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22.12.2008 | (rsn) – Martin Reimer wurde nach einer beeindruckenden Saison mit seinem ersten Profivertrag belohnt. Beim neuen Cervelo TestTeam wird der 21-jährige Cottbuser zusammen mit Andreas Klier und Heinrich Haussler ein deutsches Trio bilden. Im Interview mit Radsport News spricht der deutsche U23-Straßenmeister über seine Saisonvorbereitung, seine Erwartungen und den größten Karrierewunsch.
Ihr neues Team Cervelo hat zwar keine ProTour-Lizenz, ist aber trotzdem sehr prominent besetzt. Hatten Sie überhaupt damit gerechnet, angesichts der schwierigen Situation im Radsport ein Profiteam zu finden?
Reimer: Zu Beginn der Saison habe ich eigentlich mit gar nichts gerechnet. Aber nachdem ich bei den Deutschen Meisterschaften das U23-Rennen gewonnen hatte, im DM-Zeitfahren Dritter und bei der U23-Thüringen-Rundfahrt Zweiter geworden war, sagte man mir schon: Die logische Folge wäre ja jetzt ein Profivertrag. Ich habe mich auch bei Milram und CSC beworben, dann aber von den beiden Teams nichts mehr gehört und dachte mir schließlich: Naja, dann wirst Du halt noch das vierte Jahr U23 fahren und dort alles geben.
Und dann kam Cervelo?
Reimer: Genau. Brian Smith, der für die Verträge zuständig ist, hat mich angerufen und gefragt, ob ich für das Team fahren möchte. Und jetzt bin ich mit Leuten wie Sastre und Hushovd, zu denen ich immer aufgeschaut habe, in einer Mannschaft. Das ist schon Wahnsinn.
Hat es Ihnen geholfen, dass mit Jens Zemke (Sportlicher Leiter) und Thomas Campana (Teamchef) zwei Deutsche in der Teamleitung sind?
Reimer: Das kann ich gar nicht sagen. Thomas Campana kannte ich vor unserem Teamtreffen Anfang Dezember noch nicht, und auch Jens Zemke habe ich erst während der Straßen-WM in Varese kennengelernt, als ich den Vertrag schon unterschrieben hatte. Der Jens ist eine richtig gute Seele und ich habe das Gefühl, dass der bei Cervelo mit ganzem Herzen bei der Sache ist.
Das Team ist eine bunt zusammen gewürfelte Truppe. Wie steht es um den Teamgeist?
Reimer: Ich kenne die meisten Kollegen ja noch nicht so gut, habe aber das Gefühl, dass der Teamgeist top ist. Vielleicht ist ja gerade die Tatsache, dass die Fahrer aus vielen verschiedenen Ländern kommen, besonders gut für den Zusammenhalt. Zudem kennen sich einige der Fahrer schon aus gemeinsamen Zeiten: Fünf Mann kamen ja von Credit Agricole und von CSC auch drei oder vier. Außerdem hat mein bester Kumpel Heinrich Haussler, der ja auch Cottbuser ist und 2009 mein Teamkollege sein wird, gesagt, dass Theo Maucher (ehemals Gerolsteiner, d. Red.), der jetzt bei Cervelo für die Organisation zuständig ist, den Laden schon zusammen halten wird und deshalb nicht mit Gold aufzuwiegen ist
Mit Carlos Sastre wird der aktuelle Toursieger Dein Mannschaftskollege. Haben Sie Du ihn schon kennengelernt?
Reimer: Ja, bei unserem Teamtreffen. Ich habe ja gedacht, dass Carlos eher ein zurückhaltender Typ ist, aber er hat sich mit allen Fahrern unterhalten, war sehr zuvorkommend und hat auch Witze gemacht. Das war schon sehr lustig mit ihm.
Wie werden sich die Fahrer aus so vielen unterschiedlichen Ländern untereinander verständigen?
Reimer: Unsere Teamsprache ist natürlich Englisch, der Sponsor kommt ja aus Kanada. Sastre etwa spricht perfekt Englisch, und wir sind alle angehalten, unsere Englischkenntnisse zu verbessern. Ich selber verstehe die Sprache zwar gut, habe aber noch ein paar Probleme, wenn es darum geht, mich verständlich zu machen. Aber für smalltalk hat es auch schon beim Teamtreffen gereicht.
Wie sieht die Vorbereitung auf Ihre erste Profisaison aus?
Reimer: Ich komme gerade von einem zweiwöchigen Höhentrainingslager aus der Schweiz. Das habe ich im letzten Winter auch schon absolviert. Diesmal habe ich in der Nähe von St. Moritz auf rund 1.800 Metern Höhe gemeinsam mit Heinrich Haussler Langlauftraining gemacht. Davor trainierte ich schon drei Wochen meine Athletik, unter anderem mit Krafttraining. Über Weihnachten und Sylvester mache ich ein bisschen piano, danach lege ich im Teamtrainingslager in Portugal (11. Januar – 26. Januar) richtig los. Und dann steht schon die Katar-Rundfahrt an, mein erstes Rennen. Ich bin ein Wettkampftyp, komme über die Rennen zur Form.
Bei Ihrem LKT Team Brandenburg waren Sie neben Roger Kluge der Kapitän. Welche Rolle werden Sie 2009 bei Cervelo spielen?
