Unwiderstehlicher Sprint krönt perfekte Teamleistung

Deutsche Frauen fahren Brennauer zur Silber-Medaille

Von Felix Mattis aus Ponferrada

Foto zu dem Text "Deutsche Frauen fahren Brennauer zur Silber-Medaille "
Lisa Brennauer (li.) holte im WM-Straßenrennen der Frauen die Silbermedaille. | Foto: Cor Vos

27.09.2014  |  (rsn) – Der Zweite ist der erste Verlierer? Mitnichten. Die Silbermedaille von Lisa Brennauer im WM-Straßenrennen wurde beim Bund Deutscher Radfahrer gefeiert wie ein Sieg – und zwar einer des gesamten Teams. „Das haben sie heute sehr gut gemacht - perfekt“, lobte André Korff den Auftritt seiner Frauen, und später beim Abendessen gab es verdientes Lob von der gesamten Delegation. 

Tatsächlich überzeugte das deutsche Septett auf ganzer Linie. Schon vom ersten Kilometer an übernahmen Romy Kasper, Corinna Lechner, Stephanie Pohl und Charlotte Becker das Zepter und bestimmten abwechselnd das Tempo im Feld. 

Anschließend sorgten Trixi Worrack und Claudia Lichtenberg mit zahlreichen Angriffen auf den zwei Schlussrunden für Tempo und beschäftigten die Konkurrenz, bevor schließlich auf der Zielgeraden Lisa Brennauer mit der größten Endgeschwindigkeit aus eigentlich hoffnungsloser Position noch auf Rang zwei spurtete. „Unser Plan war, dass wir attackieren und eine sitzen bleibt“, erklärte Worrack radsport-news.com. 

Diese eine war Brennauer. „Es war am Schluss völlig klar, dass es für Lisa geht“, sagte Lichtenberg, dass es an der Rollenverteilung keinen Zweifel gegeben habe – obwohl vor dem Rennen keine klare Mannschaftsführerin ausgemacht worden war. „Sie hat den nötigen Punch und momentan die Form ihres Lebens.“ 

Lichtenberg aber war schließlich diejenige, die im Hotel mindestens genauso gefeiert wurde wie die Silbermedaillen-Gewinnerin. Denn die Münchenerin ermöglichte den zweiten Platz ihrer Teamkollegin mit ihrer unwiderstehlichen Verfolgungsjagd auf den letzten zwei Kilometern erst. „Claudia, Du bist meine Heldin des Tages“, rief etwa John Degenkolb der 28-Jährigen deshalb zu. 

Der Zusammenhalt in der Frauen-Nationalmannschaft war schließlich ausschlaggebend für den Erfolg, der sich in Brennauers Silbermedaille widerspiegelte. „Wir haben uns als Team megagut verstanden“, bestätigte Charlotte Becker diesen Eindruck, und Brennauer wäre es am liebsten gewesen, wenn deshalb auch ihre Teamkolleginnen öffentlich mehr geehrt worden wären. „Es ist so schade: Ich kenne keinen anderen Mannschaftssport, bei dem am Ende nur eine oben stehen darf“, sagte die Zeitfahr-Weltmeisterin. 

„Das ist traurig, denn eigentlich arbeitet man den ganzen Tag gemeinsam für ein Ziel, und am Ende steht eine oben, während die anderen schon am Duschen sind. Es wäre toll, wenn die auch so ein Ding um den Hals bekämen. Sie sind alle so toll gefahren, ich musste fast nie in den Wind. Einmal musste ich wegen einem Sturz kurz vom Rad, und sofort war Charlotte da, um mich wieder an die Gruppe ranzufahren. Von der Medaille gehört jeder aus dem Team ein Siebtel", sagte Brennauer.

Unter der Dusche waren ihre Teamkolleginnen zwar noch nicht, als die Allgäuerin auf dem Siegerpodest stand, aber bei ihr durften sie auch nicht sein. Selbst der Weg zur ersten Gratulation war alles andere als einfach, wie Becker lachend erzählte: „Ich durfte gar nicht da durch, musste mich erstmal durchboxen.“ 

Im Rennen hatte es lediglich eine Schrecksekunde gegeben, als Worrack am Ende der zweiten Runde in einen heftigen Massensturz verwickelt wurde. Doch die 32-Jährige konnte weiterfahren und schloss die entstandene Lücke schnell wieder. „Dabei habe ich mir aber schon einen reingefahren“, sagte sie nach dem Rennen. Deshalb war schnell klar, dass Worrack eine derjenigen sein würde, die in der Folge auf Attacken setzt, was sie bis zum letzten Rest ihrer Kraftreserven auch vier Mal tat. Immer wieder mussten deshalb Marianne Vos und Elizabeth Armitstead nachsetzen und die Lücke schließen. 

