Was macht eigentlich...Raphael Schweda?

Internetbranche statt Radrennstall

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Raphael Schweda Foto: Schweda

26.04.2010  |  (rsn) - In der neuen Serie "Was macht eigentlich...?" befragt Radsport News Ex-Profis über ihr Leben nach der Radsportkarriere. Im vierten Teil steht der ehemalige Bianchi-Profi und Wiesenhof-Teamchef Raphael Schweda Rede und Antwort.

Sie waren bis Ende 2007 Teammanager bei Wiesenhof-Felt. Nach der Auflösung des Rennstalls wurde es um Sie sehr still. Was haben Sie in den letzten gut zwei Jahren gemacht?

Schweda: Ich bin von einem Tag auf den anderen vom Geschäftsführer zum Praktikanten „aufgestiegen“. Praktisch habe ich noch einmal komplett von vorn angefangen. Über ein paar Kontakte kam ich zu Ernst&Young und habe dort als Praktikant in der Wirtschaftsprüfung angefangen. Neben meiner Tätigkeit als Manager eines Radteams hatte ich glücklicherweise noch ein BWL-Studium in der Fern-Uni Hagen angefangen. Da stehe ich nun kurz vor dem Ende.

Nach ein paar Monaten Praktikum habe ich dann ein gutes Jahr in der Venture Capital-Szene Erfahrungen sammeln können. Ich habe in der Zeit viel über Internet-Startups gelernt - was funktionieren kann, worauf geachtet werden muss und wer die entscheidenden Leute in dem Geschäft sind. Seit August letzten Jahres bin ich bei einem sehr interessanten Startup-Unternehmen gelandet. Wir bauen ein europäisches Vertriebsnetz von Elektroladesäulen für Elektrofahrzeuge auf. Mit unserer vernetzten Lösung sind wir in einem stark wachsenden Marktumfeld sehr gut platziert. Ich bin im Management-Team tätig und für das Process Engineering & Controlling verantwortlich. Wir haben ein cooles Team und es macht ziemlich viel Spaß!

Haben Sie sich seit dem Aus von Wiesenhof noch mal um neue Sponsoren für ein mögliches Profiteam gekümmert oder war für Sie das Kapitel „Manager eines Radsportteams“ damit beendet?

Schweda: Das Thema Radsport ist für mich nicht beendet. Ich glaube, das geht auch schlecht. Ist man erst mal mit dem „Radfahrvirus“ infiziert, dann gibt es kein Zurück mehr und das ist auch gut so. Im Moment ist es jedoch radsporttechnisch etwas ruhiger geworden. Nach Sponsoren habe ich nicht mehr gesucht. Viele derzeitige oder auch frühere Teammanager bemühen sich um neue Sponsoren und bleiben zum großen Teil erfolglos. Das bestätigt nur meine Entscheidung, mich mehr um meine Bildung zu kümmern und Erfahrungen in anderen Branchen zu sammeln. So alt bin ich zwar noch nicht, das Thema Teammanager ist aber derzeit nicht aktuell.

Von 1999 bis 2003 sind Sie als Profi für die Teams Nürnberger, Coast und Bianchi gefahren. Von 2004 bis 2007 waren Sie Teamchef bei Winfix, Akud und Wiesenhof. Welche Tätigkeit hat Ihnen mehr Spaß gemacht und warum?

Schweda: Es hat in alle Funktionen Spaß gemacht. Als Radprofi war ich nur für mich verantwortlich. Ich war viel unterwegs, habe viele Leute kennen gelernt und habe ein vergleichsweise lockeres Leben geführt. Die Zieldefinierung war recht einfach. Man musste sich auf einen Tag oder Zeitpunkt vorbereiten und dann die Leistung abrufen. Entsprechend wurde man dann bewertet. Als Teammanager bekam ich merklich mehr Verantwortung. Ich bin bewusst ins kalte Wasser gesprungen. Das letzte halbe Jahr in dieser Funktion und das erste halbe danach waren für mich die schwierigste Zeit.

