Giro: Contador beschränkt sich auf die Defensive

Astana lässt der Konkurrenz keine Luft, Aru kommt zurück

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Fabio Aru (Astana) gewinnt die 19 Etappe des 98. Giro d´Italia | Foto: Cor Vos

29.05.2015  |  (rsn) – Fabio Aru (Astana) hat beim 98. Giro d’Italia seinen Abwärtstrend gestoppt und sich mit einem überzeugend herausgefahrenen Sieg auf der 19. Etappe des wieder auf Rang zwei der Gesamtwertung verbessert. Der 24 Jahre alte Italiener triumphierte über 236 Kilometer von Gravellona Toce zur Bergankunft in Cervinia als Solist und rückte bis auf 4:37 Minuten wieder an Alberto Contador (Tinkoff-Saxo) heran, der sich auf dem 236 Kilometer langen und über 4.800 Höhenmeter führenden Teilstück damit begnügte, sein Rosa Trikot zu verteidigen.

„Das war ein nicht so erwarteter Sieg nach den letzten Tagen, an denen es mir nicht so gut ging. Was meine Giro-Bilanz angeht: Ich bin eigentlich niemals zufrieden, also auch jetzt nicht, obwohl ich mich über diesen Tag natürlich freue. Aber ich muss weiter arbeiten und die nächsten Ziele angehen“, sagte Aru bei der Pressekonferenz.

Contador wurde am Freitag Sechster mit 1:18 Minuten Rückstand auf Aru, der im oberen Drittel des 19 Kilometer langen Schlussanstiegs aus der Favoritengruppe heraus attackiert und fünf Kilometer vor dem Ziel zu Ryder Hesjedal (Cannondale-Garmin) aufgeschlossen und diesen stehen gelassen hatte. Der Kanadier, der kurz zuvor in die Offensive gegangen war, sicherte sich nach einem erneut beeindruckenden Auftritt 28 Sekunden hinter dem wie entfesselt fahrenden Aru den zweiten Platz und machte im Gesamtklassement, wo er nun auf Rang sieben geführt wird, zwei Plätze gut.

Während Hesjedal seinen Aufwärtstrend der vergangenen Tage bestätigte, gelang Rigoberto Uran (Etixx-Quick-Step) ein kleines Comeback. Der Kolumbianer, der im Gesamtklassement bereits mehr als eine halbe Stunde Rückstand auf Contador hat, sicherte sich mit 1:10 Minuten Rückstand auf den Etappengewinner den dritten Platz, gefolgt von der kleinen Gruppe um das Rosa Trikot, die von Tanel Kangert (Astana) angeführt wurde.

Hinter dem Esten belegte der Niederländer Steven Kruijswijk (LottoNL-Jumbo)– der sein Bergtrikot an den Italiener Giovanni Visconti (Movistar) abtreten musste - den fünften Platz vor Contador und dessen Landsmann Mikel Landa (Astana). Der Spanier musste im Gesamtklassement seinen italienischen Teamkollegen Aru wieder an sich vorbeiziehen lassen, hat als Dritter aber unverändert 5:15 Minuten Rückstand auf den Spitzenreiter, der nach seiner gestrigen Kräfte raubenden Etappe defensiv fuhr.

„Heute war es sehr schwer. Ich habe mich dafür entschieden, der Verteidigung des Trikots größere Priorität einzuräumen. Ich habe auf Landa geachtet, der mir am nächsten im Klassement ist. Das Rosa Trikot auf diesem Kurs zu verteidigen, war sehr schwer“, erklärte Contador im Ziel den wartenden Reportern.

Aus einer ursprünglich neunköpfigen Spitzengruppe, die sich einen Maximalvorsprung von rund vier Minuten erarbeitet hatte, zog Visconti im zweiten Berg des Tages, dem 20 Kilometer langen Col de St. Barthélemy davon, verfolgt vom Kolumbianer Johan Esteban Chaves (Orica-GreenEdge), dem Russen Pavel Kochetkov (Katusha) sowie dem Weißrussen Vasil Kiryienka (Sky), dem Sieger des fast 60 Kilometer langen Einzelzeitfahrens am vergangenen Samstag, sowie dem Polen Marek Rutkiewicz (CCC Sprandi).

