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25.11.2009 | (rsn) - "Leser fragen - Profis antworten" heißt die Serie auf Radsport News, in der jeden Monat ein Radprofi den Lesern Rede und Antwort steht. Im November war das Robert Gesink (Rabobank). Der 23-jährige Niederländer hatte in diesem Jahr bei der Tour de France und der Vuelta a Espana großes Sturzpech. In Frankreich musste er vorzeitig aufgeben, in Spanien kostete ihn das eine Podiumsplatzierung in Madrid. Hier sind Ihre Fragen und Robert Gesinks Antworten:
Scott Nawroth fragt: Wie sehr haben dich die Verletzungen bei der Tour und der Vuelta mitgenommen - vor allem mental? Und wie sehr spornen sie dich an, nächste Saison bei den großen Rundfahrten noch weiter vorne zu landen?
Gesink: Körperlich habe ich meine beiden Stürze von der Tour und der Vuelta sehr gut verkraftet. Mein gebrochenes Handgelenk ist perfekt verheilt. Ich saß – wenn auch mit Gips – bereits eine Woche nach dem Sturz wieder auf dem Rad. Zwei Wochen später bin ich mit dem Auto nach St. Moritz gefahren (ist Fahren mit einer Hand in Deutschland illegal?) und habe dort mein Training für die Vuelta fortgesetzt. Nach drei Wochen wurde der Gips im Krankenhaus von St. Moritz aufgeschnitten. Bei meinem Sturz bei der Vuelta habe ich mir zum Glück keine Knochen gebrochen. So konnte ich das Rennen zumindest zu Ende fahren. Meine Knieverletzungen sind mittlerweile auch bestens verheilt. Was das Mentale betrifft: Bei einem Profisportler gehören Glück und Pech einfach dazu. Manchmal läuft alles perfekt. Manchmal laufen Dinge aber nicht wie geplant. Am Ende machen einen solche Rückschläge aber noch stärker. Man sollte auch nicht zu sehr in die Vergangenheit blicken, denn man kann eh nichts mehr ändern. In der Zukunft möchte ich wieder bei der Tour und der Vuelta antreten und versuchen, dort den Gesamtsieg zu holen.
Manu & Piet Scholz fragen: Wie kann man sich trotz Stürzen und Verletzungen immer wieder motivieren?
Gesink: Das ist eine gute Frage. Ich bin nur zwei Mal gestürzt – in der kompletten Saison. Manche Fahrer stürzen vier Mal in einer großen Rundfahrt. Bei der Tour wollte ich nur das Ziel erreichen, da ich mir nicht sicher war, ob das Handgelenk gebrochen sei. Und man kann das Rennen am nächsten Tag eben nur fortsetzen, wenn man es tags zuvor ins Ziel geschafft hat. Bei der Vuelta hatte ich einen Spitzenplatz in der Gesamtwertung zu verlieren. Ich war zu diesem Zeitpunkt Zweiter. Natürlich haben mir meine Teamkollegen während und nach dem Rennen sehr geholfen.
Daniel Greiner fragt: Mich würde interessieren, wie viel Leistung (in Watt) Du bei welcher Herzfrequenz über welche Zeit an der anaeroben Schwelle leisten kannst?
Gesink: Das ist eine schwere Frage, denn du machst das nicht im Training und im Rennen habe ich wegen des Gewichts keinen SRM. In den Zeitfahren bin ich mit SRM unterwegs und mein Maximalschnitt im Kampf gegen die Uhr sind 430 Watt in 30 Minuten und 171 Herzfrequenz – das ist mehr oder weniger vergleichbar mit den Werten von Zeitfahrspezialist Bert Grabsch, aber er ist aerodynamischer.
Tobias Knaup fragt: Ich bin ein sehr großer Fan von dir und würde dich gerne fragen, welche Tipps du mir für mein erstes Jahr in der Juniorenklasse geben kannst?
Gesink: Das ist schön zu hören. Bist du schon in meinem Fanclub? Du wärst der erste Deutsche. Den besten Ratschlag, den ich dir geben kann, ist: Hab Spaß, höre gut zu und lerne so viel wie möglich von deinem Trainer oder von Leuten, die du bei Rennen triffst. Ein ganz besonderer Tipp: Fahre das Kriterium in Stadlohn. Dort kannst du viel Geld verdienen (zumindest habe ich das getan, als ich U19-Fahrer war)
Felix Homann fragt: Wie trainiert das Team Rabobank in der Zeit vom Herbst bis zum Frühjahr in den kalten, feuchten Niederlanden? Ich selber komme aus der Nähe von Enschede und frage mich, wo das Team trainiert, wenn nicht wie andere auf den Balearen oder Kanaren?
