Abschiedsinterview mit Stephan Schreck

"Ich bin nicht mehr in Fahrt gekommen""

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(Gerolsteiner)

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11.12.2008  |  (rsn) - Nach neun Profijahren beendet Stephan Schreck seine Karriere. Im Gespräch mit Radsport News nennt der 30-jährige Erfurter Gründe für diesen Schritt und blickt auf seine Zeit bei Telekom, T-Mobile und Gerolsteiner zurück.

Sie werden Ihre Karriere beenden. Warum?

Schreck: In den letzten beiden Jahren lief es sportlich bei mir überhaupt nicht. 2007 hatte ich die Virus-Infektion, die mich lange außer Gefecht gesetzt hat und auch in diesem Jahr war ich immer wieder krank. Das hat schon Motivation gekostet. Man fängt an nachzudenken, wenn man nie richtig in Fahrt kommt. So habe ich mich jetzt zum Karriereende entschlossen.

Wie schwer ist Ihnen diese Entscheidung gefallen?

Schreck: Natürlich sehr schwer. Ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht und damit Geld verdient. Das können nicht viele Menschen von sich behaupten. Ich war immer mit vollem Herzen bei der Sache. Das war schon ein schwerer Schritt.

Wann haben Sie sich zum ersten Mal mit dem Karriereende befasst?

Schreck: Das war eigentlich schon im Sommer, ab August wurde es konkreter. Da habe ich mich eigentlich schon nach Alternativen umgeschaut. Zumal sich die Lage in Radsport-Deutschland ja auch nicht wirklich verbessert hat.

Haben Sie überhaupt noch ernsthaft nach einem neuen Team Ausschau gehalten?

Schreck: Ich hatte schon Kontakte. Die Gespräche liefen aber nicht so wie gewünscht. Man kam nicht auf einen gemeinsamen Nenner. Außerdem darf man sich nichts vormachen. Ich hatte zwei schlechte Jahre, bin jetzt 30 Jahre alt. Da gibt es genügend junge Fahrer, die nachkommen und meinen Platz einnehmen können. Im Sport ist jeder Helfer ersetzbar. Das klingt jetzt hart, ich bin jedoch Realist, kann das ganz nüchtern einschätzen.

Wie wird es weitergehen?

Schreck: Ich werde in der Fahrradbranche arbeiten. Da wird meine Haupttätigkeit liegen. Außerdem werde ich noch mit Teamspirit Sport Coordination Group in Erfurt zusammenarbeiten. Da ist meine Tätigkeit aber noch nicht entschieden, sie könnte aber auch im organisatorischen Bereich liegen.

Sie sind mit Ihren 30 Jahren im besten Rennfahreralter . Könnteen Sie sich ein Comeback vorstellen?

Schreck: Man soll niemals nie sagen. Wenn ich jetzt nach draußen schaue und sehe, dass es schneit, dann ist es kein Problem. Wenn aber das Wetter besser wird, es März oder April ist, dann wird es sicherlich wieder jucken. Es gibt einfach nichts Schöneres, als in einer größeren Gruppe eine Runde zu fahren und unterwegs einen Kaffee zu trinken.

Wie würden Sie Ihre Karriere rückblickend bewerten?

Schreck: Es kann natürlich immer besser sein. Ich hatte jedoch immer Spaß. Beim Team Telekom bin ich mit den besten Fahrern der Welt gefahren. Aber natürlich hätte ich mir schon, den einen oder anderen Sieg mehr gewünscht. Die Zeit als Radprofi war aber auch eine gute Lebensschule.

Was war Ihr schönster, was Ihr traurigster Moment als Radprofi?

Schreck: Der schönste war es, 2005 bei der Tour de France auf dem Podium stehen zu können. Wir hatten mit T-Mobile die Mannschaftswertung gewonnen. Das war schon ein tolles Gefühl. Traurig ist es eigentlich immer, wenn man ein Rennen aufgeben muss. Bei mir saßen da immer Engelchen und Teufelchen auf der Schulter. Der Engel meinte: Ja, steig aus, es ist besser so. Der Teufel hingegen sagte zu mir: Mach weiter, quäle dich. An richtig schlimme Momente kann ich mich jetzt aber nicht erinnern. Das Schlechte verdrängt man ja auch leichter als das Gute.

