"In Belgien weiß man, was Helferdienste wert sind"

"Dampflok" Lang begeistert Lotto

Von Christoph Adamietz aus Steenwijk

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Sebastian Lang (Omega Pharma-Lotto) bei den 15. Vattenfall Cyclassics Foto: ROTH

17.08.2010  |  (rsn) – Sebastian Lang gilt als einer der zuverlässigen und loyalen Fahrer im Peloton. Genau das schätzt auch sein Arbeitgeber Omega Pharma-Lotto, haben die Belgier doch den Vertrag mit dem Erfurter frühzeitig um weitere zwei Jahre verlängert. „Dass ich gleich einen Zweijahresvertrag bekommen habe, unterstreicht auch mein Standing in der Mannschaft“, so Lang am Rande der Eneco-Tour zu Radsport News.

Als Lang zur Saison 2009 nach sieben Jahren bei Gerolsteiner zur belgischen ProTour-Mannschaft stieß, wurde er auch für die Tour nominiert, „da mich Cadel Evans unbedingt dabei haben wollte. Da hat das Team gesehen, dass ich ein wichtiger Helfer bin, wie eine Dampflock fahre und nicht kaputt gehe", sagte der 30-Jährige. So war auch Langs Platz im Tourteam 2010 schnell gesichert. „Da habe ich dann wieder bestätigt, dass ich ein sehr stabiles Niveau haben.“ Während Lang in seiner Gerolsteiner-Zeit regelmäßig seine Freiheiten bekommen hatte, ist er bei Lotto fast ausschließlich zu Helferdiensten verpflichtet. Ein Problem hat der Thüringer damit nicht.: „Ich habe in meiner Karriere viele kleinere Erfolge feiern können. Bei Gerolsteiner wurde meine Stärke in den Zeitfahren sehr unterstützt. Dafür bin ich auch sehr dankbar, denn ohne sie hätte ich Erfolge wie die deutsche Zeitfahrmeisterschaft nicht feiern können“, so Lang.

In den beiden Jahren war von Langs Zeitfahrfähigkeiten allerdings nur wenig zu sehen "Der Grund ist einfach. Ich habe keine Freiheiten bei den Rennen, kann mich nicht über Höhentrainingslager auf bestimmte Wettbewerbe vorbereiten oder mich über Wettkämpfe in Form bringen. In jedem Rennen, das dem Team wichtig ist, bin ich als Helfer am Start und nicht als Fahrer, der sich einrollen soll. Wenn man das ganze Jahr als Helfer im Einsatz ist, so geht auch manche Stärke über Board, bei mir ist das eben in extremer Weise das Zeitfahren“, erklärte der deutsche Zeitfahrmeister von 2006.

Einerseits macht das Lang etwas traurig. „Auf der anderen Seite kann ich auf eine lange Karriere zurückblicken, in der ich alles getan habe, was ich für mich tun konnte, und das auf ehrliche Art. Und da musste ich einfach feststellen, dass ich doch limitiert bin. Mehr als zwei fünfte Plätze bei der WM im Zeitfahren war etwa nicht drin. Das wäre garantiert nicht besser geworden, auch wenn ich mich weiterhin auf das Zeitfahren fokussiert hätte“, so Lang, der anfügte: „Ich habe kein Problem damit, der Helfer zu sein, denn dafür werde ich bezahlt. In Belgien werden solche Dienste sehr geschätzt. Und dafür dass ich einen hohen Stellenwert in der Mannschaft habe, gebe ich auch meine Zeitfahrqualitäten auf.“

Seine Helferdienste machen sich zudem bezahlt. „Auch finanziell wird das gewürdigt. Ich muss sagen, dass ich einige Jahr nicht entsprechend bezahlt wurde", erklärte Lang. "Aber Belgien ist eben eine Radsportnation und die Leute wissen, was solche Helferdienste wert sind – wenn man auf den Punkt fit ist um helfen zu können, nie krank ist, kaum einmal ausfällt. Ansonsten ist einfach die Hauptauszeichnung, dass man bei den Rennen startet, bei denen nur die besten Fahrer nominiert werden“.

