Vos und Kopecky geschlagen, Lippert 16.

Faulkner düpiert die Favoritinnen und holt sich Olympia-Gold

Von Marc Zeiringer

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Kristen Faulkner ist in Paris Olympiasiegerin im Straßenrennen geworden. | Foto: Cor Vos

04.08.2024  |  (rsn) - Das Olympische Straßenrennen der Frauen endete für Kristen Faulkner in einer Triumphfahrt. Die 31-jährige US-Amerikanerin setzte sich in einem dramatischen Finale drei Kilometer vor dem Ziel von drei Kontrahentinnen ab, weil Marianne Vos (Niederlande), Lotte Kopecky (Belgien) und Blanka Vas (Ungarn) sich unschlüssig anblickten und keine die Verantwortung übernehmen wollte.

So fuhr Faulkner nach schweren 158 Kilometern schließlich überlegen mit 58 Sekunde Vorsprung über die Ziellinie. Der Sprint um Silber ging im Foto-Finish knapp an Vos vor Kopecky und Vas, die sich mit dem vierten Platz begnügen musste. “Es ist so, als würde ein Traum in Erfüllung gehen. Ich habe ein paar Jahre zuvor ein großes Risiko auf mich genommen, meinen Traum zu verfolgen und ich habe es geschafft. Es ist das beste Gefühl auf der Welt. Ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll“, erklärte die strahlende Siegerin im Ziel.

Bei der Zieldurchfahrt schien sich Faulkner dessen, was sie gerade vollbracht hatte, gar nicht bewusst zu sein. “Ich war ziemlich sicher, dass ich gewonnen habe, aber ich dachte mir, was zur Hölle ist, hier gerade passiert. Ich konnte in diesem Moment nicht begreifen, was ich geleistet habe und musste danach dreimal nachfragen ob ich wirklich Gold gewonnen habe“, kommentierte sie die Szene.

Fast eine Minute nach ihr kam schließlich das Trio der Verfolgerinnen an, das sich von Faulkner hatte düpieren lassen. “Es ist eine Medaille, aber als Niederlande sind wir auf Gold gefahren. Ich bin jetzt völlig am Boden zerstört, ich habe alles gegeben“, sagte Vos dem TV-Sender NOS in einem ersten Interview.

Die 37-Jährige hatte sich gemeinsam mit der 15 Jahre jüngeren Vas zuvor clever aus der Gruppe der Favoritinnen abgesetzt und war auf bestem Weg, ihrer Goldmedaille von London 2012 eine zweite hinzuzufügen. “Ich lag mit Vas vorne und war in einer guten Situation. Aber es blieb dann nicht wirklich viel davon übrig. Ich spürte, wie die anderen beiden näher kamen. Ich glaube nicht, dass eine von uns in diesem Moment noch große Reserven hatte. Wenn man dann schaut, erkennt man, dass Faulkner eine extrem starke Fahrerin ist, der man eigentlich keinen Meter schenken sollte“, fügte Vos selbstkritisch an.

Kopecky konnte da schon freundlicher auf die kuriose Situation im Finale blicken: “Vor dem ersten Anstieg zum Montmartre war ich schon weit zurück, deshalb musste ich mich richtig anstrengen. Als Vas und Vos weggefahren sind, wusste ich, dass es schwierig wird sie wieder einzuholen. Wir haben es geschafft zurückzukommen, aber dann ist Faulkner gefahren und wir drei haben uns angeschaut“, berichtete die gegenüber Eurosport.“ Am Ende wusste ich, dass es hart wird, dieses Rennen zu gewinnen“, sagte die 28-Jährige, die für die erste belgische Medaille in einem Olympischen Straßenrennen sorgte und sich darüber freuen konnte. “Ich bin hierhergekommen, um eine Medaille zu holen. Ich bin sehr stolz auf mich, dass ich Bronze gewinnen konnte“, fügte Kopecky an.

Fünfte wurde mit 1:21 Minuten die Britin Pfeiffer Georgi, deren dreiköpfiges Team in voller Stärke in der vorentscheidenden Gruppe dabei war, der auch die spätere Olympiasiegerin angehörte. Rang sechs belegte die Spanierin Mavi Garcia (+1:23) vor Noemi Rüegg (+2:04) war als Siebte bestplatzierte Schweizerin.

Lippert sprang dreimal die Kette herunter

Beste Fahrerin des deutschen Trios war Liane Lippert, die nach Defektpech im Finale zurückfiel und 4:04 Minuten hinter Faulkner Rang 16 belegte. “Ich habe mich im ersten Teil des Rennens gut gefühlt und konnte an dem Kopfsteinpflaster-Berg mit den Besten mithalten. Mit ist dann aber drei Mal die Kette runtergesprungen nach dem Kopfsteinpflaster“, berichtete Lippert im Ziel der dpa. “Ich hatte so eine Lücke und musste mich immer wieder rankämpfen und das hat mir am Schluss so wehgetan. Am Ende habe ich dann auch noch Krämpfe bekommen und es ging nicht mehr. Mit dem Ergebnis bin ich nicht zufrieden – vor allem, wenn man die ersten beiden Male am Berg so gut mitfahren kann“, fügte die Friedrichshafenerin an.