Wir waren kein großes Team und haben immer an der liquiden Grenze gewirtschaftet. Der Erfolg gab uns zwar Recht, trotzdem hat mich das alles einige schlaflose Nächte gekostet. In Zusammenarbeit mit Heppe (Jens Heppner, d. Red) haben wir das Team aber sehr gut geführt und insgesamt überwiegen mehr die positiven Erinnerungen.Auch wenn wir dann keinen neuen Sponsorenvertrag mehr bekamen.

Wie würden Sie Ihre Profikarriere rückblickend bewerten?

Schweda: Das ist schwer zu beantworten. Ich habe für mich das Optimale rausgeholt. Die erlernten "Soft Skills" helfen mir auch in meiner jetzigen Tätigkeit.

Würden Sie aus heutiger Sicht wieder den gleichen Zeitpunkt für Ihr Karriereende wählen?

Schweda: Sehr wahrscheinlich. Ich habe schon mehrfach den optimalen Zeitpunkt für den Ein- bzw. Ausstieg gewählt. Ich scheine dafür einen Riecher zu haben.

Was war Ihr schönster Moment als Profi und als Teamchef?

Schweda: Als Profi war es die Einfahrt ins Velodrom von Roubaix 2002. Es einfach ein fantastisches Gefühl, alles überstanden zu haben und vorn dabei zu sein. Als Teamchef war es wohl die Teilnahme an der Flandern-Rundfahrt und Paris Roubaix 2007, wo Wese (Steffen Wesemann, d. Red) auch noch auf Platz drei erfolgreich war.

Wie nahe sind Sie noch am Profiradsport dran? Haben Sie noch Kontakte zur Szene?

Schweda: Ich verfolge es noch über die Presse und schaue mir die Höhepunkte im Fernsehen an. Mehr ist zeitlich leider nicht möglich. Aber ich verfolge sehr gern die Laufbahnen der Sportler, die ich ein Stück mit begleiten konnte.

Ihre Lieblingsrennen waren die Klassiker. Sie haben bei Paris-Roubaix 2002 einen sehr guten elften Platz belegt. Was sagen Sie zum Husarenritt von Fabian Cancellara durch die Hölle des Nordens?

Schweda: Beeindruckend! So, wie er gefahren ist, stellt Roubaix für ihn offensichtlich keine Herausforderung mehr dar. Er sollte sich neue Ziele suchen.

Wie halten Sie sich zur Zeit fit?

Schweda: Ich habe mit meiner Partnerin eine Dalmatiner Hündin, die uns täglich nach draußen treibt. Daher gehe ich viel laufen und habe zuletzt Powerslides für mich entdeckt.

Seit Ende 2007 gibt es in Deutschland kein ProContinental-Team mehr. Mit dem Team Milram steht auch das einzig verbliebene ProTour-Team auf der Kippe. Denken Sie, dass es 2011 noch ein deutsches Profi-Team geben wird?

Schweda: Ich bin kein Hellseher. Den Aussagen von Heppe zu urteilen, sieht es bei NetApp budgettechnisch sehr gut aus. Milram kann ich nicht beurteilen. Ich bin aber nicht optimistisch, dass das Team deutsche Sponsoren findet. Ich denke, das ist frühestens in zwei bis drei Jahren realistisch.

Das neue Team NetApp hat Großes vor. In der Sportlichen Leitung ist auch Jens Heppner, mit dem Sie gemeinsam 2006 und 2007 die Geschicke bei Wiesenhof geleitet haben. Wie sehen Sie dieses Projekt?

Schweda: Ich stehe mit Heppe noch in regelmäßigem Kontakt und verfolge den Werdegang des Teams. Sie haben einen sehr guten Start hingelegt und das Umfeld sieht auch professionell aus. Sie werden wohl ihren Weg machen!

Gibt es von Ihrer Seite aus Ambitionen in irgendeiner Funktion noch mal in den Profiradsport zurückzukehren?

Schweda: Im Moment stellt sich die Frage für mich nicht. Der Radsport ist in Deutschland praktisch in die 70er zurück katapultiert worden und ich habe mir ein sehr gutes Arbeitsumfeld erarbeitet. Demnächst eröffne ich mit ein paar Freunden Deutschlands ersten richtigen Indoor Kletterwald im Oktober in Leipzig. Bis dahin habe ich noch viel Arbeit.

