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30.03.2009 | (rsn) - "Leser fragen - Profis antworten" heißt die neue Serie auf Radsport News. Jeden Monat steht ihnen ein Radprofi Rede und Antwort. Im März schickten wir Columbia-Sprinter André Greipel ihre Fragen zu. Hier sind seine Antworten:
Christian Haas und Thomas Zeillinger fragen: Du hast ja jetzt nach deinem Sturz in Australien eine längere Verletzungspause. Wie lang wirst du voraussichtlich pausieren müssen und wie wirst du die Wochen nach der Pause trainingstechnisch angehen?
André Greipel: Ich war gerade auf Mallorca, um mich mal wieder nur auf das Radfahren zu konzentrieren. Vorher habe ich einen Spagat zwischen Reha und Training gemacht. Ab April wird mein Training wieder spezifischer und intensiver. Die Reha ist jetzt auch nochmal wichtig, um die Stabilität für meine Schulter zurückzubekommen. Das nimmt viel Zeit in Anspruch, aber am 5. Mai möchte ich in Dünkirchen wieder am Start stehen.
Jens Semmler fragt: Du bist mit 60 km/h gegen ein Motorrad gefahren und im hohen Bogen darüber geflogen! Ich habe von speziellem Sturztraining gelesen, ist da was dran? Hat ein Profi so große physiologische Vorteile gegenüber einem Hobbyradler, dass er schon kurze Zeit später wieder auf dem Bock sitzen kann? Oder habt ihr doch die besseren Therapeuten und mehr Zeit für Rehabilitation als Amateure und Hobbyfahrer?
André Greipel: Bei so einem Tempo kann man natürlich nicht beeinflussen, wie man fällt und ein Sturztraining gibt es nicht - oder gibt es wirklich einen Radsportler, der nachts gerne sein Bettlaken von seinen Wunden zieht? Die angestrebte Zeit von 12 Wochen nach meinem Sturz und OP ist genau die Zeit, die jeder braucht, um das Schultergelenk wieder vollständig beweglich und stabil zu machen.
Fredy fragt: Wie viele Kilometer fahren Sie vor der Saison (zur Vorbereitung) und insgesamt in der Saison?
André Greipel: Ich habe in der letzten Saison 33.000 Kilometer absolviert. Wieviel davon Rennen bzw. Training waren, kann ich Ihnen nicht sagen. Vor dem ersten Rennen habe ich um die 8000-9000 Kilometer in den Beinen.
Tim Oliver Schlichting fragt: Wie sieht ihr spezielles Sprinttraining aus?
André Greipel: Also grundsätzlich werden keine Geheimnisse verraten. Das Sprinttraining wird aber in das ganz normale Grundlagentraining eingebaut. Ich fahre pro Einheit ca. 6-8 Sprints, die 6-12 Sekunden dauern - mal aus dem Stand und mal aus der vollen Fahrt oder hinter dem Auto.
Sebastian Hammer fragt: Du hast von 2007 auf 2008 einen ziemlichen Leistungssprung gemacht, bist zum Siegfahrer geworden. Gibt's ein Geheimrezept?
André Greipel: Ich habe von der Teamleitung und den Fahrern vollständige Unterstützung bekommen und bei der Tour Down Under 2008 in Australien habe ich meine Chance genutzt und mir den Respekt und das Selbstvertrauen geholt. Das Training während der Vorbereitung und Saison hat sich einfach ausgezahlt.
Fabian Parchmann fragt: Sie fahren im Gegensatz zu Gerald Ciolek und Linus Gerdemann weiter in einem nicht-deutschen Team. Fehlt Ihnen da nicht die mediale Präsenz? Hat es Einfluss auf Ihre Wirkung auf deutsche Fans?
André Greipel: Also im Grunde ist das Team Columbia-Highroad ja aus einem deutschen Team hervorgegangen und am Personal hat sich kaum etwas geändert. Ich fühle mich einfach wohl und möchte erfolgreich sein und das kann ich mit diesem Team schaffen. Wenn man Erfolg hat, kommt auch das mediale Interesse. Allerdings fahre ich nicht, um in der Presse zu stehen, sondern weil ich den Sport liebe.
Marco Volkmer fragt: Heutzutage ist es sicherlich schwierig, als Radprofi einen Vertrag mit einer längeren Laufzeit zu bekommen. Das erhöht den Leistungsdruck sicherlich enorm. Wie groß ist der Druck? Hast du da Erfahrungen oder kannst über die von Kollegen berichten?
André Greipel: Der Radsport macht eine sehr schwere Phase durch. Das Tal ist aber, so hoffe ich, durchschritten und nun geht es bergauf. In der jetzigen Zeit kann man nicht pokern und muss glücklich sein, einen Vertrag zu haben bzw. einen zu bekommen. Jeder geht mit Druck anders um und ich möchte, wenn ich die Chance habe, um den Sieg mitfahren - deswegen mache ich mir selbst viel Druck. Mehr kann ich dazu nicht sagen, außer dass es auch ein Leben nach dem Sport gibt.
Scott Nawroth fragt: Wie schwer wiegt der Verlust von Fahrern wie Ciolek und Gerdemann? Mit wem versucht Ihr 2009 Rundfahrten zu gewinnen?
André Greipel: Linus und Gerald sind klasse Rennfahrer, aber in unserem Team gibt es viele andere Fahrer, die erfolgreich sind und die Chance auf Siege haben. Mit Fahrern wie Lövkvist, Monfort, Rogers oder Kirchen sind wir in Rundfahrten gut besetzt. Die derzeitigen Erfolge zeigen ja auch, dass das Team weiterhin auf einen guten Weg ist.