Gesink: Wenn wir nicht in Spanien unterwegs sind, trainiere ich zu Hause. Ich lebe im östlichen Teil der Niederlande, nahe der deutschen Grenze. Dort kann man ganz hervorragend Cross und Mountainbike fahren. Im Januar fange ich dann wieder an, mit meinem Straßenrad zu trainieren. Meistens trainiere ich bei mir zu Hause oder in Spanien. Nächste Woche schaue ich mir ein paar Wohnungen in Alicante und Girona an. Ich möchte eine Unterkunft in Spanien haben, in die ich jederzeit kann, wenn ich dort trainieren möchte.
Reinhard Kotschi fragt: In welchen Situationen hat ihnen ihre Mannschaft bei der Spanien-Rundfahrt ganz entscheidend geholfen? Und schätzen Sie Valverde individuell stärker als Sie ein?
Gesink: Meine Mannschaft hat mir während der Vuelta sehr viel geholfen – vor allem in den Flachstücken und kurz vor den Bergen. Wenn es berghoch geht, bist du eh auf dich alleine gestellt. Ohne den Sturz wäre eine Top-3-Platzierung absolute realistisch gewesen. Im Nachhinein ist das aber nur Spekulation. Im Moment ist Valverde ein kompletterer Fahrer, aber ich bin noch jung. Meine Entwicklung ist noch nicht abgeschlossen.
Tobias Bachmann fragt: Was sind für dich die schönsten Alpenpässe? Wieviele Trainingskilometer sowie Wettkampfkilometer bist du 2008 gefahren?
Gesink: Ich mag Alpe d`Huez (was ja kein Pass ist). Aber das hat damit zu tun, dass es der Berg der Niederländer ist. Meine Kilometergesamtzahl liegt irgendwo zwischen 25.000 und 30.000. Aber ich weiß es nicht ganz genau. Wenn du eine genaue Zahl hören willst, dann frage meinen Teamkollegen Grischa Niermann. Er hält jeden Kilometer fest, den er fährt.
Max Neuberth fragt: Was war das für ein Zwischenfall auf einer Etappe der Vuelta zwischen dir und Cadel Evans? Habt ihr euch anschließend vertragen?
Gesink: Da musst du Evans fragen. Er war derjenige, der mit mir Probleme hatte. Ich denke, jeder Fahrer sollte die Chance haben dürfen, um ihm Sprint am Ende einer Etappe eine Platzierung herausfahren zu können. Evans hat das anders gesehen und wollte, dass ich ihm Platz mache. Das habe ich nicht getan. Wir haben nach dem Rennen über den Vorfall gesprochen und er hat sich entschuldigt.
Benedict Ahlbrand fragt: Hallo Herr Gesink, erstmals mein Mitgefühl für das Pech bei der Tour de France. Was mich interessieren würde, wie trainieren Sie das richtige Bergauf fahren ?
Gesink: Das trainiere ich zumeist in Trainingslagern oder im Höhentraining in der Sierre Nevada oder St. Moritz (Bernina Pass). Den Rest des Trainings führe ich zuhause durch, wo es flach ist. Wie bereits gesagt: Ich werde mir in Spanien eine Wohnung kaufen, um mehr berghoch trainieren zu können. Ich denke aber, dass Bergfahren etwas ist, in dem man einfach gut ist, weil man in der Lage ist, sehr viele Watt pro Kilogramm zu leisten. Also sei stark und dünn... :-)
Christoph Willing fragt: Ich mache öfter in Aalten Urlaub. Kannst du einen Tipp geben, welche Strecken sich dort zu trainieren lohnen? Fährst du dort auch noch ab und an...?
Gesink: Ich trainiere dort täglich (nur im letzten Monat nicht, da ich Urlaub hatte). In der Gegend um Aalten auf dem ehemaligen Gelände der Müllentsorgung zu trainieren, bietet sich wirklich an. Ich mag das Gelände zwischen Aalten und Winterswijk (wenn ich mit dem Mountainbike unterwegs bin), denn dort ist der höchste “Berg”, den wir haben. Wenn du mit dem Mountainbike trainierst, könntest du auch die 25 Kilometer Route in Zeddam – S`Heerenberg nehmen. Das ist ein toller Rundkurs, wo auch vor Jahren die Weltmeisterschaften im Cross stattgefunden haben. Wenn ich mit dem Straßenrad unterwegs bin, trainiere ich gerne in der Gegend von Arnheim, da dort mehr Hügel sind. Allerdings dauert die Hin- und Rückfahrt jeweils 90 Minuten.
