsponsor jetzt. "Es ist eher Vorfreude", meinte der 30-Jährige. "Als Kind guckt man natürlich immer zu den Tour-Profis und sieht sie als unantastbare Helden. Jetzt die Ehre zu haben, auch durch Frankreich fahren zu dürfen, das fühlt sich schon echt gut an. Natürlich habe ich mittlerweile gelernt, dass das auch nur normale Menschen sind. Aber trotzdem bin ich megastolz und glücklich, dass ich bei dieser Mission Tour-Sieg dabei sein kann."

Ein Detail, das die Tour de France normalerweise rund macht und nach drei Wochen besondere Emotionen weckt, wird Denz bei dieser 111. Frankreich-Rundfahrt nicht erleben: "Auf Paris muss ich noch mal warten", sagte er, sah aber gleichzeitig das Positive: "Es ist auch cool, dass ich ausgerechnet diese eine Austragung in der gesamten Tour-Geschichte fahren kann, die eben nicht in Paris endet."

Und wenn es in den kommenden drei Wochen gut läuft für ihn, Kapitän Roglic und das ganze Team Red Bull – Bora – hansgrohe, dann feiert es sich am Mittelmeer in Nizza sicher mindestens genauso gut wie in der Hauptstadt.

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