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21.09.2005 | Linus Gerdemann bestritt in Spanien seine erste dreiwöchige Rundfahrt. Das deutsche Riesentalent beschreibt im Interview mit Radsport aktiv, welche Erfahrungen er bei der Vuelta sammeln konnte, bedauert, dass er an seinem Geburtstag nur knapp an einem Etappensieg vorbeigeschrammt ist und lässt sein erstes Profijahr Revue passieren.
Sie haben in Spanien ihre erste dreiwöchige Rundfahrt absolviert. Wie fällt Ihre Bilanz aus?
Gerdemann: Ich bin sehr zufrieden damit, wie es gelaufen ist. Das Team hat gut gearbeitet, Carlos Sastre ist Gesamtdritter geworden, in der Teamwertung sind wir ebenfalls auf Platz drei gelandet. Das ist wichtig für die ProTour-Teamwertung, in der wir am Saisonende auch ganz vorne stehen wollen. Ich habe vor allem in den ersten beiden Wochen Helferdienste für meinen Kapitän Carlos Sastre verrichtet und bin mit meiner Leistung zufrieden. Es war ja von Anfang an klar, dass ich in der Gesamtwertung keine Rolle spielen würde. Für mich war diese Vuelta vor allem dazu da, um Erfahrungen zu sammeln.
Welche waren das?
Gerdemann:Mein Fazit: Ich bin auch nach zwei Wochen noch konkurrenzfähig, mein Körper kommt gut mit den Belastungen zurecht und kann sich schnell regenerieren. Natürlich steigt man nicht jeden Morgen aus dem Bett und freut sich auf die Etappe. Aber ich hatte immer ein gutes Gefühl und weiß jetzt, dass ich lange Rundfahrten gut ab kann. Das ist die wichtigste Erkenntnis, die ich aus Spanien mitgenommen habe.
Sie sind in diesem Jahr mit der Tour de Suisse und der Vuelta zwei schwere Rundfahrten gefahren. Wie groß ist der Unterschied zwischen einer zehntägigen und einer dreiwöchigen Rundfahrt ?
Gerdemann: Es ist nicht so, dass die Tour de Suisse leichter war als die Vuelta. Da wurde schon voll gefahren. Andere Fahrer haben mir erzählt, dass man die Tour de Suisse in der Hinsicht durchaus mit der Tour de France vergleichen kann. Bei der Vuelta sind vor allem die Spanier sehr aggressiv gefahren. Es wurde früher attackiert, an den Bergen schon in den unteren Passagen.
Auf der 19. Etappe waren sie in einer Fluchtgruppe mit dabei, von der man zwischenzeitlich annehmen konnte, dass sie durchkommt. Am Ende sprang „nur“ der achte Platz auf der Etappe heraus. Hat da im Finish doch die Kraft gefehlt?
Gerdemann: An diesem Tag überhaupt nicht. Ich habe mich auch noch im Finale sehr gut gefühlt und hätte mir den Sieg zugetraut. Aber leider war meinen beiden Mitausreißern Lastras und Quesada wichtiger, mich abzuhängen statt den Vorsprung auf die Verfolger auszubauen. Sie attackierten mich abwechselnd. Taktisch ziemlich unklug, weil es ja noch 25 Kilometer bis ins Ziel waren. Ich habe mich an diesem Tag sehr gut gefühlt und wollte an meinem Geburtstag diese Etappe unbedingt gewinnen. Wären wir zu dritt durchgekommen, hätte ich mir gute Chancen ausgerechnet, die beiden Spanier zu besiegen. Als wir dann von den Verfolgern eingeholt wurden, habe ich mich mit Heinrich Haussler abgesprochen, um ein Gegengewicht gegen die Übermacht der Spanier zu bilden. Natürlich habe ich mich im Ziel ziemlich geärgert, weil an diesem Tag ein Sieg drin gewesen wäre. Aber ich habe mich dann auch für Haussler gefreut – und ehrlich gesagt auch darüber, dass am Ende weder Lastras noch Esquada eine Rolle mehr spielten.
Viele Beobachter meinen, die Vuelta würde immer mehr an Wert verlieren. Die Zuschauerzahlen an den Strecken und bei den Übertragungen gehen zurück, viele Topstars nehmen die Spanien-Rundfahrt nur noch als WM-Vorbereitung oder treten erst gar nicht an. Wie beurteilen Sie den sportlichen Wert der Vuelta?
Gerdemann: Ich sehe das etwas anders. Vom sportlichen Standpunkt betrachtet ist die Vuelta ein absolutes Highlight. Die Organisation war erstklassig, das Streckenprofil ist sogar anspruchsvoller als das der Tour. Flachetappen gibt es praktisch keine, und die Etappen wurden in einem extrem schnellen Tempo gefahren. Leider war die Zuschauerresonanz in den ersten beiden Wochen nicht gerade überwältigend, aber in der letzten Woche besserte sich das auch.
Wie geht es nach der Vuelta für Sie weiter?
Gerdemann: Eigentlich sollte ich noch einige Eintagesrennen in Italien fahren, aber in Absprache mit Bjarne Riis habe ich mich dazu entschlossen, die Saison zu beenden. Das Jahr war doch sehr lang, mit vielen Renntagen und kräfteraubenden Einsätzen. Ich werde jetzt noch eine Woche locker trainieren, und danach stehen drei Wochen Urlaub an.
Wie fällt die Bilanz ihrer ersten Profi-Saison aus?
Gerdemann: Ich bin sehr zufrieden mit meinen Leistungen. Ich habe bei den „Vier Tagen von Dünkirchen“ ein prima Debüt hingelegt, die Bayern-Rundfahrt als Gesamtdritter beendet und habe dann bei der Tour de Suisse meinen ersten Profisieg eingefahren. Danach konnte ich meine Form nicht mehr halten, was aber ganz normal ist für einen jungen Fahrer. In der zweiten Saisonhälfte lief es wieder besser, auch wenn ich nicht wieder 100 Prozent erreichte. Alles in allem hat das erste Jahr bei CSC alle meine Erwartungen übertroffen.
Bjarne Riis äußerte sich mehrfach sehr positiv über sie, belohnte Sie im September mit der Vuelta-Teilnahme und sprach schon davon, Sie möglicherweise im nächsten Jahr die Tour fahren zu lassen. Ist das auch Ihr großes Ziel für 2006?
Gerdemann: Nach der Vuelta weiß ich, dass ich die Tour rein körperlich drauf hätte. Aber ich weiß nicht, ob mein Team schon mit mir plant. CSC und Ivan Basso werden im nächsten Jahr bei der Tour unter großem Druck stehen, und möglicherweise wird man da erfahrene Fahrer mir vorziehen. Ich könnte es verkraften, wenn ich noch nicht nominiert werden sollte und stattdessen Erfahrungen beispielsweise beim Giro sammeln könnte. Für mich ist die Tour im nächsten Jahr kein Muss.
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