Stefan Plümer fragt: Wie kommt jemand, der im flachsten Teil Europas zu Hause ist, so gut die Berge hoch?
Gesink: Ich denke nicht, dass ich ein guter Kletterer bin. Ich bin einfach ein großer Junge aus den Niederlanden, der wie ein Schwein leiden kann :-) Nein, im Ernst: Ich denke, zu 50 Prozent kommt es darauf an, wie dein Körper gebaut ist. Ich bin sehr dünn und kann zugleich eine hohe Wattzahl treten. Natürlich muss man als Kletterer eine gute Moral haben. Wenn du schon vor dem Anstieg zu viele Gedanken daran verschwendest, wie dir die Konkurrenten weh tun werden, oder du abgehängt wirst; dann bist du schon abgehängt, bevor der eigentliche Anstieg begonnen hat.
Sascha fragt: Machen Sie im Winter Krafttraining mit Gewichten? Fahren Sie im Training eher Grundlage oder bauen sie viele Intensitäten ein?
Gesink: In diesem Jahr trainiere ich erstmals in einem Fitnessstudio. Zuvor bin ich nur auf dem Cross-Rad gefahren. Ich denke aber, dass es jetzt ein guter Moment für mich ist, um mit Krafttraining zu beginnen, denn die Kraft ist sicherlich ein Aspekt, wo für mich noch Verbesserungspotenzial vorhanden ist. Es ist aber immer noch wichtig, sich auf einen runden Tritt und Training auf dem kleinen Kettenblatt zu konzentrieren. So trainiere ich im Winter. Kleines Kettenblatt, hohe Trittfrequenz auf Ausdauer mit geringer Intensität. Nur in kurzen Abschnitten erhöhe ich die Intensität. In diesem Jahr bin ich auch viel auf dem Mountainbike unterwegs, um etwas Abwechslung zu haben.
Julian Kreß fragt: Wie sieht die Trikotausstattung für einen Radprofi aus? Wie viele kurze bzw. lange Hosen, Thermokleidung und Zeitfahranzüge und auch normale Kurzarmtrikots erhält ein Profi pro Saison zur Einkleidung?.
Gesink: Wir bekommen ein Basispaket, das circa 10 bis 15 Ausstattungen der Sommerbekleidung umfasst. Aber natürlich bekommen wir auch Winterbekleidung gestellt. Während der Saison bekommen wir weitere Kleidung. Während der großen Rundfahrten sind es 5-6 Sets. Brauchst du mehr, musst du einfach nur danach fragen. Das klingt erst mal viel, aber man muss bedenken, dass dies unsere Arbeitskleidung ist, die wir täglich tragen – bei trockenem und nassem, bei warmem und kaltem Wetter. Es ist natürlich auch für den Sponsor wichtig, dass wir ordentlich angezogen sind.
Mario Obermann fragt: Du hast mit Grischa Niermann und Paul Martens zwei deutsche Teamkollegen. Was erwartest du kommende Saison von ihnen und wie wichtig ist Niermann als Helfer bei den großen Landesrundfahrten?
Gesink: Paul hat in der abgelaufenen Saison gezeigt, dass er bei Eintagesrennen wie Amstel Gold Race, Lüttich-Bastogne-Lüttich, GP Plouay oder der Lombardei-Rundfahrt zu den Besten gehören kann. Paul und ich werden bei diesen Rennen in der kommenden Saison eine gutes Duo bilden. Paul ist auch ein sehr guter Teamplayer, der immer an das Wohl der Mannschaft denkt. Wenn man über Teamplayer spricht, dann kommt man automatisch auf Grischa „der alte Krieger“ Niermann (diesen Spitznamen habe ich erfunden). Er ist der größte aller Teamplayer. Bei uns im Team ist Grischa eine Art Capitaine de la route. Während des Rennens denkt Grischa nur an eins: seinen Teamkapitän. Er ist auch ein Klassetyp abseits der Rennen, deshalb ist er auch mein Zimmerkollege. Vielleicht macht er aber auch nur so viel für das Team, um den anderen Fahrern zu ersparen, dass sie sich mit mir das Zimmer teilen müssen. Grischa war die letzten zwei Jahre sehr wichtig für mich und wird dies auch in der kommenden Saison sein.
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