Keine Rolle spielten die beiden österreichischen Starterinnen. Christina Schweinberger kam mit genau fünf Minuten Rückstand nicht über Rang 28 hinaus, ihre Landsfrau Anna Kiesenhofer, Olympiasiegerin von Tokio 2021, wurde mit 7:53 Minuten auf Rang 52 geführt.

So lief das Olympische Straßenrennen der Frauen:

Um 14:00 Uhr nahmen am Fuße des Eiffelturms bei strahlendem Sonnenschein 93 Frauen das mit 158 Kilometern längste Olympische Straßenrennen der Geschichte in Angriff. Zu Beginn versuchte sich die Burkinerin Awa Bamogo in Szene zu setzen und fuhr rund zehn Kilometer allein an der Spitze, ehe sie in der ersten Steigung des Tages zur Cote des Gardes wieder vom Feld eingeholt wurde. Danach wurden einige weitere Attacken schnell vereitelt.

Die Slowakin Nora Jencusova konnte sich nach rund20 Kilometern aus dem Feld lösen. Kurz darauf bildete sich eine fünfköpfige Verfolgerinnengruppe mit den afghanischen Schwestern Yulduz und Fariba Hashimi, Rotem Gafinovitz aus Israel, der Vietnamesin Thi That Nguyen und der Weißrussin Hanna Tserakh, die als neutrale Athletin das Straßenrennen bestritt. Nach rund 50 gefahrenen Kilometern schloss das Quintett zur Spitzenreiterin auf. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Gruppe bereits einen Vorsprung von vier Minuten auf das Hauptfeld. Kurz davor hatte die Uzbekin Olga Zabelinskaya attackiert und versuchte zur Spitzengruppe vorzufahren. 85 Kilometer vor dem Ende hatte das Peloton bereits sechs Minuten Rückstand auf die Spitzengruppe, Zabelinskaya lag dazwischen und wurde schließlich wieder eingefangen, nach dem die Niederländerinnen das Tempo im Peloton erhöht hatten.

Das Streckenprofil des Olympischen Straßenrennens der Frauen | Foto: Veranstalter

Auch der Vorsprung der Fluchtgruppe wurde stetig kleiner und kurz bevor das Feld wieder Paris erreicht hatte, nutzten Fariba Hashimi und Tserakh den Paves-des-Gardes-Anstieg, um ihre Begleiterinnen abzuschütteln. Die wurden noch vor dem ersten Anstieg zum Sacre Coeur am Montmartre 53 Kilometer vor dem Ziel eingeholt. Trotz weiterer Attacken konnte sich zunächst niemand aus dem Feld lösen.

Auch die beiden letzten Ausreißerinnen wurden zu Beginn der ersten Fahrt zum Montmartre hinauf gestellt. Kurz davor teilte ein Sturz das Feld in mehrere Teile. Vorne konnten sich elf Fahrerinnen absetzen. Faulkner, Vos, Vas und Lippert waren hier bereits mit dabei. Dagegen wurden die Favoritinnen Kopecky, Demi Vollering und Lorena Wiebes (beide Niederlande) aufgehalten. Mit einer starken Aufholjagd konnte Kopecky 41 Kilometer vor dem Ziel noch zur Spitzengruppe aufschließen, die damit auf ein Dutzend Fahrerinnen angewachsen war.

Die Gruppe, in der Großbritannien mit allen drei Fahrerinnen vertreten war, hatte zu diesem Zeitpunkt schon 40 Sekunden Vorsprung auf die nächsten Verfolgerinnen. Nach zahlreichen Attacken vor allem der Britinnen schmolz die Gruppe der Ausreißerinnen zusammen.

Faulkner nutzt den die Rivalität zwischen Kopecky und Vos

21 Kilometer vor dem Ziel attackierte Georgis Teamkollegin Elizabeth Deignan, nachdem sie von Anna Henderson wieder an die Spitze zurückgeführt worden war. Diesen Vorstoß nutzten Vas und Vos, um mit der Ex-Weltmeisterin mitzugehen und diese schnell abzuschütteln. Schnell konnte sich das Duo einen Vorsprung von über einer halben Minute herausfahren. Dies war auch der Zeitpunkt, an dem Lippert nicht mehr mithalten konnte, nachdem ihr mehrmals die Kette heruntergesprungen war und sie die so entstandenen Lücken mit viel Kraftaufwand wieder schließen musste.

Beim letzten Anstieg zum Montmartre 9,5 Kilometer vor dem Ende machten hinten in der kleiner gewordenen Gruppe Kopecky und Faulkner ernst und konnte sich bis auf wenige Sekunden an das Spitzenduo herankämpfen. Es dauerte aber bis 3,5 Kilometer vor Schluss, ehe ihnen der Anschluss gelang. Diesen Moment nutzte Faulkner, um sich mit einem entschlossenen Antritt abzusetzen.

Kopecky und Vos schauten sich an und auch Vas übernahm keine Führungsarbeit. Als die Belgierin und die Niederländerin sich dann doch wieder einig zu werden schienen, war es zu spät und dem Trio bliebt nur der Sprint um Silber, während Faulkner die Ziellinie überquerte, ohne sich ihres Triumphs überhaupt bewusst zu sein.

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