In Ihrer U23-Zeit beim Team Köstritzer haben Sie unter anderem die Thüringen-Rundfahrt gewonnen und zahlreiche Spitzenplatzierungen herausgefahren. Mario Kummer hat Sie „als Weltklassemann bei den Amateuren“ bezeichnet. Wieso ist Ihnen bei den Profis nicht der Sprung nach ganz vorne gelungen? Haben Sie sich von Anfang an als Helfer gesehen

Schreck: Nein, das auf keinen Fall. Das empfehle ich auch keinem Neo-Profi, mit der Einstellung „Ich werde Helfer“ an die ganze Sache heranzugehen. Wobei eine gewisse Loyalität wichtig ist. In der U23 gibt es nur vier Jahrgänge, bei den Profis hingegen sind es 16. Da wird die Pyramide enger. Bei den Amateuren war ich kein wirklich schlechter. Bei Telekom fuhren aber 2000 schon sehr sehr gute Fahrer. Da war es normal, dass man sich eingliedert. Ich habe mir durch meine Fahrweise immer meinen Vertrag gesichert, war jedoch irgendwann in der Schublade des Helfers drin.

Sie sind insgesamt acht Jahre bei Telekom und dann T-Mobile gefahren. Wie war diese Zeit?

Schreck: Es waren sehr schöne Jahre. Es hat richtig Spaß gemacht. Wir hatten Erfolg und ich habe dazu beigetragen. Es sind tolle Emotionen, wenn man gewinnt. Natürlich ist es am schönsten, wenn man selbst die Siege einfährt, es ist aber auch ein schönes Gefühl, wenn man zum Sieg eines Kameraden beigetragen hat oder die vorbereitete Taktik aufging.

Sie sind alle großen Landesrundfahrten gefahren. 2005 auch die Tour de France. War das Ihr persönliches Highlight?

Schreck: Sicherlich war das das Highlight, und die Krönung war, dass ich in Paris mit der Mannschaft auf dem Podium stehen durfte. Solche Momente vergisst man nicht. Bei der Tour sind einfach unglaublich viele Menschen am Straßenrand, aber auch sehr viele Medienvertreter. Da ist der Druck deutlich größer als beim Giro oder der Vuelta. Bei der Vuelta wird dem Etappensieger in der Zeitung vielleicht ein Dreizeiler gewidmet. Bei der Tour wird schon eine Story draus gemacht, wenn einer Durchfall hat.

2004 hätten Sie bei der Regio-Tour beinahe Ihre erste Profi-Rundfahrt gewonnen, wurden allerdings von Ihrem Teamkollegen Alexander Winokurow aus dem Leadertrikot gefahren. Wie sehr hat Sie das geärgert?

Schreck: Natürlich war ich da enttäuscht, dass man vom eigenen Teamkollegen aus dem Trikot gefahren wird, und ich selbst danach nicht mehr attackieren konnte. Die Regio-Tour hat Wino nicht wirklich interessiert, für mich wäre der Gesamtsieg aber ein großes Highlight gewesen. Das war sicherlich nicht schön für mich. Allerdings ist das abgehakt. Es bringt jetzt auch rückblickend nichts, sich deswegen groß aufzuregen.

Beim Team Telekom wurden zahlreiche Dopingfälle in den 90er-Jahren aufgedeckt. Bernhard Kohl hat jetzt über Doping bei T-Mobile ausgesagt, außerdem soll es einen Zeugen geben, der ebenfalls über Dopingpraktiken bei T-Mobile 2003 und 2004 berichten wird. Was haben Sie von Doping im Team mitbekommen? Wurde Ihnen auch etwas angeboten?

Schreck: Ich kann beides verneinen. Ich habe davon weder etwas mitbekommen, noch wurde mir etwas angeboten. Die Universität Freiburg stand uns jedoch zur Verfügung. Jeder konnte dort hin. Ich kann von den Freiburger Ärzten zum Beispiel nur Gutes berichten. Sie haben meiner Frau geholfen, als es während der Schwangerschaft Komplikationen gab,  Auch ich hatte 2002 eine schwere OP. Die Freiburger Ärzte haben damals ihre Kontakte spielen lassen, so dass ich in einer Spezialklinik in Belgien operiert werden konnte.