Auf Worracks letzte Beschleunigung folgte im Finale schließlich ein Antritt ihrer Specialized-lululemon-Teamkollegin Evelyn Stevens und danach der scheinbar vorentscheidende Angriff der Schwedin Emma Johansson, dem nur Armitstead, Vos und Elisa Longo Borghini folgen konnten. Das Quartett stürzte sich in die Abfahrt zum Ziel, war sich, unten angekommen, 1,2 Kilometer vor der Linie aber nicht mehr einig. Die vier schauten sich an, drehten sich um und sahen tatenlos dabei zu, wie Lichtenberg von hinten die erste größere Verfolgergruppe heranbrachte – mit Brennauer am Hinterrad. 

Die Giant-Fahrerin fuhr bis zum sprichwörtlichen letzten Tropfen, konnte den Sprint für Brennauer dann aber nicht mehr anziehen. „Es war klar, dass ich nicht bis 250 Meter vor dem Ziel komme, so dass Lisa von meinem Hinterrad hätte sprinten können“, so Lichtenberg. „Aber es galt einfach, das Tempo hochzuhalten.“ 

Als ihre Helferin nicht mehr weiterziehen konnte, schaute sich Brennauer kurz um und ließ sich etwas zurückfallen, um nicht schon 300 Meter vor dem Ziel im Wind zu stehen. Dabei geriet sie am linken Straßenrand in eine schlechte Position und wurde sogar noch von einer Italienerin angerempelt, zog 150 Meter vor dem Ziel dann aber trotzdem voll durch und nutzte auf den letzten 50 Metern eine plötzlich aufgegangene Lücke in der Straßenmitte, um an Johansson, die am Ende Bronze holte und der zweifachen Weltmeisterin Giorgia Bronzini, die Vierte wurde, noch vorbeizuspurten.

Weiteres Foto - mit Klick vergrößernWeiteres Foto - mit Klick vergrößernWeiteres Foto - mit Klick vergrößern

Mehr Informationen zu diesem Thema

19.03.2015Ponferrada hat nach der WM mit dickem Minus zu kämpfen

(rsn) – So gut die Straßen-Weltmeisterschaften im vergangenen September für den Bund Deutscher Radfahrer verlaufen sind, und so reibungslos in Ponferrada alles für die Medienvertreter und Zuschau

23.10.2014Verdienstkreuz in Gold für Weltmeister Kwiatkowski

(rsn) – Nach Rafal Majkas beiden Etappensiegen bei der diesjährigen Frankreich-Rundfahrt und Michal Kwiatkowskis Sensations-Coup bei der Straßenweltmeisterschaft ist der polnische Radsport, der bi

12.10.2014Kwiatkowksi präsentierte sich in Torun seinen Fans

(rsn) – Für Michal Kwiatkowski ist die Saison 2014 zu Ende. Bevor der Straßenweltmeister in die verdiente Renn- und Trainingspause ging, zeigte er sich seinen Fans am vergangenen Sonntag im Regenb

10.10.2014Herklotz wehrt sich gegen Grabschs Kritik

(rsn) – Während mit Sprinter Phil Bauhaus (zu Bora Argon 18) einer der beiden Kapitäne das Team Stölting in Richtung zweite Liga verlässt, bleibt mit Rundfahrer Silvio Herklotz die andere wichti

30.09.2014Millar: In Ponferrada schloss sich der Kreis

(rsn) - David Millar hat am Sonntag im WM-Straßenrennen von Ponferrada seinen Abschied vom Profiradsport gegeben. Der 37 Jahre alte Schotte, der noch einmal für das britische Team nominiert worden w

30.09.2014Martin: „Kwiatkowskis Titel beste Alternative zu deutschem Sieg"

(rsn) – Nach dem WM-Straßenrennen von Ponferrada hat Tony Martin eine positive Saisonbilanz gezogen. „Insgesamt bin ich zufrieden, auch wenn ich das Zeitfahrergebnis bei der WM dabei ein bisschen

30.09.2014Kwiatkowski interessierte nur die Goldmedaille

(rsn) - Dass Patrick Lefevere ein Näschen für Radsport-Talente wie kaum anderer hat, ist hinlänglich bekannt. Der belgische Teammanager weiß, wie man mit den Champions der Zukunft umgehen und

29.09.2014Cancellara jagt weiter dem Regenbogentrikot hinterher

(rsn) – Fabian Cancellara jagt weiter seinem ersten Weltmeistertitel auf der Straße hinterher. Der Schweizer, als einer der Gold-Kandidaten in das 254,8 Kilometer lange Straßenrennen von Ponferrad

29.09.2014BDR-Nachwuchs verspricht eine goldene Zukunft

Ponferrada (dpa/rsn) - Rudolf Scharping soll sich fast täglich von China aus per Telefon nach dem Rechten erkundigt haben. Die Nachrichten von der Straßen-WM in Ponferrada dürften den BDR-Präsiden