Stefan Woernlein fragt: Ihr habt ja gerade einen Wechsel des Radsponsors hinter Euch. Sitzt Du auf Deinen neuen Rädern genau so wie auf den alten Rädern? Oberrohrlänge und Vorbaulänge sind jetzt bei Scott genau so, wie vorher bei Giant? Oder wird die Sitzposition neu ermittelt? Welches Rad war das Beste, das Du bis jetzt gefahren bist?
André Greipel: Meine Maße sind dieselben wie auf dem Giant, kleine Feinabstimmungen habe ich natürlich gemacht. Das Scott-Rad ist das leichteste und steifste Rad, das ich bis jetzt gefahren bin.
Stefan Palkovich fragt: Mit welchen erlaubten Mitteln (Homöopathie/Heilpflanzen) stabilisierst Du Deine Gesundheit und stärkst Deinen Körper, und wodurch regenerierst Du schneller?
André Greipel: Nach dem Training nehme ich meist einen eiweißhaltigen Recoveryshake. Außerdem nehme ich Nahrungsergänzungsmittel wie Magnesium, diverse Vitamine usw..
Kotschir fragt: Trauen Sie sich zu, noch einmal eine Welttour-Rundfahrt zu gewinnen? Trainieren Sie speziell in dieser Richtung?
André Greipel: Gott sei Dank bin ich Sprinter und brauche mir über dreiwöchige Rundfahrt-Siege keine Gedanken machen....aber über Etappensiege würde ich mich natürlich sehr freuen...
Christoph Sollfrank fragt: Wie schafft man einen Körperfettanteil von 3 bis 6 % (Topform zum Saisonhöhepunkt). Aus eigener Erfahrung ist irgendwann bereits vor diesen Werten Schluss…
André Greipel: Meine Fettprozente liegen bei ca. 8%. Wenn ich weniger habe, dann "brennt“ mein Körper nur. Deswegen gehe ich nie drunter, sonst verliere ich meinen Punch im Sprint.
René Rothmann fragt: Wenn Sie mitbekommen würden, dass einer Ihrer Profikollegen mit unerlaubten Mitteln betrügt, was würden Sie unternehmen, welche Wege kann man gehen ohne geächtet zu werden?
André Greipel: Das ist eine schwierige Frage. Wenn ich wissen würde, dass jemand aus meinem Team etwas Unerlaubtes macht, würde ich den verantwortlichen Sportlichen Leiter wohl kontaktieren und selbst mit Demjenigen darüber reden. Ich habe dafür null Toleranz und würde alles unternehmen, damit mein Arbeitsplatz durch Dummheiten Anderer nicht gefährdet wird.
Frage: Viele Sportler machen ihren Selbstwert an den Ergebnissen des letzten Rennens fest. Sie fühlen sich super, wenn es erfolgreich war und schlecht, wenn es nicht so geklappt hat wie gedacht. Hast du einen festen Halt im Leben, unabhängig von Ergebnissen und dem, was Medien über Dich berichten? Woran machst du deinen Selbstwert fest?
André Greipel: Meine Familie ist eigentlich immer da, wenn ich sie brauche. Ich gucke immer nach vorn. Jedes Rennen ist eine neue Chance, da bringt es nichts, sich bei schlechten Rennen oder Vorfällen aufzuhalten.
Martin Weber fragt: Es wird viel über ganzheitliche Sportförderung (Körper-Psyche-Geist) geredet. Hast Du damit schon irgendwelche Erfahrungen gemacht – bzw. werden die Fahrer auch mental psychisch von den Teams begleitet/gefördert?
André Greipel: Ich habe mal mit einem Sportpsychologen zusammen gearbeitet. Das hat mir sehr geholfen, um mit meinen eigenen Gedanken besser umzugehen und sie gegebenenfalls zu beeinflussen. Bei uns im Team hatten wir auch einen Psychologen und wenn ich mal aufbauende Worte brauche, habe ich meine Familie und Trainer.
Niko fragt: Mir fällt es schwer, mich an euer neues schwarz-gelbes Trikot zu gewöhnen. Habt Ihr Fahrer bei der Trikotauswahl ein Mitspracherecht?
André Greipel: Mir persönlich gefällt unser Trikot sehr, die Designer haben sich da wirklich mal was Neues einfallen lassen. Geschmäcker sind ja bekanntlich verschieden. Mitspracherecht haben wir bei der Gestaltung aber nicht.
Ralf Grabsch fragt: Stimmt es, dass du ein Moped hast, mit dem du in der Saison immer mit Motortraining machst?
André Greipel: Hallo, Ex Nachbar und Trainingspartner...Leider habe ich ja ein wenig Probleme mit meinem Moped. Deswegen musst du nun wohl als Autorennfahrer mit mir Motortraining machen....aber erst, wenn ich wieder fit bin.
Alex fragt: Trotz intensiver Batterieladung funktioniert Dein Roller leider immer noch nicht! Aber da Du ja intensiv Motortraining (auch einarmig) betreibst, wollte ich Dich fragen, wann, wie oft und mit welchem Roller Du das jetzt gerne machen möchtest! Und wann bekomme ich den Speichenschlüssel?
André Greipel: Also besser gar nicht erst loskommen als in der Eifel stehenbleiben. Ich werde mir schon noch einen Roller zulegen, mit dem du dann vor mir herfahren kannst....
Jürgen Hofstetter fragt: Was machen Sie nach dem Ende ihrer sportlichen Laufbahn?
André Greipel: Ich würde dem Radsport gerne treu bleiben und Kindern diesen Sport nahe bringen. Wie das ganze dann aussieht, weiß ich noch nicht. Noch bin ich jung und habe mir nicht so viele Gedanken über "das Leben danach" gemacht.
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