Das Quintett blieb bis zum vorletzten Anstieg, dem 16,5 Kilometer langen Col Saint-Panthaleon beisammen, wo erneut Visconti attackierte und alle seine Begleiter abschüttelte. Der 32-Jährige, der bereits bei der ersten Bergwertung (3. Kat.) als zweiter Punkte gesammelt hatte, sicherte sich die beiden folgenden Bergpreise der 1. Kategorie und löste damit Kruiswijk in der Spitze der Bergwertung ab. Den anvisierten Etappensieg konnte Visconti aber nicht realisieren, weil Astana in fast voller Mannschaftsstärke im Feld für horrendes Tempo sorgte.

Der Turiner, in dessen Heimat am Sonntag die letzte Etappe gestartet wird, rettete sich noch in den 19 Kilometer langen und fünf Prozent steilen Schlussanstieg hinein, wo er dann aber gut zehn Kilometer vor dem Ziel gestellt wurde. „Es war heute sehr schwer zu gewinnen. Astana hat einfach keine Luft gelassen. Vielleicht wäre das auf einer kürzeren Etappe anders gewesen. Aber das Bergtrikot ist eine schöne Entschädigung“, sagte Visconti, der es am Ende „austrudeln" ließ und mit fast 15 Minuten Rückstand auf Rang 32 ins Ziel kam, dort zu radsport-news.com.

Kurz nachdem Viscontis Austritt beendet war, eröffnete Siutsou, der in die Favoritengruppe zurückgefallen war, mit seinem Antritt das Finale, in dem Landa mit seiner Attacke den nächsten Akzent setzte. Contador konnte beide Male kontern, doch sowohl bei Hesjedals Antritt auf den letzten acht Kilometern als auch kurz darauf folgender Arus Tempoverschärfung hielt der Madrilene still und blieb stattdessen an Landas Seite.

Der erklärte im Ziel gegenüber radsport-news.com, dass man mit den wechselnden Astana-Attacken genau dem Plan gefolgt sei, den man sich vor der Etappe ausgearbeitet hatte. „Unsere Taktik ist richtig gut aufgegangen. Ich bin froh für Fabio, dass er im Klassement aufgeholt hat. Wir sind Mannschaftskameraden, es ging um den Tagessieg für das Team. Wir haben beide attackiert, wir wollten etwas Chaos schaffen. Das hat geklappt. Ich freue mich wirklich für ihn“, sagte der 25-Jährige, der bereits zwei Tagessiege errungen hat, zum bereits vierten Giro-Etappenerfolg für Astana.

Für Aru, der auf den letzten Kilometern seinen Vorsprung gegenüber Hesjedal und der Contador-Gruppe Sekunde um Sekunde ausbauen konnte, war der Triumph an der Bergankunft in Cervinia nicht nur der zweite Etappensieg bei einer Italien-Rundfahrt, sondern auch eine große Genugtuung. Denn der junge Sarde, der bei diesem Giro zunächst Contador im Nacken saß, sogar für einen Tag das Rosa Trikot trug, dann aber immer mehr Zeit einbüßte und sogar Platz zwei der Gesamtwertung an Landa abgeben musste, schien von Tag zu Tag schwächer zu werden.

Auf der drittletzten Etappe nun konnte Aru den Trend auf eindrucksvolle Weise umkehren, was auch sein Team-Manager Alexander Winokurow im Blick hatte, als er die Etappe gegenüber radsport-news.com kommentierte: „Für Fabio war es wichtig, hier zu gewinnen. Manch Fahrer in seinem Alter kommt eine halbe Stunde später an. Er hat in den letzten Tagen gelitten, jetzt ist er zurückgekommen. Das zeigt seinen großen Charakter“, sagte der Kasache.

„Der Sieg hier ist besonders, wie auch letztes Jahr am Montecampione“, erklärte Aru, der weiter mit großem Abstand die Nachwuchswertung anführt. „Aber jetzt, nach den schwierigen Momenten zuletzt, hat da schon einen besonderen Geschmack. Die letzten Tage waren hart, ich habe versucht, so viel zu schlafen wie möglich und bin trotzdem am Morgen mit dem Gefühl aufgewacht, völlig k.o. zu sein.“

Vielleicht wird sich das Gefühl mit dem heutigen Sieg verändern.

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