Sie haben berichtet, dass Sie zu Ihrer aktiven Zeit mitbekommen haben, wie sich bei Bianchi spanische Teamkollegen über Dopingmittel unterhalten haben, Sie sind an der Seite von Jan Ullrich gefahren, der in die Operacion Puerto verwickelt war. Der Sponsor Wiesenhof hat sich wegen der Dopingproblematik aus dem Sponsoring zurückgezogen, obwohl Ihr Team keinen Dopingfall zu beklagen hatte. Wie sehr hat die Dopingproblematik Ihre Liebe und Verbindung zum Profiradsport getrübt? War das der Grund für Ihren Rückzug?

Schweda: Der Grund für meinen Rückzug hatte teilweise etwas mit den Dopingaffären zu tun. Ich musste für mich als Radprofi abwägen, wie sinnvoll es ist, weiter zu fahren. Sinnvoll wäre es aber nur dann gewesen, wenn ich durch noch bessere Ergebnisse mein monetäres Ziel, was ich mir gesetzt habe, erreicht hätte. Das heißt: Wenn ich ein Angebot erhalten hätte, das über meiner Grenze gelegen hätte, wäre ich wohl weiter gefahren. Das war aber nicht der Fall. Ich habe auch meine Grenzen in dem Umfeld von 2003 gesehen. Mit meinem natürlichen Leistungsvermögen hätte ich keine viel besseren Ergebnisse einfahren können. Da die Jahre, in denen man Radsport professionell betreiben kann, auch in anderen beruflichen Tätigkeitsfeldern sehr wichtig sind, habe ich abgewogen und mich nach Alternativen umgesehen.

Die Dopingproblematik betrifft wohl den gesamten Leistungssport. Mich betrübt vor allem, dass der professionelle Radsport in Deutschland kaum noch existent ist. Da ist das Dopingproblem durchaus der Anlass gewesen. Aber wenn ich mir die Arbeit in den Verbänden (sowohl UCI als auch BDR) anschaue, sehe ich da keinen gemeinsamen Weg aller mit dem Ziel, diese Problematik in den Griff zu bekommen. Es wird von den einzelnen Interessengruppen nur versucht, den Schaden möglichst weit von sich fern zu halten, mit dem Bewusstsein, dass es dann andere treffen kann. So kommt der Radsport nur sehr langsam wieder aus dem Tal.

Dieser Sport ist so klein, dass er im Grunde zentral organisiert sein könnte, ähnlich wie es die Formel 1 praktiziert. In so einem Umfeld ist es deutlich leichter, entsprechende Regeln einzuführen und auch durchzusetzen. Das Vermarktungspotenzial wäre sehr viel größer als derzeit.

Die deutschen Profis haben es heutzutage sehr schwer. In Deutschland gibt es kaum Teams. Im Ausland weigern sich viele Teamchefs, wohl aus Angst vor der kritischen deutschen Presse, deutsche Fahrer unter Vertrag zu nehmen. Können Sie, aus der Sicht des Ex-Teamchefs, diese Teamchefs verstehen?

Schweda: Nein. Ich denke, das ist sehr kurzsichtig.

Welchem deutschen Nachwuchsfahrer trauen Sie als nächstes den Sprung zum Spitzenfahrer zu?

Schweda: Egal wer: Hauptsachte schnell! Obwohl ich meinen ehemaligen Fahrern natürlich besonders die Daumen drücke.

Raphael Schweda fuhr als Profi für die Teams Nürnberger (1999-2000), Coast (2001-2002) und Bianchi (2003). Die größten Erfolge des heute 34jährigen waren der Sieg bei Rund um die Nürnberger Altstadt 2000, Etappensieg bei der Rheinland-Pfalz-Rundfahrt 1999 und Platz zwei bei den HEW Cyclassics im gleichen Jahr. Beim Giro 2002 verpasster er im Coast-Trikot als Zweiter nur knapp einen Etappenerfolg. Ein Achtungserfolg gelang 2003 mit Platz zwölf bei Paris-Roubaix. 2006 bis 2007 leitete er als Team-Manager das ProContinental-Team Wiesenhof-Felt.

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