29.09.2014Kwiatkowski vergoldet in Ponferrada die Gala seines Teams

(rsn) – Michal Kwiatkowksi ist nicht nur der erste Pole, der in einem WM-Straßenrennen der Profis das Regenbogentrikot erobert hat. Mit seinen 24 Jahren ist der Teamkollege von Tony Martin ist der

28.09.2014Kwiatkowski ließ sich in Ponferrada auf keine Spielchen ein

(rsn) - Auf diesen Tag haben die polnischen Fans lange warten müssen. Vor 25 Jahren sicherte sich Joachim Halupczok im französischen Chambery das Regenbogentrikot des Amateur-Weltmeisters. Am

28.09.2014Mehrere Verletzte bei Autounfall im WM-Straßenrennen

(rsn) - Bei einem schweren Unfall im WM-Straßenrennen sind am Sonntag mehrere Personen verletzt worden. Auf einer der regennassen Abfahrten prallte der Begleitwagen des norwegischen Teams gegen einen

Weitere Radsportnachrichten

21.11.2024Uijtdebroeks denkt über Rallye-Karriere nach

(rsn) – Seine Profikarriere als Radsportler hat kaum begonnen, da macht sich Cian Uijtdebroeks schon Gedanken über die Zeit danach. Der 21-Jährige hat jüngst in einem Interview mit Het Nieuwsblad

21.11.2024Pogacar schließt Start bei Paris-Roubaix nicht aus

(rsn) – Fährt er, oder fährt er nicht? Zuletzt schien es so, als wolle Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) für die nächsten Jahre noch einen Bogen um Paris-Roubaix machen. Doch neue Aussagen des 2

21.11.2024Nach Dopingsperre jetzt Haft auf Bewährung gefordert

(rsn) - Nach vier Jahren Dopingsperre aufgrund eines positiven Test auf Epo im Jahr 2019 droht der früheren französischen Radsportlerin Marion Sicot jetzt eine einjährige Haftstrafe auf Bewährung.

21.11.2024Amador beendet Karriere trotz Vertrag, Movistar macht Nägel mit Köpfen

(rsn) - In unserem ständig aktualisierten Transferticker informieren wir Sie regelmäßig über Personalien aus der Welt des Radsports. Ob es sich um Teamwechsel, Vertragsverlängerungen oder Rücktr

20.11.2024Pieterse gibt ihr Cross-Programm bekannt

(rsn) – Mountainbikeweltmeisterin Puck Pieterse (Fenix – Deceuninck) hat auf ihren Social-Media-Kanälen ihr Programm für den Winter bekannt gegeben. Die 22-Jährige steigt erst Mitte Dezember be

20.11.2024Das Pech zog sich wie ein roter Faden durchs Jahr

(rsn) – Nach einer starken Saison 2023, als er Deutscher U23-Meister auf der Straße und im Zeitfahren wurde sowie einen sechsten Platz im WM-Straßenrennen der Espoirs einfuhr, ging Moritz Kretschy

20.11.2024Die negativen Erlebnisse übermalten die positiven

(rsn) - Eigentlich hatte sich Marco Schrettl (Tirol - KTM) 2024 vorgenommen mit tollen Leistungen eine starke Empfehlung an die besten Teams des Straßenradsports abzugeben, doch ganz klappte der ambi

20.11.2024Im Überblick: Die Transfers der Männer-Profiteams für 2025

(rsn) – Nachdem zahlreiche Transfergerüchte seit Monaten in der Radsportwelt zirkulieren, dürfen die Profimannschaften seit dem 1. August ihre Zu- und Abgänge offiziell bekanntgeben. Radsport

20.11.2024Drei Mal Gold zu holen bleibt ein Traum

(rsn) – Madison-Gold bei EM und WM, dazu zwei Podien in UCI-Rennen auf der Straße. Für Roger Kluge (rad-net – Oßwald) lief die Saison 2024 eigentlich perfekt, wäre da nicht die Enttäuschung b

20.11.2024Rundfahrtchefs Pupp, Senn und Wegmann heute im “Windschatten“

(rsn) – Zum fünfjährigen Bestehen der österreichischen Radsport-Initiative "Österreich dreht am Rad" finden in dieser Woche in der Medienhalle Hall in Tirol täglich Podiumsdiskussionen und Live

20.11.2024Im Überblick: Die Transfers der Frauen-Profiteams für 2025

(rsn) – Nachdem zahlreiche Transfergerüchte seit Monaten in der Radsportwelt zirkulieren, dürfen die Profiteam seit dem 1. August ihre Transfers offiziell bekanntgeben. Radsport-news.com samme

20.11.2024Van Gils und Lotto - Dstny sprechen über Vertragsauflösung

(rsn) – Letzten Winter forcierte der Belgier Cian Uijtdebroeks seinen vorzeitigen Wechsel vom deutschen Bora - hansgrohe zu Visma - Lease a Bike. Eine ähnliche Geschichte könnte sich auch jetzt an

RADRENNEN HEUTE
  • Keine Termine