2006 waren Sie zunächst nicht für die Tour vorgesehen, dann wurden Jan Ullrich und Oscar Sevilla in Folge der "Operacion Puerto" aus dem team genommen und Sie nachnominiert. Starten durften Sie aber nicht. Wie sind Ihre Erinnerungen an diesen Tag?

Schreck: Ich war trainieren. Ich habe dann schon so halb mitbekommen, dass es Probleme gibt. Ein Freund hat mich dann angerufen und gemeint: Fahr nicht so weit, vielleicht musst du noch nach Frankreich. Nach einer Stunde kam dann der Anruf von Mario Kummer, der meinte: Du bist dabei. Ich bin dann sofort heimgeradelt, habe mir ein Auto gemietet, aber noch gewartet. Am frühen Abend bekam ich dann die Information, dass ich nicht fahren könne, weil für die gesperrten Fahrer kein Ersatz nominiert werden dürfe. Also habe ich den Mietwagen wieder zurückgegeben. Am Abend habe ich dann mit ein paar Freunden zu Hause wie geplant die Fußball-WM geschaut und ein bisschen was getrunken.

2007 waren Sie lange wegen eines Virus' außer Gefecht gesetzt. War das die schlimmste Zeit Ihrer Karriere?

Schreck: Für 2007 hatte ich mir sehr viel vorgenommen. Das Team hatte mit Bob Stapleton und Rolf Aldag eine neue sportliche Führung. Die Hierarchien waren aufgeweicht und ich habe für mich die Chance gesehen, aus der Helfer-Schublade herauszukommen. Ich war sehr motiviert und im Training lief es zunächst sehr gut. Dann kam jedoch diese Virus-Erkrankung. Das hat die ersten zwei Wochen schon an den Nerven gezehrt. Sportlich war das großer Mist. Allerdings hatte ich so auch mehr Zeit für meine Familie, was auch nicht schlecht war.

2008 haben Sie bei Gerolsteiner unterschrieben. Warum sind Sie gewechselt und würden Sie rückblickend diesen Wechsel erneut vollziehen?

Schreck: Ja, ich würde es wieder machen. Ich wollte mir einfach keinen Vorwurf machen, dass ich es woanders nicht probiert hätte. Ich hatte schon mehrere Jahre Kontakt zu Teamchef Hans Michael Holczer, 2008 hatte es dann geklappt. Ich hatte bei Gerolsteiner bei den Klassikern alle Freiheiten, ich konnte sie nur nicht nutzen.

Der Profi-Radsport steht vor allem in Deutschland auf wackligen Beinen. Mit Milram gibt es nur noch ein großes deutsches Team. Hinzu kommt, dass zahlreiche Rennen nicht mehr stattfinden. Ist der deutsche Radsport noch zu retten?

Schreck: Der Profi-Radsport hat ein großes Problem. Und ohne Sponsoren geht über kurz oder lang natürlich wenig. Der Radsport ist trotz allem aber noch immer sehr beliebt. Die Jedermann-Veranstaltungen sind in kürzester Zeit ausgebucht. Auch die Zahlen des<<> deutschen Radtourismus auf Mallorca sind konstant. Da braucht man sich keine Sorgen machen. Der Profi-Radsport hingegen braucht jetzt zumindest mal ein oder zwei Jahre, in dem die ganzen Probleme nicht noch schlimmer werden. Der Tiefpunkt muss jetzt erreicht sein.

Wie kam es zu Ihrem Spitznamen „Schreckus“?

Schreck: Das kann ich gar nicht so genau sagen. Es gibt auch keine besondere Geschichte dazu. Während meiner U23-Zeit wurde ich in Anlehnung an „Iwan den Schrecklichen“ nur "Iwan" gerufen, irgendwann wurde daraus dann „Schreckus“.

Mit Stephan Schreck sprach Christoph Adamietz

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