Reimer: Ich bin mit 21 Jahren der jüngste Fahrer im Team und soll deshalb erst mal lernen. Ich denke immer Schritt für Schritt und will zunächst mal im Trainingslager und bei der Katar-Rundfahrt alle zufriedenstellen, indem ich meine Aufgaben erledige. Im Laufe der Saison wird sich bei kleineren Rennen sicher mal die Möglichkeit ergeben, auf eigene Rechnung zu fahren.
Welchen Rennkalender haben Sie?
Reimer: Ich beginne wie gesagt bei der Katar-Rundfahrt. Unser Team ist in zwei Gruppen unterteilt: Rundfahrer und Klassikerjäger. Ich gehöre zur zweiten Gruppe und bin damit auch sehr zufrieden. Ich werde den GP Chiasso und den GP Lugano in der Schweiz fahren, danach die belgischen „kleinen Klassiker“ wie E3-Preis und Scheldepreis, Gent-Wevelgem und in Deutschland Rund um Köln.
Bei Cervelo sollen nicht nur Siege zählen, die Fahrer werden auch eingesetzt, um Material zu testen. Wissen Sie schon, wie sich das in Ihrem Alltag niederschlagen wird?
Reimer: Wir heißen ja nicht umsonst CerveloTestTeam. Wir bekommen das neueste Material und einige neue Technologien, die noch nicht auf dem Markt sind, etwa Tretlager oder ein Kraftleistungsmessgerät. Wir müssen im Training halt ein bisschen genauer darauf achten, wie das Material funktioniert und geben dann unseren Sponsoren entsprechendes Feedback. Mir gefällt dieses Konzept sehr gut.
Worauf freuen Sie sich am meisten, gibt es etwas, worüber Sie sich Sorgen machen?
Reimer: Da ich die Wettkämpfe liebe, freue ich mich am meisten auf die Rennen. Andererseits habe ich schon Respekt vor den Wettkämpfen, denn das ist jetzt was ganz Anderes als in der U23 – allein die Umfänge, die ich jetzt trainiere, sind schon größer. Ich bin schon auf die Tour de Romandie gespannt, das wird meine erste größere Rundfahrt werden.
Die wird von vielen Fahrern als Vorbereitung auf den Giro genutzt. Hoffen Sie da schon auf einen Einsatz?
Reimer: Nein, der käme eindeutig zu früh. Ich spekuliere ein bisschen auf die Vuelta. Wenn ich dort starten dürfte, wäre ich schon sehr zufrieden.
Sie absolvieren derzeit noch eine Ausbildung. Wie wird es damit weitergehen?
Reimer: Das ist richtig. Ich mache in Cottbus eine sportgeförderte Ausbildung zum Industriekaufmann beim Energiekonzern Vattenfall, und da steht im März 2009 meine Zwischenprüfung an. Mein Arbeitgeber ist sehr großzügig, stellt mich zu allen Rennen frei und gibt mir die Möglichkeit, die Ausbildung auch in vier oder fünf Jahren statt in dreien abzuschließen. Ich denke, dass man in Cottbus als junger Radfahrer die besten Voraussetuzungen hat, um Profi zu werden.
Der Radsport hat besonders in Deutschland derzeit nicht den besten Ruf. Bekommen Sie das auch zu spüren?
Reimer: Bei der Arbeit kriege ich von Kollegen schon mal Sprüche wie „Nicht soviel dopen“ zu hören, aber damit müssen wir in Deutschland momentan halt leben. Ich hoffe, dass wir jungen Fahrer mit dazu beitragen können, dass sich das Image des Radsports in Deutschland wieder bessert. Dominic Klemme (zu Saxo Bank), Paul Voß (Milram), Simon Geschke (Skil Shimano) und ich haben in der Saison ja schon bewiesen, dass man auch sauber sportliche Erfolge erringen kann.
Was für ein Fahrertyp sind Sie?
Reimer: Mein Trainer Michael Max meinte mal in einem Interview, ich sei schnell genug, ohne ein reiner Sprinter zu sein und käme gut über die Berge, ohne ein Kletterspezialist zu sein. Ich würde mich als tempoharten Fahrer mit Stärken im Zeitfahren bezeichnen. Vielleicht kann ich mich mit der Zeit ja zum Rundfahrer entwickeln, aber da ist es jetzt noch ein bisschen früh, um das abschätzen zu können. Heinrich Haussler etwa war in seiner Junioren und U23-Zeit auch einer, der gut über die Berge kam, und jetzt hat er sich zum Sprinter entwickelt.
Ihre Ziele als Profi?
Reimer: Ich möchte auf jeden Fall in den nächsten 15 Jahren als Profi mein Geld verdienen und nicht einfach nur mitfahren. Ich hoffe, es klingt nicht zu vermessen, aber mein großes Ziel ist, einmal die Flandern-Rundfahrt oder Paris-Roubaix zu gewinnen. Die Kopfsteinpflasterrennen sind einfach fantastisch. Die Mauer von Geraardsbergen etwa – wenn man da von den belgischen Fans regelrecht hochgeschrieen wird, das muss der Wahnsinn sein. Da will ich hin, das wäre für mich das Größte.
Mit Martin Reimer sprach Matthias Seng.
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