 Die Hoffnung WM hat Lang noch nicht aufgeben – zumindest im Straßenrennen möchte er an den Start gehen. „Dort möchte ich André Greipel helfen und mich voll ins Team einbringen“, so der Routinier, der im erweiterten Aufgebot des BDR steht. Falls Lang nominiert werden sollte, wird in Rücksprache mit der Lotto-Teamleitung ein Rennprogramm zusammengestellt, das auf die WM in Australien ausgerichtet ist. Das Zeitfahren in Down Under hat Lang abgeschrieben: „Da gibt es drei Fahrer die deutlich vor mir stehen. Die machen die beiden Plätze unter sich aus.“

Im kommenden Jahr hat Lang mindestens einen deutschen Teamkollegen an der Seite. Der Allrounder machte André Greipel einen Wechsel nach Belgien schmackhaft. „André und ich hatten schon beim Giro einige Zeit, um uns darüber zu unterhalten. Er war bei vielen Mannschaften im Gespräch und es war auch in meinem Interesse, dass er zu Lotto wechselt. Ich freue mich, dass es geklappt hat und denke, dass ihm der Wechsel auch gut tun wird. Bei uns ist er alleiniger Sprintkapitän und hat die Mannschaft hinter sich“, so Lang, der jedoch einräumt: „Sicherlich werden wir die ein oder anderen Anlaufschwierigkeiten haben, bis sich alles eingespielt hat“

Mit Greipel, Jurgen van den Broeck und Philippe Gilbert hat Omega Pharma-Lotto für die kommende Saison für jedes Terrain starke Fahrer. Das sieht für Lang nach viel Arbeit aus: „Ich denke, es wird sich einiges verteilen", schränkte er aber ein. Vielleicht werde ich beispielsweise nicht mehr alle Klassiker fahren müssen. Ich denke eher, dass sich das Rennprogramm entzerren könnte. Ich vermute, bei der Tour wird sich das Team in zwei Hälften teilen. Die eine wird für André da sein, die andere für Jurgen. Und ich kann zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen, in dem ich beide aus dem Wind halte“, sieht es Lang gelassen.

Nach den Jahren bei Gerolsteiner peilt auch Lang auch einen längeren "Aufenthalt" bei Omega Pharma-Lotto an. „Wenn es nicht einen extrem wichtigen Grund gibt, dass ich wechseln müsste, dann würde ich das auch nicht tun. Bei Gerolsteiner habe ich mir sehr wohl gefühlt, vielleicht etwas zu lange, denn ich habe mich so etwas eingerollt in meinen Kokon", sagte Lang. "Da war es selbstverständlich, dass ich immer da bin und arbeite und das wurde nicht so sehr gewürdigt.“

Ewig will Lang aber nicht bei Lotto bleiben. „Ich denke schon daran, meine Karriere relativ zeitnahe zu beenden. Ein Traum von mir wäre eine Teilnahme an der Olympiade, aber ob ich da noch aktiv bin?“, so Lang. „Ich möchte den richtigen Absprung nicht verpassen. Es gibt viele Momente, die ich im Radsport genieße, aber auch viele, die mich traurig machen und in denen ich mich frage: Wieso ist der Radsport dahin gekommen, wo er jetzt ist? Da stehe ich immer wieder im Zwiespalt und muss sagen: Das sind nicht meine Ideale, mein Bild vom Radsport. Mich macht traurig, dass zum einen vor allem in Deutschland alle Fahrer über einen Kamm geschert werden und wie Schwerverbrecher behandelt werden, aber auch, dass immer mehr Fahrer zurückkehren, die nach ihren Dopingsperren keinerlei Reue zeigen. Bei den ganzen Abgründen, die sich in letzer Zeit aufgetan haben, frage ich mich: In was für einer Welt leben wir eigentlich? Ich möchte dem Radsport Vertrauen schenken, zweifele aber immer wieder daran. Das kann man auf Dauer nicht aushalten. Irgendwann möchte man das Kapitel nur noch abschließen“, spricht Lang die Dopingproblematik an. „Und deswegen habe ich den Entschluss gefasst, gar nicht mehr so lange zu fahren.“

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